Seit Tagen eskaliert die Lage an der indisch-pakistanischen Grenze weiter. Nach dem Terrorangriff mit 26 Toten in Pahalgam in der indischen Krisenregion Kaschmir überbieten sich die beiden Staaten mit Drohgebärden. Bereits mehrere Nächte hintereinander ist es an der Grenze sogar zu Schusswechseln zwischen den Armeen der beiden Staaten gekommen (Apollo News berichtete).

Ein echter Krieg bleibt jedoch bislang aus – und das, obwohl Pakistan bereits vor einigen Tagen Indien vorwarf, einen „Akt des Krieges“ begangen zu haben: Indien arbeitet daran, mehrere pakistanische Nebenflüsse des Indus zu blockieren – in Teilen ist das bereits geschehen. Bislang teilten sich die beiden Staaten die Nutzung des Flusses Indus.

Das wurde dabei auch durch den Indus-Wasservertrag seit 1960 verbindlich geregelt. In den vergangenen Jahrzehnten drohte Indien immer wieder, diesen Vertrag aufzukündigen – bislang tat es das jedoch noch nie – bis jetzt: Am Donnerstag kündigte Indien den Vertrag auf.

Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber: Pakistan weist auch weiterhin jegliche Verantwortung für den Terroranschlag in Pahalgam zurück. Doch Indien sieht eine Verbindung zwischen Pakistan und der für die Anschläge verantwortlichen Terrorgruppe Laskar-e-Taiba. Raum für Kompromisse bleibt in dieser Frage wenig.

Seit dem Terroranschlag in Kaschmir hat die indische Regierung deshalb nicht nur massive Sanktionen gegen Pakistan und seine Staatsbürger – so sollen etwa alle Pakistaner das Land verlassen – eingeführt, sondern auch militärisch mobil gemacht. Seit Tagen lässt das indische Militär Panzer, Artillerie und anderes schweres militärisches Gerät nach Kaschmir und an die pakistanische Grenze verlegen – Pakistan tut es Indien gleich.

Auch die Truppen in der Luft und auf dem Meer werden auf beiden Seiten mobilisiert. Sowohl Indien als auch Pakistan lassen Militärmanöver als Machtdemonstration durchführen. Nun bleibt abzuwarten, wie weit die Lage noch eskalieren wird. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass die beiden Länder an den Rand eines Krieges kommen: Im 21. Jahrhundert ist es bereits das sechste Mal, dass Pakistaner und Inder aufeinander schießen.

Zu einem echten Krieg ist es während dieser Zeit jedoch noch nicht gekommen. Alle Kriege zwischen Pakistan und Indien liegen im 20. Jahrhundert, zuletzt gab es das im Jahr 1999. Bislang kamen die beiden Atommächte dabei nicht mal in die Nähe einer nuklearen Option – was die Lage dieses Mal jedoch nicht besonders verbessert.

Der Konflikt hat dabei tiefe historische Wurzeln: Noch bis 1947 gehörten die beiden Länder zu Britisch-Indien. Infolge eines überhasteten Rückzugs der britischen Kolonialmacht wurde die Kolonie in das mehrheitlich muslimische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Indien geteilt. Seitdem gibt es vor allem Streit um Kaschmir: Beide Staaten beanspruchen die Region für sich – Kaschmir ist dabei ethnisch und religiös äußerst vielfältig.

Neben diesem territorialen Konflikt spielt auch vor allem die Religion zunehmend eine Rolle in der Rivalität zwischen Indien und Pakistan. Nach längeren Phasen der verhältnismäßigen Säkularität wenden sich beide Staaten zunehmend religiösem Nationalismus zu. Das wurde erneut beim Terroranschlag in Pahalgam deutlich, bei dem die Terroristen ihre Opfer auf ihre Religion hin überprüften und dabei gezielt nur nicht-muslimische Menschen ermordeten.

Überhaupt sind seit Beginn des 21. Jahrhunderts zahlreiche islamistische Organisationen in Pakistan entstanden, die Anschläge in Indien verüben. Solche Anschläge haben deshalb bereits zu mehreren diplomatischen Krisen zwischen den beiden Ländern geführt – zuletzt 2019. 2008 verübte etwa die auch jetzt verantwortliche Gruppe Laskar-e-Taiba einen massiven Terroranschlag in Mumbai, bei dem 166 Menschen starben.

Auch wenn es nicht möglich ist, Indiens Behauptungen, dass die pakistanische Regierung auch zum neuesten Anschlag Verbindungen hat, zu überprüfen, so verharmlost sie die Terrorgruppen zumindest immer wieder. Das ist auch dieses Mal der Fall. Pakistans stellvertretender Premierminister und Außenminister, Ishaq Dar, sagte etwa am Freitag über den Anschlag: „Die Täter des Angriffs in Kaschmir könnten Freiheitskämpfer gewesen sein.“

Zunehmend verlagert sich der Konflikt zwischen Pakistan und Indien auch in den Westen. Durch legale Migration hat sich der Anteil von Pakistanern und Indern in der westlichen Welt deutlich erhöht. Insbesondere in London war dies in den letzten Tagen zu spüren. Dort stießen etwa am Samstag Pakistaner und Inder bei Demonstrationen aufeinander. 2021 lebten in London rund 320.000 in Indien geborene Menschen und rund 130.000 in Pakistan geborene Menschen.

Erste internationale Versuche, die Krise zwischen Pakistan und Indien beizulegen, haben bislang zu keinen Ergebnissen geführt. Saudi-Arabien und ausgerechnet der Iran boten sich als Zwischenhändler für Verhandlungen zwischen den beiden Ländern an – bislang offenbar ohne großen Erfolg.

Die USA verbleiben derweil im Konflikt neutral. So sagte US-Präsident Donald Trump am Freitag: „Ich stehe Indien und Pakistan nahe. Sie kämpfen seit tausend Jahren in Kaschmir (…). An dieser Grenze gibt es seit 1500 Jahren Spannungen. Sie werden es auf die eine oder andere Weise lösen.“ Eigentlich gelten Indien und die USA als enge Verbündete – so verzichtete Indien etwa nach Trumps Zollankündigung Anfang April auf Gegenmaßnahmen. Der indische Premierminister Narendra Modi gilt auch politisch als Trump nahestehend.

In den nächsten Tagen wird sich wohl entscheiden, ob der Konflikt doch noch abkühlen wird. Die derzeitigen Aussagen von beiden Seiten weisen jedoch nicht darauf hin. Pakistans Eisenbahnminister Hanif Abbasi sagte etwa erst am Sonntag: „Unsere Atomraketen sind keine Dekoration. Sie wurden für Indien hergestellt.“

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Von Veritatis

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