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Der Anfang klingt fast harmlos. Ein freundliches Schreiben aus Berlin, sauber formatiert, Grußformel, persönliche Unterschrift. Doch wer sich durch vier Seiten Paragraphen, Spitzfindigkeiten und Nebelkerzen arbeitet, stößt auf eine Passage, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt:
„Die aufgrund Ihres Auskunftsantrags vorgenommene Suche im elektronischen Aktensystem ergab eine Mindestanzahl von 1000 Dokumenten. Ab dem 1000. Dokument wird die Suche systemseitig automatisiert abgebrochen.“
Auf Deutsch: Über 1000 Treffer mit meinem Namen. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Und was passiert? Die Suche wird einfach abgebrochen. Ich weiß also bis heute nicht, ob es 1001 Dokumente sind oder 2.000, 3.000, 5.000 oder mehr. Die Begründung: Ab 1000 sei die Zahl „zu groß“, um weiterzusuchen – systembedingt, versteht sich. Und damit habe ich es schwarz auf weiß: Mein Name taucht beim Inlandsgeheimdienst tausendfach auf. Und ich bekomme keine Auskunft. Ich weiß nicht, wo er auftaucht. Wie. Und vor allem nicht: warum.
Wirklich normal? Nicht für mich
Ich bin freier Journalist. Ich gehöre keiner Partei an, keiner extremistischen Gruppe. Ich habe nie zu Gewalt aufgerufen, nie gegen die Verfassung agitiert. Im Gegenteil: Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes. Ich schreibe – mal pointiert, mal provokant – über das, was ich beobachte. Dass ich deshalb tausendfach aktenkundig bin, ja womöglich als „Beobachtungsobjekt“ geführt werde, erschüttert mich. In dem Schreiben wird es sogar ganz offen eingeräumt:
„Sie dient [die Speicherung] […] der Erforschung und Bewertung, ob tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen […] vorliegen.“
Nein, das ist nicht normal. Nicht in einem Land, das sich immer noch Rechtsstaat und Demokratie nennt. Ich bin nicht der Einzige, dem das auffällt: Aus einem anderen Fall weiß ich – ohne Namen nennen zu dürfen – dass bei jemandem in einer Behördenakte als Verdachtsmoment vermerkt wurde, er habe in einem sozialen Netzwerk mehrfach Beiträge von mir „geliket“. Das muss man sich mal vorstellen. Ein Like. Bei einem Journalisten. Als Verdachtsmoment. In einem angeblich freien Staat.
Ein Name, tausend Treffer, null Transparenz
Die Chuzpe des Verfassungsschutz-Briefes liegt in seiner Konstruktion: Man bestätigt, dass es über tausend Treffer mit meinem Namen gibt – um dann zu behaupten, man könne leider nicht feststellen, ob es sich dabei wirklich um „mich“ handelt. Ich heiße nicht Stefan Müller, und allzu viele Boris Reitschuster gibt es nicht – so viel ich weiß. Gleichzeitig erklärt man, dass eine genauere Prüfung zu aufwendig sei. Mich über 1000 Mal zu speichern, war aber offenbar nicht zu aufwendig. Und man versteckt sich hinter Paragraphen, als wäre das Datenschutz – dabei ist es ein Akt staatlicher Intransparenz.
Heißt im Klartext:
Die Informationen sind da.
Aber der Bürger bekommt sie nicht.
Wirklich nur ich? Oder System?
Ich bin kritischer Journalist – allein das scheint heute schon zu reichen, um in den Datenbanken eines Inlandsgeheimdienstes zu landen. Das wäre in einer echten, funktionierenden Demokratie ein handfester Skandal. Bei uns wird es nur Schulterzucken auslösen. Meine Hasser werden sich freuen, meine Freunde denken: Warum wundert der sich überhaupt noch.
Genau das – dass wir aufhören, uns zu wundern – ist so gefährlich. Im vorliegenden Fall geht es eben nicht nur um mich. Ich nehme mich nicht sonderlich wichtig. Aber was ist mit den unzähligen anderen? Mit anderen unbequemen Journalisten, mit Bloggern, mit Kommentatoren? Oder auch nur Bürgern, die einfach mal ihre Meinung sagen, die nicht brav rot-grün ist? Wie viele Namen tauchen ebenfalls auf – ohne dass je jemand davon erfährt?
Nochmal, weil es gar so ungeheuerlich ist: Über tausend Mal taucht mein Name beim Inlandsgeheimdienst auf – und trotzdem bekomme ich keine Auskunft. Kein Zugang, kein Beleg, keine Transparenz. Nur die Information, dass man nicht mehr weiterzählt, wenn es zu viele Einträge sind.
Das ist Kafka. Im Jahr 2025 in der Bundesrepublik Deutschland.
Von der Beobachtung zum Schweigeakt
Wer einmal erleben möchte, wie sich ein moderner Überwachungsstaat tarnt, muss sich dieses Schreiben ganz durchlesen. Die Methode ist raffiniert: Statt zu sagen „Ja, wir haben Akten über Sie“, wird nach ellenlangen Entwarnungsbotschaften, die mich fast in die Irre geführt hätten, die Existenz zwar angedeutet – aber jede Verwertbarkeit geschickt verhindert. Es ist ein Geheimdienst-Kunstgriff wie aus einer anderen Epoche: Du weißt, dass du geführt wirst. Aber du bekommst keine Beweise. Kein Papier. Kein Screenshot. Nichts.
Man könnte es auch böse Psychoterror nennen.
Und das perfideste Detail: Selbst die 1000 sind nicht die Grenze – sondern nur der Punkt, an dem das System automatisch aufhört zu zählen. Kein Mensch weiß, wie viele Dokumente es wirklich sind. Außer dem Verfassungsschutz.
Was tun?
Ich hoffe auf einen kritischen Geist im Bundestag, der den Mut hat, diese Praxis öffentlich zu machen. Der eine kleine Anfrage stellt: Wie viele Journalisten werden in Deutschland in dieser Weise behandelt? Wie viele Auskunftsersuchen werden mit der „1000er-Ausrede“ abgeschmettert? Und wie viele Bürger wissen überhaupt, dass ihre Namen längst in Datenbanken stehen, zu denen sie selbst keinen Zugang haben?
Es wäre schön, wenn mein Fall dabei nicht ausgespart wird – weil er exemplarisch zeigt, wie staatliche Intransparenz inzwischen systemisch geworden ist. Es muss politisch und juristisch geklärt werden, ob dieses Vorgehen überhaupt noch legal ist. Denn wenn ein Bürger beim Inlandsgeheimdienst über tausend Mal auftaucht – und ihm trotzdem jede Auskunft verweigert wird –, dann ist das kein Kollateralschaden, sondern ein demokratischer Offenbarungseid.
Wie gesagt: Es geht mir nicht um mich. Ich stecke das weg, ich bin härtere Bandagen gewohnt. Es geht mir um das Prinzip. Um Transparenz. Um die Frage, ob Bürger in diesem Land überhaupt noch wissen dürfen, was der Staat über sie speichert – oder ob sie längst zu Objekten eines Apparats geworden sind, der sich selbst entzieht, selbst rechtfertigt und selbst schützt.
Es geht darum, ob wir noch in einer Demokratie leben – oder in einem System, das sich demokratisch tarnt, aber in Wahrheit Akten über Journalisten anlegt, sie versteckt und jede Aufklärung verweigert.
Wer so mit Grundrechten umgeht, hat selbst das Vertrauen verspielt, das ein Staat seinen Bürgern schuldet.
Und wer so mit kritischen Stimmen umspringt, beweist nicht Stärke – sondern Angst. Und entlarvt sich selbst – als Macht, die die Kontrolle verliert.
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Hier können Sie das Schreiben vom Bundesamt für Verfassungsschutz vollständig lesen.
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Bild: privat
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