Mit einer Auflage von gut 100.000 Exemplaren ist Valeurs actuelles eine dem Rechtsradikalismus nahestehende Monatszeitschrift. Ihr Chefredakteur war bis Ende Juni Geoffroy Lejeune (34), der das Blatt zum Lautsprecher des Ultranationalisten Eric Zemmour machte, von dem angenommen wird, im Rechtsaußenlager bei der nächsten Präsidentenwahl gegen Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN) nicht ganz chancenlos zu sein.

Der Libanese Iskandar Safa – Hauptaktionär und quasi alleiniger Besitzer von Valeurs actuelles – schaute dieser „Zemmourtisation“ bis zum Frühsommer mit wachsendem Unbehagen zu. Dann hatte er genug und kündigte Lejeune. Safa wollte kein Propagandablatt für einen, sondern eine Publikation „für alle Rechten

222;für alle Rechten“ haben.Zu seinem Ärger hatte Lejeune schon im September 2021 ein Porträt der schwarzen Parlamentsabgeordneten Danièle Obono von der linken Partei La France insoumise als Montage darbieten lassen. Sie zeigte die Politikerin als in Ketten gelegte Sklavin, was zu einem Bußgeld von 1.500 Euro wegen rassistischer Hetze führte. Im selben Jahr erregte ein spektakulär auftrumpfender Artikel von 20 pensionierten Generälen gegen „islamistischen Terror“ Aufsehen. Was die Autoren zu sagen hatten, erinnerte allzu sehr an die selbstgefällige Rhetorik der Putsch-Generäle aus der Endphase des Algerienkrieges (1954 – 1962) und wurde von hundert weiteren, offenkundig rechtsstehenden Militärs unterstützt. Der Generalstaatsanwalt nahm gegen die Offiziere, die im Verdacht standen, dem RN von Le Pen anzugehören, umgehend Ermittlungen auf.Der Aufruf hatte für den Hauptaktionär das Fass zum Überlaufen gebracht. Und er entließ Chefredakteur Lejeune, der freilich nicht auf der Straße landete, sondern im steinreichen Medienmogul Vincent Bolloré jemanden fand, der ihn umgehend zum Chef der einzigen französischen Sonntagszeitung Journal du Dimanche (JDD) ernannte.Freilich provozierte der autoritäre Kraftakt des Eigentümers eine völlig überraschte Belegschaft zum Gegenschlag. So verblüfft wie zornig beschlossen die Mitarbeiter fast einstimmig mit 77 Ja-Stimmen gegen ein Nein einen sofortigen unbefristeten Streik. Eine nachvollziehbare Reaktion, denn noch unter Lejeunes Vorgänger Jérôme Béglé waren Interviews mit ultrarechten Galionsfiguren wie Marine Le Pen verhindert worden, was deren eisige Beziehung zum Sonntagsblatt erklärt.Dabei wehrte sich die Redaktion auch deshalb so vehement gegen Lejeune, weil der bei Valeurs actuelles einem rabiat „antieuropäischen Kurs“ gefolgt war und einen offenen Flirt mit dem Rassismus nicht scheute. Die JDD-Belegschaft ließ wissen, dass sie derlei Positionen „weder mittragen noch vertreten“ wolle. Ihre Zeitung sei keine „Meinungspostille“, sondern ein Blatt, das auf „Unabhängigkeit, Seriosität und Mäßigung“ achte.Fünf Wochen durchgehaltenFrankreichs Öffentlichkeit von der Linken bis zum Regierungslager kritisierte unisono den handstreichartigen Zugriff des Medienmoguls Bolloré auf das liberal-konservative Medium mit einer gewissen Affinität zum Boulevard. Allenthalben klang die Befürchtung an, dass rechtsextreme Propaganda nun auch dort heimisch und der republikanischen Kultur des Landes schaden werde. David Cormand, EU-Parlamentarier von Europe Écologie – Les Verts (EELV), meinte, „Bolloré begnügt sich nicht damit, der Rechten das Mikrofon hinzuhalten, er ist auch bereit, sich in deren Dienst zu stellen. Das Ende der Zurückhaltung bedeutet des Ende der Sonntagszeitung“.Der Streik der Belegschaft beim JDD wurde bisher fünf Wochen lang durchgehalten, was eine Debatte um das Überleben der Sonntagszeitung und den Zustand des französischen Medienbetriebs unter der fast flächendeckenden Herrschaft einer Handvoll von Milliardären ausgelöst hat. Im Parlament kündigten linke und andere Abgeordnete einen gemeinsamen Antrag für ein Gesetz an, um die Pressefreiheit und redaktionelle Unabhängigkeit gegen Druck von außen zu garantieren.



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Von Veritatis

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