„Wie geht es Ihnen heute?“ Chatbots haben auch in die Behandlung von psychischen Erkrankungen Einzug gehalten. Unser Autor, selbst Psychotherapeut, erklärt, was die „Künstliche Intelligenz“ nicht kann


Elementar für jede Psychotherapie ist die therapeutische Beziehung. Diese kann ein Computer nicht ersetzen

Illustration: Kristina Wedel für der Freitag


Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird nun auch für die Behandlung von psychischen Krankheiten und Störungen diskutiert. Eine tollkühne Erwartung legte jüngst der Heilpraktiker und Autor Klaus Bernhardt im Interview mit dem Freitag vor: Durch KI gebe es „die Möglichkeit, dass ich mir meinen Therapeuten selbst baue“. Der könne zum Beispiel störende Glaubenssätze wie „Dafür bin ich zu alt“ „entlarven“. Den Hinweis auf die fehlende Empathie eines Chatbots kontert Bernhardt mit der für meinen Berufsstand schwer erträglichen Behauptung, dass viele Therapeuten diese Gefühle auch nur „simulieren“ würden. Es geht um Grundlegendes.

Elementar für jede Psychotherapie ist die

n diese Gefühle auch nur „simulieren“ würden. Es geht um Grundlegendes.Elementar für jede Psychotherapie ist die therapeutische Beziehung, unabhängig von der jeweiligen Ausrichtung (tiefenpsychologisch-analytisch, verhaltenstherapeutisch, systemisch). Das, was Therapierende tun, ist keineswegs banal. Approbierte Psychotherapeuten absolvieren oft viele hundert Sitzungen Selbsterfahrung, um ihre eigene affektive Situation angemessen und hilfreich für Patient*innen regulieren zu können. Zwar ist es richtig, dass das wichtigste Arbeitswerkzeug von Therapeuten eben die Sprache ist. Die Vielschichtigkeit von Mehrfachbedeutungen, Metaphern, Ironie, Humor und paradoxen Interventionen wird durch gegenwärtige KI-Modelle jedoch nur sehr schwer nachzuahmen sein.Mein grundsätzlicher Kritikpunkt an der überbordenden Euphorie über die digitalen Möglichkeiten im Gesundheitssystem, wie ich Sie in meinem Buch Angriffe auf die Seele zusammengefasst habe, ist, dass psychische Störungen aus Beziehungsstörungen hervorgehen, Beziehungsstörungen sind und nur durch Beziehungen mit realen anderen, die in Resonanz gehen können, korrigiert werden können. Resonanz meint vor allem die nonverbalen, nichtkognitiven, auch unbewussten Dimensionen der Psyche.Das Large-Language-Modell, das die Grundlage für Chatbots ist, kann sinnvolle Sätze generieren, aber Resonanzen erkennt es nicht. Ein Menschenbild, das therapeutische Prozesse lediglich über Intellekt und Datenspeichervolumen definiert, ist gefährlich eng gefasst, es ist mit anderen Worten technizistisch.Patientinnen und Patienten benötigen WertschätzungViele der Patient*innen leiden unter der ständig enger getakteten und durch Medienkonsum und Technik geprägten Alltags- und Berufswelt. Ihnen ein Tool an die Hand zu geben, anstatt eine Beziehung anzubieten, muss diesen Menschen im Innersten wie Hohn vorkommen. Viele Menschen lassen sich auch nicht so einfach aufs Glatteis neuer Unternehmerschaften im Bereich „Digitales Gesundheitswesen“ führen: Die anfängliche Euphorie angesichts der „Digitalen Gesundheitsanwendungen“, also von Apps, die bei Störungen wie Depression auch Kassenleistungen geworden sind, ist relativ abgeebbt, die Erwartungen der Anbieter und Kassen sind in vielem enttäuscht worden.Sicherlich gibt es bei Psychotherapeut*innen auch Skepsis gegenüber dem digitalen Wandel. Diese Ängste pauschal auf eine „Angststörung“ zurückzuführen und sie Therapeuten vorzuwerfen, wie Bernhardt es macht, braucht schon viel Chuzpe. Die Möglichkeiten der KI bei der Behandlung psychischer Krankheiten scheinen umso verführerischer, als sie auf Lücken und Schwächen des Systems zielen.Ja, ein Erkrankter muss oft viel zu lange auf einen Therapieplatz warten. Die Ursache liegt auch in den um sich greifenden sozial und politisch geschürten Ängsten unserer Lebenswelt. Hinzu kommt: Eine therapeutische Beziehung benötigt Zeit. Es muss „passen“, was nicht in jedem Erstgespräch festgestellt werden kann. Insofern dauert es manchmal, bis der richtige Therapeut gefunden ist.Für eine Übergangsfrist wären Apps oder KI-gesteuerte Bot-Modelle eine Alternative. Darüber ließe sich diskutieren. Für die Therapie selbst ist dies keine Option. Wertschätzung ist das, was Patientinnen und Patienten vor allem benötigen (und auch therapeutisch Tätige), bevor sie sich dafür gewinnen lassen, neue Modelle in ihr Arbeiten und Leben zu integrieren.



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Von Veritatis

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