Mehr Blick von Oben: Dass Marginalisierte auf Berge steigen, hat bis heute Seltenheitswert

Foto: Leo Foureaux/Unsplash


Eine Dokumentation über Schwarze Bergsteigerinnen in der Schweiz wird für unsere Autorin zur emotionalen Erfahrung. Es geht um Grenzen, Durchhalteparolen, Kampf, aber auch den Mut, mal die Füße hochzulegen

Kürzlich sah ich eine Dokumentation, in der eine Gruppe Schwarzer, weiblich gelesener Personen mehrere Tage zum Bishorn in der Schweiz hochwandern. Allein die Tatsache, vier Schwarze Personen gemeinsam auf einem Berg zu sehen, ließ mich kurz daran zweifeln, ob der Film eine Doku oder Fiktion ist. Denn ich, selbst Schwarz, aus Bayern kommend, bin schon auf dem einen oder anderen Berg gewesen. Zuvor habe ich aber noch nie eine andere Schwarze Person auf einem Gipfel getroffen. Ein Blick in die Filmbeschreibung verriet – doch, das ist real.

Berggrate, Himmel, Hütten – Was wie eine Sendung bei 3sat klingt, wurde für mich zu einer emotionalen Achterbahn, mit der weder ein Bollywood-Film noch ein Action-Schinken hätte mithalten können. Denn in den knapp 2

h zu einer emotionalen Achterbahn, mit der weder ein Bollywood-Film noch ein Action-Schinken hätte mithalten können. Denn in den knapp 20 Minuten bereiten sich die vier mit Equipment vor, lernen, was das Wort „Geröll“ bedeutet, und reflektieren ihre Rolle als Schwarze Personen – wie oft sie deswegen unterschätzt werden und welche Hürden sie aufgrund ihrer Identität im Leben haben. Was alle vier eint? Sie haben sich durchgekämpft.Mit diesem Vorwissen begleitete ich vor meinem Laptop sitzend die vier hoch auf den Berg, sehe wie mit jedem weiteren Höhenmeter aus Teerboden erst Gras und dann Schnee wird. Ich gebe zu, kurz ist es doch wie bei 3sat. Bis die vier auf der letzten Hütte vor dem Gipfel einkehren und völlig erschöpft über ihre Ängste vor der letzten Etappe sprechen. „Vor morgen habe ich Angst, aber gar nicht, dass wir das machen, sondern ich muss was tun, damit Leute stolz auf mich sind“, sagt eine der Personen. „Ich bin immer gezwungen durchzuhalten, egal ob ich gerade gerne sagen würde, ich brauche eine Pause.“ Beim letzten Satz brach ihre Stimme und ich in Tränen aus.Wie Marginalisierte die Extrameile gehenWas die vier beschreiben, kenne ich, und wahrscheinlich viele Menschen, die marginalisiert sind – ob Frauen, BiPoCs oder queere Menschen – nur zu gut. Wir überschreiten ständig unsere Grenzen, weil wir gelernt haben, die extra Meile gehen zu müssen, um die Diskriminierungen, die wir erfahren, zu kompensieren. Nicht immer mag das stimmen, aber gelernt haben wir es trotzdem. Weil es so oft hieß, „es kann nur eine Person von uns schaffen“, bis wir uns mittlerweile selbst als Quote sehen. Auch, weil wir eben so oft die einzigen in Räumen sind.Wie echte Kämpfernaturen entschieden sich die vier also dafür, weiter zu wandern. Nur noch Schnee und Himmel, Weiß und Blau. Die Musik wurde immer dynamischer, mein Puls stieg. Erreichen sie den Gipfel, erreichen sie ihn nicht? „Ich schaffe es nicht“, höre ich plötzlich aus der Wandergruppe. Als eine Person es ausspricht, trauen sich auch die anderen. Alle sind körperlich am Ende. Nur das zuzugeben fiel ihnen schwer.Kurz war ich ein bisschen enttäuscht. Dann dachte ich: Ein besseres Ende hätte die Dokumentation nicht haben können. Ich realisierte, „durchziehen“, das habe ich gelernt. Aufgeben wiederum, das muss auch ich üben. Wer sich jeden Tag mit Unterdrückungsstrukturen abmüht, der wird automatisch zum Gipfelstürmer. Wir marginalisierten Personen: Lasst uns die Wanderschuhe auch mal ausziehen, den Powerriegel aus dem Rucksack packen und als erste Übung für heute mal nicht über unsere Grenzen gehen. Sondern die Füße hochlegen.Noelle Konate ist 1994 in München geboren, ausgebildet in Modejournalismus und Medienkommunikation und lernt aktuell an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg



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Von Veritatis

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