Der Ausschluss von Russland und Belarus von den Feiern zum 8. Mai im Bundestag ist kein Affront, sondern die logische Konsequenz der russischen Politik. Denn Frieden feiert man nicht mit denen, die ihn brechen


Das Sankt-Georgs-Band wandelte sich vom Zeichen des sowjetischen Siegs – hier am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin – zu einem Symbol russischer Kriegspropaganda

Foto: IMAGO / Mike Schmidt


Der 8. Mai soll der Erinnerung an die deutschen Verbrechen dienen und den gewaltigen Kraftakt ehren, der notwendig war, ihnen ein Ende zu setzen. Er soll auch an eine Friedensordnung in West-, Zentral- und Osteuropa erinnern, die von diesem Datum ausging und jahrzehntelang hielt. Eine Phase, die Russland beendet hat, indem es einen mörderischen, ungerechtfertigten Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Nicht erst 2022, aber seither mit einer Brutalität, die jeden Menschen erschüttern muss – wer Butscha bereits vergessen hat, blicke nach Sumy, oder in eine der zahlreichen Städte, die Russland jeden Tag mit Drohnen und Raketen beschießt.

Es wäre absurd, den Beginn dieser beispiellosen Friedenszeit in Europa ausgerechnet mit Vertretern jener Staaten zu feiern

hen Städte, die Russland jeden Tag mit Drohnen und Raketen beschießt.Es wäre absurd, den Beginn dieser beispiellosen Friedenszeit in Europa ausgerechnet mit Vertretern jener Staaten zu feiern, die sie jetzt beendet haben. Es ist also richtig, dass der Bundestag beschlossen hat, Russland und Belarus nicht zur Gedenkveranstaltung einzuladen. Ja, es ist schmerzhaft, dass 80 Jahre nach Kriegsende kein gemeinsames Gedenken der Siegermächte und des besiegten Deutschland möglich ist. Aber das geht eben auf Russlands Konto.Man darf sogar bezweifeln, dass es Russland jemals um ein gemeinsames europäisches Erinnern ging. Schon die von der Sowjetunion geerbte Sonderstellung, das Ende des Krieges am 9. Mai zu feiern – das Datum, an dem die Kapitulation für Stalin ein zweites Mal unterzeichnet wurde – hat stets der Abgrenzung zum Westen gedient. Russland hat vor allem die eigene Siegerperspektive gefeiert und dabei die Toten als Märtyrer nationalistisch vereinnahmt.Wie bruchlos dieses Gedenken zur Rechtfertigung für den Krieg gegen die gesamte Ukraine werden konnte, sieht man an den Phrasen von den „Nazis“, die angeblich die Ukraine regierten, und die es, wie einst die Deutschen, zu schlagen gilt. Auch das Sankt-Georgs-Band, das sich in den 2000ern als Symbol für den Sieg im Zweiten Weltkrieg etablierte, dient heute der Kriegspropaganda.8. Mai: Das Gedenken an die gefallenen Rotarmisten umfasst auch Soldaten der UkraineEs ist also fadenscheinig, eine Teilnahme Russlands und Belarus‘ mit dem – absolut gerechtfertigten und notwendigen, in Deutschland viel zu wenig stattfindenden – Gedenken für die gefallenen Rotarmisten zu begründen. Denn Russland selbst interessiert sich ja für diese nur, insofern sie den eigenen Herrschaftsanspruch über Osteuropa begründen können. Indem Russland das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg zur Rechtfertigung für seinen Krieg missbraucht, hat es sich selbst außerhalb des Gedenkens gestellt.Zumal ein großer Teil dieser Toten keine Russen waren. Vielmehr offenbart die Fokussierung auf Russland in der Diskussion außerdem, wie sehr die imperiale Denkweise des Kalten Krieges in den Köpfen hängt: Die Deutschen haben nicht Russland überfallen, sie haben den Vielvölkerstaat Sowjetunion überfallen – und der größte Teil der Kriegsverheerungen und -verbrechen fand auf belarusischem und ukrainischem Boden statt.Die Gefallenen der Roten Armee gehörten zahlreichen Nationen an, die heute teils eigenständige Staaten sind, teils immer noch vom russischen Imperium besetzt sind – und deren Bewohner nun wieder überproportional im Krieg verheizt werden.Wem Deutschland wirklich Gedenken schuldig istAuch das Argument für eine Einladung Russlands, das gemeinsame Gedenken halte diplomatische Türen offen, wirkt angesichts der aktuellen Angriffe auf ukrainische Zivilisten weltfremd. Wie sehr muss Putin noch klarmachen, dass er für Diplomatie nicht zur Verfügung steht? Jetzt ist nicht die Zeit für Versöhnungsgesten, weil sie die Opfer der russischen Aggression verhöhnen würden – auch ihnen gegenüber hat Deutschland eine historische Verantwortung, die es bisher schmählich ignorierte, indem es über die Köpfe der Staaten und Menschen in Osteuropa hinweg Weg Geschäfte mit Russland machte.Das ehrende Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs, auch die Rotarmisten, müssen nun andere tragen: Die Ukraine, die baltischen Staaten – und ja, auch Deutschland, in dessen Boden Tausende Soldaten ruhen, die hier durch fanatisierte Landser einen sinnlosen Tod starben, als der Krieg längst verloren war. Ihnen schuldet dieses Land das Gedenken – nicht einem kriegführenden Diktator und seinem Vasallen.



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Von Veritatis

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