Mit den im Norden Syriens vorrückenden islamistischen Verbänden verbindet sich eine erhebliche Bedrohung der kurdischen Autonomie in dieser Region. Die Türkei trifft bereits Vorkehrungen, um die Situation gegen Rojava auszunutzen


Eine kurdische Demonstration in Qamischli im Nordosten Syriens gegen die Angriffe der von der Türkei unterstützten Kämpfer auf die kurdisch kontrollierten Gebiete

Foto: Delil Souleiman/AFP/Getty Images


Ob sie wollen oder nicht – die kurdischen Selbstverteidigungskräfte im Norden Syriens müssen sich gegen den Vormarsch islamistischer Verbände im Raum Aleppo zur Wehr setzen. Sie haben ebenso keine Wahl, wie das für die syrische Regierungsarmee und ihre Alliierten zutrifft.

Fällt Aleppo – damit ist nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Region gemeint – für längere Zeit unter islamistische Kontrolle, verheißt das der Rojava, der Autonomen Kurdischen Administration von Nord- und Ostsyrien, nichts Gutes. Die von der Dschihadistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) angeführten Rebellen haben sich in der Provinz Idlib dank türkischer Hilfe neu formieren und ausrüsten können. Sie verfügen über diesen Rück

mieren und ausrüsten können. Sie verfügen über diesen Rückhalt, für den sie sich erkenntlich zeigen müssen und wollen – der Kampf gegen die Kurden gehört seit den barbarischen Jahren des Islamischen Staates (IS) nach 2014 dazu.Präsident Recep Tayyip Erdoğan weiß das und will das. Er revanchiert sich im Augenblick nicht nur dafür, dass die Regierung von Präsident Assad syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, die seit Jahren in der Türkei leben, nicht in dem Maße zurücknimmt, wie das Ankara erwartet. Vermutlich soll das erzwungen werden, indem der militärische Druck auf Damaskus zunimmt.Erdoğan nutzt die Schwächung des Iran und der HisbollahZugleich trifft die Türkei Vorkehrungen, um die kurdische Region einem Zwei-Fronten-Krieg auszusetzen. Das gilt für Städte wie Ar-Raqqa, al-Hasaka und Qamischli, in denen die Zentralregierung seit 2020 wieder mehr Einfluss erlangt hat. Dies war mit einer relativen Stabilisierung des Regimes wie der Option zu erklären, die kurdische Community als Partner für eine syrische Nachkriegsordnung zu gewinnen. Inwieweit das bisher gelungen ist, lässt sich schwer sagen. Fest steht nur, dass die kurdische Souveränität davon profitiert hätte. Die Verbindung von kurdischer Selbstverwaltung und Regimeloyalität schien denkbar. Im Augenblick sind solcherart Arrangements infrage gestellt. Gerät die Assad-Armee in Bedrängnis, dann trifft das ebenso auf die kurdischen YPG/YPJ-Milizen zu.Erdoğan nutzt die Gunst der Stunde. Wenn acht Wochen Krieg im Libanon die Hisbollah geschwächt haben, ist der Iran gefordert, sich um deren Regeneration zu kümmern. Das hat ebenso Einfluss auf den Zustand des mit Teheran verbündeten Regierungslagers in Syrien wie der Ukraine-Krieg auf die militärischen Kapazitäten Russlands, die gebraucht werden, um Bashar al-Assad beizustehen.Nicht vergessen werden sollte: Es gab Ende November das überraschende Angebot der türkischen Regierungskoalition aus AKP und rechtsnationalistischer MHP an Abdullah Öcalan, den seit 1999 inhaftierten Führer der kurdischen Arbeiterpartei PKK: Er solle die Auflösung seiner Milizen und Partei verkünden und den bewaffneten Kampf aufgeben. Im Gegenzug werde er amnestiert und Südostanatolien mehr gefördert.Kobanê wurde 2014 zum Sinnbild dessen, was möglich sein kannDies sollte offenkundig eine Bresche in die regionale Dimension der kurdischen Selbstbestimmung schlagen. Für die syrischen Kurden wäre es ein Desaster, würde der türkische Verbündete neutralisiert oder zur Aufgabe veranlasst. Es würde schwerfallen, Vorstößen der türkischen Armee sowie islamistischer Kampfeinheiten in die syrische Kurdenregion künftig wirksamen Widerstand entgegenzusetzen. Die blutige Schlacht um die Stadt Kobanê im September 2014 wurde zum Sinnbild dessen, was möglich sein kann. Hauptangreifer gegen die kurdische Bastion war damals der Islamische Staat (IS).



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Von Veritatis

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