In Bayern lebe „es sich einfach besser“, so überschreibt die CSU ihr Regierungsprogramm – die Landtagswahl steht vor der Tür. Bayern sei „Glücksland, Zukunfts- und Sehnsuchtsort“. Hach, hach, im Postkartenidyll Deutschlands, da fließt das güldene Bier in Strömen, da kann ein Mann noch ein Mann sein und den Damen in ihre prall geschnürten Dirndl-Dekolletés luschern. Ach, und „Premiumland beim Klimaschutz“ sei Bayern übrigens auch, schreibt die CSU, denn man schütze das Klima, erhalte die Landschaft und bewahre die Schöpfung.
Es fragt sich bloß, worauf die CSU diese Behauptung stützt, denn „Premiumland“ würde ja eine Führungsrolle beim Klimaschutz im bundesdeutschen Vergleich suggerieren, tatsächlich ist das „Glücksland“ der Lederhosen und Weißwürschtl aber Schlusslicht. Liebe Bayer*innen – ich weiß, der bayrische Ministerpräsident Markus Söder ist kein Freund des Genderns, „eine Pflicht zum Gendern wird es im Freistaat definitiv nicht geben“, twitterte er, aber „jeder soll es persönlich halten, wie er es will“. Ich fühle mich bei diesem generischen Maskulinum einfach mal großzügig mitgemeint und gendere freistaatlich raus: Also, liebe Bayer*innen, das wird jetzt ein bisschen wehtun, aber die Schöpfung hat es schwerer als gedacht im Südosten. Das fand der grüne Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig heraus, als er beim bayrischen Umweltministerium mal nachfragte, wie es in Sachen Klimapolitik so laufe, weil er keine aussagekräftigen offiziellen Zahlen dazu finden konnte.
Die Antworten sind ernüchternd: Zwar hat Bayern seine Treibhausgasemissionen in den vergangenen 30 Jahren senken können, im Vergleich mit dem Rest von Deutschland aber minimal: Während der Freistaat seine Emissionen seit 1990 von 112 auf 95 Millionen CO2-Äquivalente reduzierte, was einem Rückgang von 15 Prozent entspricht, reduzierte Gesamtdeutschland seine Emissionen um rund 40 Prozent. Bis 2030 sollen es 65 Prozent weniger sein – das ist mehr als viermal so viel wie Bayerns „Leistung“. Ach so, Markus Söder will seinen „Sehnsuchtsort“ bis 2040 übrigens klimaneutral machen, fünf Jahre eher als der Rest der Bundesrepublik, dafür müsste er das Klimaschutztempo aber mindestens verzehnfachen, rechneten Martin Stümpfig und sein Team aus.
Klima-Zukunft hat in Bayern nur das Oktoberfest
Am meisten muss sich Bayerns Verkehr ändern, der macht nämlich rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Den größten Anteil daran hat wiederum der Straßenverkehr. Statt zu sinken, sind die vom Verkehr verursachten Emissionen seit 1990 sogar um 5,5 Prozent gestiegen. Beim Bundesländerindex Mobilität und Umwelt der Allianz pro Schiene belegte Bayern denn auch wenig überraschend den letzten Platz. Sieht so der von der CSU beschworene „Zukunftsort“ aus?
Oder ist es gemein, den Bayer*innen gerade jetzt eine Watschn zu geben, wo doch gerade alle damit beschäftigt sind, den Oktoberfesthit Hulapalu von Andreas Gabalier mitzugrölen – „Happy Hour, mittn in da Nocht / Sexy olles danzt, olles locht / 40 Grad am Dancefloor / Hulapalu sogst du in mei Ohr“. Die 40 Grad sind übrigens nicht aus der Luft gegriffen, wie der Bonner Meteorologe Karsten Brandt schon vor einigen Jahren analysierte: Die vielen feiernden Menschen heizen nämlich die Temperaturen an, auf der Wiesn könne es bis zu zehn Grad wärmer werden als anderswo in der Stadt.
Aber glücklicherweise ist man nebst all der Sauferei auch auf der Wiesn am Zahn der Zeit: „Am Thema Nachhaltigkeit arbeiten wir nicht erst seit gestern“, ließ Peter Inselkammer, der Sprecher der Wiesn-Wirte, verlauten. In spätestens fünf Jahren sollen alle Festzelte klimaneutral sein – das ist jetzt auch nicht gerade Lichtgeschwindigkeit. „Die Wiesn ist unsere Visitenkarte in der Welt“, twitterte Söder zum Anstich – schade eigentlich.