Im Interview vom 15. April 2025 analysiert Pepe Escobar aus Shanghai die wachsenden Spannungen zwischen den USA, China, Russland und Iran. Er spricht über Trumps neue Zölle, Chinas strategische Reaktion, das Bündnis der drei BRICS-Staaten – und warum ein Angriff auf Iran als Angriff auf die gesamte eurasische Ordnung gewertet würde. Ein scharfer Blick auf das Ende der unipolaren Welt.

Judge Andrew Napolitano:
Willkommen, Pepe, mein lieber Freund. Danke, dass du dich meinem Zeitplan anpasst. Ich weiß, du bist in China, und ich habe viele Fragen an dich – insbesondere zur chinesischen Reaktion auf Trumps neue Zölle. Aber zuerst ein paar grundsätzliche Dinge. Spürst du einen Bruch in Trumps außenpolitischem Team – zwischen den Neokonservativen wie Hegseth, Rubio, Gorka und Waltz und den „America First“-Leuten wie Gabbard, Vance und Witthoff?

Pepe Escobar:
Ja, den gibt es. Und was die sogenannte Chinapolitik angeht, ist es ein komplettes Desaster. Ich würde sagen – keiner von denen versteht China. Ich war heute in Shanghai an der Fudan-Universität, hatte ein Seminar mit Professor Jiang Wei – einer der Top-Intellektuellen Chinas. Unser Thema war die strategische Partnerschaft Russland–China, aber es ging bald um das Verhältnis USA–China.

Was man in Shanghai spürt, ist Stolz, Widerstandskraft, technologischer Fortschritt und eine tiefe Verachtung – vom Taxifahrer bis zum Diplomaten – für die US-Strategie zur Eindämmung Chinas. Das ist ein neues Paradigma. China war lange zurückhaltend, hat die Supermacht USA respektiert – aber jetzt reicht es. Sie sind wütend.

Judge Andrew Napolitano:
US-Verteidigungsminister war vor zehn Tagen in Japan und hat China mit Blick auf Taiwan offen bedroht. Wie reagiert China darauf?

Pepe Escobar:
Das ist lächerlich. Der Verteidigungsminister weiß weder, was ASEAN ist, noch was BRICS ist. Hegseth, Rubio und Trump selbst – hier in China werden sie nur noch verspottet. China ist eine Zivilisationsmacht mit 5.000 Jahren Geschichte. Als wir heute mit Professor Jiang Wei und seinen Doktoranden sprachen, waren alle fassungslos über die Ahnungslosigkeit der US-Führung.

Judge Andrew Napolitano:
Und keiner in Washington kennt also die Ursprünge der „Neuen Seidenstraße“?

Pepe Escobar:
Nein, kaum einer weiß, dass Xi Jinping das Projekt 2013 in Kasachstan startete – ein geopolitischer, geoökonomischer Masterplan. Auch das Programm „Made in China 2025“, gegen das Trump die ersten Sanktionen verhängte – das verstehen sie nicht. In Shanghai sieht man heute: In sieben von zehn Hightech-Sektoren ist China schon führend, bald in allen.

Judge Andrew Napolitano:
Wer leidet mehr unter Trumps 145 % Zöllen – chinesische oder amerikanische Hersteller?

Pepe Escobar:
Ganz klar: die Amerikaner. Die US-Oligarchie hat ihre Industrie seit Jahrzehnten nach Asien verlagert – zuerst nach Südkorea und Taiwan, dann nach China, jetzt auch nach Indien und Vietnam. Diese Produktionsketten kann man nicht einfach zurückholen. Das dauert Jahre. Und China ist längst weiter. Der Handel mit den USA ist für China heute nur noch ein kleiner Teil. Sie handeln mit dem Globalen Süden.

Judge Andrew Napolitano:
Was macht Xi Jinping gerade?

Pepe Escobar:
Er ist auf Mini-Asien-Tour: Erst Vietnam, jetzt Malaysia. Warum? Alle zehn ASEAN-Staaten haben China als wichtigsten Handelspartner. China rückt näher an Nachbarn im Süden und Westen – während der Westen sich mit Zöllen selbst schadet.

Judge Andrew Napolitano:
Und Westasien?

Pepe Escobar:
Ist ein Pulverfass. Besonders wichtig für China: Iran. Iran ist BRICS-Mitglied, Teil der Shanghaier Organisation und strategischer Partner Chinas. Sollte es einen zionistischen Angriff auf Iran geben, wäre das ein Angriff auf drei zentrale BRICS-Staaten – Iran, China, Russland.

Judge Andrew Napolitano:
Würden Russland und China militärisch reagieren?

Pepe Escobar:
Russland vermutlich ja – mit „militärtechnischen Maßnahmen“, wie Putin es nennt. China? Schwer zu sagen. China ist keine Kriegsmacht. Aber wirtschaftlich würde man Iran massiv helfen. Ein solcher Angriff wäre ein Angriff auf das Herz der eurasischen Integration: Neue Seidenstraße, BRICS, Eurasische Partnerschaften.

Judge Andrew Napolitano:
Trump wartet also vergeblich auf einen Anruf von Xi Jinping?

Pepe Escobar:
Absolut. Das ist wie „Warten auf Godot“. Professor Jiang Wei hat das heute auch gesagt. Die akademische Elite in China versteht zwar das Theater, das Trump aufführt – aber sie akzeptieren nicht, wie China behandelt wird: mit Verachtung.

Judge Andrew Napolitano:
China besitzt rund 850 Milliarden US-Staatsanleihen. Was machen sie damit?

Pepe Escobar:
Das ist eine Waffe. Wenn sie ihre Anleihen auf den Markt werfen, steigen die Zinsen in den USA – das würde die US-Staatskasse sprengen. Noch halten sie sich zurück. Aber wenn nötig, könnten sie ihre Händler anrufen – und verkaufen. Das wäre die „nukleare Option“.

Judge Andrew Napolitano:
Und Europa?

Pepe Escobar:
Die Europäer schicken im Juni eine Delegation nach China – sie wollen ein besseres Handelsabkommen. Undenkbar noch vor wenigen Jahren.

Judge Andrew Napolitano:
Wie sehen die Chinesen Trump?

Pepe Escobar:
Als Zirkusdirektor. Als „Barbar“. Das ist im chinesischen Sprachgebrauch die schlimmste Beleidigung überhaupt. Aber amerikanische Touristen sind hier willkommen, Geschäfte laufen weiter – trotz allem.

Judge Andrew Napolitano:
Und Russland? Wie reagieren sie auf Trumps Zölle?

Pepe Escobar:
Mit Geduld. Nach dem Motto: „Setz dich ans Flussufer und warte – irgendwann treibt die Leiche deines Feindes vorbei.“ Die Russen hoffen auf ein neues Gleichgewicht – vielleicht sogar auf eine neue Weltordnung: USA, Russland, China – mit klaren Einflusszonen.

Judge Andrew Napolitano:
Und Trump müsste das akzeptieren?

Pepe Escobar:
Er tut es vielleicht – aber sein Umfeld nicht. Die Neocons hassen alles, was nach Gleichgewicht aussieht. Sie wollen Dominanz. Der tiefe Staat in den USA will, dass Trump China zerstört – wirtschaftlich. Iran – militärisch. Russland – auf Abstand halten.

Judge Andrew Napolitano:
Und was ist mit Indiens Rolle?

Pepe Escobar:
Unklar. Indien ist unentschieden – Kolonie der Angloamerikaner oder Teil der eurasischen Integration? Selbst die indischen Eliten wissen es nicht.

Judge Andrew Napolitano:
Pepe, danke für deine Zeit. Ich hab dich vorhin versehentlich in Peking verortet – du bist ja in Shanghai, mitten im wirtschaftlichen Herz Chinas.

Pepe Escobar:
[Lacht] Ja – mein VPN heißt aktuell „USA for China 3“. Nur in Amerika, oder?

Judge Andrew Napolitano:
Danke, Pepe! Und bis nächste Woche.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert