Klimaschutz wird unter der künftigen Regierung allenfalls ein Wirtschaftsprojekt. Deutschland darf weiter Kohlendioxid in die Atmosphäre ausstoßen und zahlt dafür lieber an andere Länder einen Ausgleich


Demonstration von Fridays for Future vor dem Berliner Reichstag, März 2025

Foto: Imago/Ipon


Mit dem Pathos eines Nachrichtensprechers ratterte Friedrich Merz vergangene Woche durch den Koalitionsvertrag. Ganz wie in der Tagesschau ging es sehr viel um Wirtschaft und am Ende noch schnell zum Wetter.

Während drei Männer lang niemand das Wort „Klima“ in den Mund nahm, fiel das der zuletzt sprechenden Frau Saskia Esken zu. „Wir sind überzeugt, die Klimaneutralität ist ein Wohlstandsversprechen“, sagte Esken dann allerdings – als sei die Klimakrise ein Aktienfonds, in den es nun unbedingt zu investieren gelte.

Klimaschutz wird unter dieser Regierung allenfalls ein Wirtschaftsprojekt, das wird auch beim Lesen des Koalitionsvertrags schnell klar. Dort taucht das Wort Klima nämlich schon auf Seite sechs auf, im Kapitel „Wirtschaftswachstum“ – angemessen.

Man wolle auf gar keinen Fall so doll das Klima schützen, dass das die energieintensive Industrie ins Ausland vergrault, schreibt die Koalition da. Zur Sicherheit dann auch gleich noch mal zu Anfang des Kapitels „Klima und Energie“ ein kleiner Luftkuss an die Industrie: „Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden.“ Wirtschaft first, Klima second.

Die Ziele widersprechen internationalem Klimarecht

Auf der Habenseite: Die SPD konnte der Union ihre Träume von einer Rückkehr zur Atomkraft ausreden, und aus der Kohle will Schwarz-Rot nach wie vor bis spätestens 2038 aussteigen. Dafür soll es aber mehr Gaskraftwerke geben, die auch die umstrittene und teure Technik der CO₂-Abscheidung und -speicherung nutzen dürfen. Schlauer wäre es, Emissionen zu vermeiden, anstatt sie dann wieder einfangen zu müssen.

Hellhörig macht aber noch eine andere Passage: Die Koalition wolle das europäische Klimaziel unterstützen, schreibt sie, und zwar auch durch „hoch qualifizierte, zertifizierte und permanente Projekte (maximal drei Prozentpunkte des 2040-Zwischenziels) in außereuropäischen Partnerländern“. Das heißt: Die deutsche Regierung will künftig andere Länder dafür bezahlen, CO₂ zu vermeiden, damit sie es nicht selbst machen muss.

Das spart Aufwand und Geld – und widerspricht dem internationalen Klimarecht. Die Schweiz macht das bereits im großen Stil, sie lässt zum Beispiel Reisbauern in Ghana auf klimafreundlichere Bewässerungsmethoden umschulen, und in Zürich fahren weiter alle SUV.

Vor zwei Jahren hat die damalige deutsche Regierung so etwas noch ausgeschlossen. Die neue will jetzt aber teure Spielereien, wie etwa den Hyperloop – Elon Musks Hochgeschwindigkeitsrohrpost für Menschen –, und das Geld wächst ja nicht auf den Bäumen.

Placeholder image-1

Forst und Wüste

Svenja Bellerist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist. Im Sommer erscheint der dazugehörige Podcast

Placeholder image-1

Forst und Wüste

Svenja Bellerist freie Journalistin und Buchautorin. Für den Freitag schreibt sie die Kolumne „Forst und Wüste“ über Klimapolitik, Umweltschutz und was sonst noch alles schief geht. Seit einem Jahr berichtet sie im Team „Blue New Deal“ darüber, wie der Ozean noch zu retten ist. Im Sommer erscheint der dazugehörige Podcast



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert