Früher fand man das in der Zeitung unter „Vermischtes“, heute wandert Kurioses und Skurriles öfter ins Buch. Dort versammelt, hat es unter anderem den Vorteil, nicht mit all dem erfundenen Irrsinn in den asozialen Medien verwechselt zu werden.
Eine Sammlung „höchst merkwürdiger Begebenheiten“ hat der preisgekrönte britische Dokumentarfilmer, das Kuriositäten-Genie Edward Brooke-Hitchings zusammengetragen. Sein Buch ist, dosiert genossen, höchst unterhaltsam. So etwa die Nachricht von der Irischstämmigen, die in New York 1885 Suizid versuchte, weil sie den Limburger-Käse-Geruch ihres deutschstämmigen Ehemannes nicht mehr ertragen konnte.
Brook-Hitchings Kuriositäten-Sammlung ist zudem durchaus auch bildsam. Wer wollte nicht endlich wissen, welche Prominenten ohne ihr Herz begraben wurden? Und welch Abgründe ergeben sich allein aus dem Fund zu den ersten Sonnenbrillen: Im 12. Jahrhundert wurden sie in China von Richtern getragen, um ihren Gesichtsausdruck zu verbergen.
Rosa, den einen Farbe der Heiterkeit und der Zuversicht, den andren Signal für Schlichtgemüt und Emanzipationsferne. Wenn aber die Industrie 129 Farbvarianten von Rosa auf uns loslässt, dann steckt da mehr dahinter als der Barbie-Film von 2023 oder Edith Piafs La vie en rose von 1945. Pink bringt Pinkepinke. Heute allüberall, einst aber kostbar, da aus seltenen Rohstoffen gewonnen. So wurde es zunächst vorzugsweise in Kirchen verwandt, wo das in Italien noch immer zu bestaunen ist.
Björn Vedders Bändchen Rosa. Vom Zauber einer Farbe führt elegant und nachdenklich durch die lange Geschichte der aufheiternden Farbe – und zugleich von Assisi über Paris zum Münchner Ostbahnhof und nach Hollywood. Von der rosa Brille bis zum rosaroten Panther, vom Künstler Matisse bis zu Cary Grants U-Boot, von Mme. Pompadour bis Lolita – eine einzige rosa Welle.
Von Comics erwartet der kommune Altleser im Allgemeinen Albernes, Fantastisches, Unterhaltsames, aber nicht unbedingt historisch und philosophisch Bildsames. Weit gefehlt. Inzwischen gibt es ja in dem Segment eine breite Sparte, die es oft mit jedem „erzählenden Sachbuch“ locker aufnehmen kann. In diesem Falle auf ganz eigentümliche Weise, nämlich in einem geradezu kindlichen Bildstil und nahe an „einfacher Sprache“ erzählt – doch zugleich ein raffiniert weitschweifender Lehrgang.
Griechenland, viertes Jahrhundert vor unserer Zeit: Für die aus wohlhabendem Hause stammende Hipparchia findet ihr Bruder in Athen einen wohlhabenden Bräutigam. Sie hat sich schon immer mit Philosophie beschäftigt und inzwischen den Philosophen Krates kennengelernt, der wie ein Hund ohne Besitz auf der Straße lebt, ein Kyniker (den Peter Sloterdijk einst vom bösen Zyniker unterschied). Sie zweifelt und löst die Verlobung, bittet gar Krates, sie zu heiraten. Sie vermählen sich im Freien, splitternackt …
Die Geschichte einer der ersten Philosophinnen hat Barbara Stok kulturhistorisch klug und liebevoll detailliert ausgestaltet. Über das Glück der Bedürfnislosigkeit und den Mut, einen eigenen Weg zu gehen: das Buch der Stunde! Auch wenn Elon Musk es weder lesen noch verstehen wird.
Aber ohne Gegenwart und jüngste Vergangenheit, Ernst und Sorge geht es dann doch nicht – nicht in diesen Zeiten. Etwa in Erinnerung an die Vertreibung jüdischer und antifaschistischer Deutscher ab 1933. Der renommierte Zeithistoriker Wolfgang Benz hat aus seinen und anderer jahrzehntelangen Forschungen, erinnert sei an die mehrbändige Pionierarbeit von Hans-Albert Walter ab 1972, eine ebenso übersichtliche wie differenzierte Zusammenschau vorgelegt, ein Standardwerk.
Es setzt ein mit der politischen Emigration im Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik, was den Kontrast zur Exilierung ab 1933 im Reich und 1938 in Österreich umso deutlicher werden lässt, nämlich den zum lebensbedrohlichen Terror. Der traf zunächst vor allem politisch und publizistisch Aktive, die auch im Ausland nicht sicher sein konnten. Kommunisten, Sozialdemokraten und Pazifisten. Vor allem jedoch Juden allein aufgrund rassistischer Zuschreibungen. Mehr als eine Viertelmillion emigrierte aus Deutschland. Über Hunderttausend noch einmal aus Österreich. Benz stellt im Überblick die wichtigsten Orte der Emigration dar, von zunächst möglichst nahe an der Heimat, Saarland, Prag, Paris, dann London, Moskau und New York, noch ferner Mexiko oder Argentinien, Shanghai und Australien. Er rekapituliert die Schikane und Bedrohungen in Deutschland wie die Abwehr der Zielländer – die Schweiz setzte den Stempel J im Pass durch, um Juden sofort abweisen zu können, und England erschwerte die Einreise nach Palästina. Moskau wiederum war aufgrund der stalinistischen Paranoia oft genug eine Todesfalle. Ein Kapitel widmet sich den Kindertransporten, eins der politischen Zerrissenheit unter den Exilierten. Und eins dem erschwerten Weg der – oft unwillkommenen – Rückkehr.
The Most Interesting Book in the World. Eine umfassende Sammlung höchst merkwürdiger Begebenheiten Edward Brooke-Hitchings Knesebeck 2025, 255 S., 22 €
Rosa. Vom Zauber einer Farbe Björn Vedder Harper Collins 2025, 173 S., 20 €
Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit Barbara Stok Carlsen Comics 2025, 295 S., 26 €
Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933 – 1945 Wolfgang Benz C. H. Beck 2025, 407 S., 36 €
The Most Interesting Book in the World. Eine umfassende Sammlung höchst merkwürdiger Begebenheiten Edward Brooke-Hitchings Knesebeck 2025, 255 S., 22 €
Rosa. Vom Zauber einer Farbe Björn Vedder Harper Collins 2025, 173 S., 20 €
Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit Barbara Stok Carlsen Comics 2025, 295 S., 26 €
Exil. Geschichte einer Vertreibung 1933 – 1945 Wolfgang Benz C. H. Beck 2025, 407 S., 36 €