Verödete Industriestädte im Mittleren Westen, ausgezehrt von Jahrzehnten der Auslagerung von Jobs: Donald Trump verkauft seinen Handelskrieg als Kampf für die Verlierer der Globalisierung. Doch können diese Menschen dem Präsidenten trauen?
Der Zollkönig bevorzugt orangefarbenes Spray-Tan
Foto: Chin Somodevilla/ Getty Images
Der 47. US-Präsident entfesselt einen globalen Handelskrieg – und nimmt dabei gleich die Weltwirtschaft mit in den Abgrund. Donald Trump hat Zölle in Milliardenhöhe verhängt oder angedroht, die den globalen Handel und Investitionen massiv treffen. Los ging es mit 25 Prozent Zoll auf sämtliche Waren aus Kanada und Mexiko. Kurz darauf folgten ebenfalls 25 Prozent auf alle ausländischen Autos, die in die USA importiert werden.
Im April setzte Trump noch einen drauf: Eine neue Zollrunde traf gezielt jene Länder, die er für die „schlimmsten Handelsübeltäter“ hält. Die EU sollte mit 20 Prozent zur Kasse gebeten werden, China letztlich sogar mit 145 Prozent. Auch Staaten wie Südafrika, Kambodscha oder Vietnam sollen mass
sollte mit 20 Prozent zur Kasse gebeten werden, China letztlich sogar mit 145 Prozent. Auch Staaten wie Südafrika, Kambodscha oder Vietnam sollen massive Hürden beim Export in die USA spüren. Die Antwort? Klar – viele dieser Länder kündigten an, zurückzuschlagen. Zwar hat Trump beim Zollstreit kürzlich die „Notbremse“ gezogen. Die Gefahr eines globalen Handelskrieges, wie ihn die Welt seit den 1930er-Jahren nicht mehr erlebt hat, ist damit jedoch nur pausiert.Ein solcher Handelskrieg würde weltweit die Preise hochtreiben, Lieferketten durcheinanderbringen und Investitionen abwürgen. Kurz gesagt: deutlich weniger Wachstum – und das Risiko, dass gleich mehrere große Volkswirtschaften gleichzeitig in die Rezession schlittern. Kein Wunder, dass die Wall Street in Panik verfällt.Donald Trumps Zölle sollen gar nicht die Wirtschaft ankurbelnWenn die Rede von Rezession die Runde macht, sinken die Unternehmensgewinne – und genau das hat in den letzten Wochen für einen rasanten Absturz der Aktienkurse gesorgt. Ironischerweise war es Trump selbst, der in seiner ersten Amtszeit mit Steuersenkungen für Unternehmen genau das Gegenteil erreichen wollte: steigende Kurse. Und es hat ja auch funktioniert. Umso verrückter erscheint es, dass er jetzt eine Politik betreibt, die US-Firmen direkt ins Knie schießt.Aber Trumps Motivation ist nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Natur. Seine Zölle sollen nicht das Wirtschaftswachstum ankurbeln, sondern Amerikas schwindende Vormachtstellung im globalen System verteidigen. Es geht um Hegemonie – auch wenn das bedeutet, den eigenen Wohlstand aufs Spiel zu setzen.Trump verkauft seinen Handelskrieg als Kampf für den amerikanischen Arbeiter. Er verweist auf verödete Industriestädte im Mittleren Westen, ausgezehrt von Jahrzehnten der Auslagerung von Jobs. Seine Botschaft: Mit Zöllen zwingt man Firmen, wieder in den USA zu produzieren – und schafft gute, sichere Jobs. Die Geschichte klingt schlüssig – und ist nicht komplett falsch.Die Globalisierung hat viele amerikanische Arbeiterinnen und Arbeiter hart getroffen. Ganze Regionen sind durch den Verlust von Industriearbeitsplätzen verarmt. Die politischen Eliten beider Parteien ignorierten das jahrzehntelang – mit dem Argument, dass der Gesamtnutzen des freien Welthandels die Nachteile aufwiege. Der berühmte Topos lautete: „Die Flut hebt alle Boote.“ Tja, falsch gedacht. Viele der Verlierer dieser Entwicklung haben es den Demokraten und Republikanern heimgezahlt – indem sie Trump gewählt haben.Aber: Mit Zöllen allein holt man die Jobs nicht zurück, die in den letzten vier Jahrzehnten verschwunden sind. Denn die Produktionsverlagerung war kein Zufall, sondern Folge der Jagd nach billigen Arbeitskräften. Unternehmen, die sich in den USA mit starken Gewerkschaften herumschlagen mussten, suchten lieber Standorte mit schwachen Arbeitsrechten – und willigen Regierungen. Und es funktionierte: Löhne sanken, Gewerkschaften verloren an Macht.China ist längst die neue Werkbank der WeltSelbst wenn einige Produktionen nun zurückkehren, werden sie nicht so aussehen wie früher: keine gut bezahlten, sicheren Jobs – sondern automatisiert, prekär, gewerkschaftsfrei. Und das ist Trump letztlich auch egal. Während seiner Amtszeit hat er Gewerkschaften bekämpft, Reichen Steuern geschenkt und den Arbeitnehmerschutz geschwächt. Seine schöne Erzählung vom Arbeiterwohl verschleiert sein eigentliches Ziel: die US-Wirtschaft als Waffe einzusetzen, um den globalen Machtverlust aufzuhalten.Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt die USA beim Welthandel den Ton an – durch ihre Kontrolle über Geld, Handel, Technologie und natürlich mit der stärksten Armee der Welt. So konnte sie die Regeln zu ihren Gunsten gestalten – zur Freude der eigenen Wirtschaft.Aber diese Dominanz wankt.Der US-Anteil an der Weltwirtschaft sinkt. Der Dollar verliert langsam seine Stellung als alleinige Leitwährung, weil Länder wie China und Russland zunehmend eigene Wege gehen. China ist längst die neue Werkbank der Welt, und selbst die zerstrittene EU arbeitet an mehr Autonomie in Technologie und Verteidigung.Trumps Zölle sind eine Antwort auf diese Entwicklung. Sie sollen den wirtschaftlichen Einfluss der USA als Druckmittel nutzen – gegen Freunde wie Gegner. Die Botschaft: Spielt nach unseren Regeln, oder ihr fliegt raus! Es geht also weniger um Wirtschaft als um Macht. Wirtschaftskrieg statt Freihandel – gegen ein System, das die USA einst selbst erschaffen haben.Die USA haben nie wirklich an den Freihandel geglaubtIn gewisser Weise spricht Trump aus, was bisher nur hinter vorgehaltener Hand gesagt wurde. Die USA haben nie wirklich an freien Handel geglaubt. Sie haben ihre eigenen Produzenten subventioniert, den Globalen Süden durch IWF und Weltbank zum Marktöffnen gezwungen und mit Abkommen wie NAFTA große Konzerne gepampert – auf Kosten der Beschäftigten. Und wenn es zur Krise kam, wurden Banken gerettet, während die Bevölkerung sparen musste.Trump pfeift auf all das schöne Gerede. Ihm geht es nicht um Marktlogik, sondern um Kontrolle: über Lieferketten, über Kapital, über das Verhalten anderer Staaten. Dafür nimmt er auch einen globalen Wirtschaftscrash in Kauf – Hauptsache, Amerika bleibt oben.Wenn seine Strategie am Ende höhere Preise, sinkendes Wachstum und weniger Investitionen bedeutet, aber dafür geopolitische Kontrolle sichert, sieht er das als lohnenden Preis. Dieser Handelskrieg ist mehr als ein Wirtschaftskonflikt – er ist eine Drohung. Wenn die Hegemonie ins Wanken gerät, fallen die Masken. Wenn die US-Eliten nicht mehr durch Zustimmung regieren können, dann eben durch Zwang. Und wenn Wohlstand kein Mittel zur Machtsicherung mehr ist, dann eben Angst.