Ein alter, deutscher Mann veranstaltet ein undurchsichtiges Eliten-Treffen in den Schweizer Bergen, auf dem die Weichen für die Zukunft fernab von Parlamenten und demokratischen Abstimmungen gestellt werden sollen. Es fehlt eigentlich nur noch die weiße Perserkatze und der James-Bond-Bösewicht wäre perfekt. Seit Jahren vereint Klaus Schwab so manches Klischee in seiner Person. Der 87-Jährige war bis vor kurzem Chef des Weltwirtschaftsforums, einer illustren Zusammenkunft im Schweizerischen Davos. Der Name des Ortes steht für Macht und Luxus, auch dank Schwabs jährlicher Veranstaltungen.

Das World Economic Forum hat sich zu einer echten globalen Machtzentrale entwickelt – was bemerkenswert ist. Denn hinter dem Forum steht nicht die UN, kein sonstiger Staatenbund und auch keine internationale Organisation. Es ist Schwabs Privatprojekt, er führt es seit 1971 wie ein Familienunternehmen. Trotzdem kommen hier die Mächtigen der Welt zusammen. Vom US-Präsidenten bis zum deutschen Bundeskanzler, vom Blackrock-CEO bis zum Nestlé-Chef: In Davos gibt sich die Elite aus Politik und Wirtschaft die Klinke in die Hand.

Seit 1971 arbeitet das WEF unter anderem für Konzepte wie „Stakeholder Responsibility“ – die Idee, dass Unternehmen eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung anerkennen sollen, die über Profit und Verantwortlichkeit gegenüber den eigenen Anteilseignern hinausgeht. Das ist längst en vogue und wird vom WEF weiter vorangetrieben. Das WEF und der junge Schwab zählten zu den Ersten, die das Thema Klima- und Umweltschutz auf die Agenda hievten: 1973 erhielt etwa der „Club of Rome“ mit seinen inzwischen als falsch erwiesenen Thesen über „die Grenzen des Wachstums“ dort eine Bühne. Ursprünglich gegründet wurde Schwabs illustre Veranstaltung als „Europäisches Management Forum“ auf Betreiben der EU-Kommission. Hier sollten sich Wirtschaftsbosse aus ganz Westeuropa austauschen können. Es waren die 70er, auf Jahre des Wachstums folgte erstmals Rezession und Wirtschaftskrise. Unsicherheit macht sich breit.

Erst mit dem Ende des Kalten Krieges wird das WEF zur heute bekannten Institution. Über die Jahre kamen schon immer mehr hochrangige Politiker, aber erst jetzt beginnt die Zeit der Weltenlenker. In den 90ern ist es plötzlich schick, sich als „Global Citizen“ zu begreifen. Man fantasiert vom „Ende der Geschichte“ und einer Welt in Eintracht, die gemeinsam an hehren Zielen arbeitet. Das WEF wird zur Spiel- und Projektionsfläche solcher Leute und solcher Ideen. Und es ist geblieben.

Dort schweben Luftschlösser durch den Raum: Man diskutiert darüber, wie man die Welt verbessern könnte, malt Pläne für eine klimaneutrale, geschlechtergerechte, inklusive Weltgesellschaft aus. „Unsere Mission: Wir bringen Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft zusammen, um unsere Welt zu verbessern“, stellt sich das WEF Besuchern auf seiner Website vor. Man arbeitet etwa an „der neuen Wirtschaft und der neuen Gesellschaft“ – darunter macht man es nicht. Im Rahmen der Veranstaltungen, Organisationen und Projekte des Forums arbeiten manche Köpfe abstruse Ideen für eine angeblich bessere Zukunft aus.

Bekannt wurde unter anderem der Kernsatz des Essays einer Dänin, die diesen für das WEF schrieb. Darin heißt es: „You will own nothing, and you will be happy“ – „Du wirst nichts besitzen, und du wirst glücklich sein“. Ida Auken, eine dänische Sozialdemokratin, verfasste diesen Essay als Teil einer WEF-Initiative zu den UN-Nachhaltigkeitszielen 2030 als eine Vision für die Zukunft. Es ist vielleicht der Satz schlechthin, mit dem das WEF in den Augen vieler zu einer sinistren Weltlenker-Macht avanciert ist. Ein Ort, an dem die Eliten eine schlechtere Zukunft für die Menschen planen und umsetzen, eine Art heimliche Welt-Regierung.

Tatsächlich ist der Satz und der Essay dahinter vor allem ein Zeugnis für die absurden und verquarzten Gedankenwelten, in die das WEF mit seinen selbst gegebenen, pseudo-noblen Zielen abdriftet. Man will die Welt verbessern, sie neu aufbauen. Neue Wirtschaft, neue Gesellschaft, neuer Mensch. Klaus Schwab selbst warb während der Corona-Pandemie für einen „Great Reset“ – man solle die Pandemie als Chance begreifen, manches in Wirtschaft und Gesellschaft „zurücksetzen“ und neu, besser machen.

Weltverbesserer WEF? Zweifellos ist das das Selbstverständnis von Schwab und seinem Forum. Das WEF attestiert sich dabei selbst „die Einhaltung der höchsten Standards moralischer und intellektueller Integrität.“

Diese höchstmoralischen Selbstansprüche decken sich jedoch nicht mit dem Auftreten des World Economic Forums als Konzern – oder dem von Schwab selbst. In der Schweiz wird das WEF immer wieder kritisiert: Die Eidgenossenschaft bringt jährlich Millionenbeträge für die Sicherheitsmaßnahmen bei Schwabs Veranstaltungen auf. Gleichzeitig hat Bern keine Einsicht in das Innenleben des WEF und seine Finanzen. Offiziell ist das WEF gemeinnützig, zahlt also keine Steuern.

Dabei setzt Schwab mit seinem Konglomerat Millionen um. 2023 erwirtschaftete das WEF 500 Millionen an Einnahmen, dazu soll man auf einem Vermögen von 200 Millionen sitzen. Insider berichten: Wäre das WEF ein normaler Konzern, wäre es eine Milliarde Euro wert. Schwab selbst zahlte sich wohl pro Jahr ein Gehalt im Gegenwert von einer Million US-Dollar aus, berichtet das US-Medium SEMAFOR. Dreizehn Mitarbeiter in Führungspositionen erhielten jeweils eine halbe Million als Gehalt.

Die Skandale, die Schwab jetzt zum Rücktritt zwingen, unterstreichen ebenfalls die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim WEF. Ein Brief eines ehemaligen Mitarbeiters, der im Wall Street Journal veröffentlicht wurde, eröffnet eine lange Liste an Vorwürfen gegen Schwab und seine Familie. Er selbst soll tausende Schweizer Franken an Geldern in bar abgezweigt haben und dazu junge Mitarbeiter instruiert haben, berichtet der anonyme Whistleblower.

Schwabs Ehefrau Hilde soll sich private Luxusreisen über das WEF finanziert haben. Ein üppiges Anwesen am Genfer See, finanziert durch das WEF, sollen die Schwabs privat genutzt haben. Die anonyme Quelle behauptet, es habe jahrelang ein Klima mangelnder Kontrolle und systematischer Machtmissbräuche unter Schwabs Leitung gegeben. Auch soll er sich weiblichen Mitarbeitern gegenüber „unangemessen“ verhalten haben. Schwab selbst bestreitet all diese Vorwürfe.

Sein Forum hat ihn nun fallengelassen: Kurzerhand sprach das WEF ein Kontaktverbot für seinen Gründer aus. Er soll nicht mit Mitarbeitern sprechen, darf nicht einmal das Gelände des WEF betreten. Aus Protest soll er auf eine Pension von fünf Millionen Franken verzichtet haben – ein Indiz für seine persönlich durchaus üppige finanzielle Lage.

Ein plötzlicher und tiefer Fall eines Mannes, der zwischen hohen Luftschlössern in hochmoralischen Sphären schwebte. Schwab verstand sich streckenweise schon als Prophet, der ironischerweise jetzt von der Todsünde Habgier vom Thron gestoßen wurde. Das WEF als Gipfel der Weltverbesserung wird weitergehen. Nur ohne Schwab. Er wird weiter viel besitzen und damit bestimmt auch glücklich sein. Nur die Ausstrahlung von Macht wird dem 87-Jährigen in Zukunft fehlen.





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Von Veritatis

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