Donald Trump spielt „Daddy cool“, die Welt tanzt mit. Der Philosoph Slavoj Žižek über autoritäre Fantasien, moralische Kapitulation – und die traurige Lust an Trotz und Gehorsam
Na, ist der Ohrwurm schon angekommen? Daddy, Daddy Cool…
Collage der Freitag, Material: Getty, Midjourney
Ich erinnere mich mit Abscheu an einen Musik-Hit aus meiner Jugend: „Daddy Cool“, 1976, gespielt von Boney M. Das Lied ist ein Paradebeispiel für ein Musikstück, das einen mit seiner stupiden, sich wiederholenden Inszenierung der Jouissance verfolgt: des stumpfen „Genießens“ im Sinne des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan. Je mehr man versucht, es loszuwerden, desto mehr verfolgt es einen – für mich das beste musikalische Porträt von „Daddy“ Donald Trump. Das uns vielleicht mehr über die Rolle von uns als „Trumps Kinder“ lehrt als über die Daddy-Rolle selbst.
Wie ist es Trump gelungen, einen Waffenstillstand zwischen Israel und Iran durchzusetzen? Er gab den MAGA-Traum auf, sich auf die
nstillstand zwischen Israel und Iran durchzusetzen? Er gab den MAGA-Traum auf, sich auf die USA zu fokussieren und sich nicht in Konflikte auf der ganzen Welt einzumischen. Dabei entdeckte er für sich eine neue Rolle als globaler Friedensstifter, ein Friedensstifter, der nicht zögert, Frieden durch brutale Bombardierungen durchzusetzen. Er tut nicht einmal so, als handle er als Gleicher unter Gleichen oder als ein unparteiischer Richter – was also ist er?Einen Schlüssel zu einer Antwort finden wir auf dem Nato-Gipfel vergangene Woche. Iran und Israel seien wie „zwei Kids auf dem Schulhof“, die sich „wie verrückt kloppen“, so Trumps inzwischen berühmte Worte, und Nato-Generalsekretär Mark Rutte unterbrach ihn lachend: „Und dann muss Daddy manchmal ein paar Kraftausdrücke benutzen, um sie zu stoppen.“ Doch Rutte vergaß dabei, sich selbst – oder einige wichtige Figuren der EU – in diese Reihe der unartigen Kinder mit einzuschließen, die eine Tracht Prügel von einem strengen, aber wohlmeinenden Vater gebraucht haben. Lieber Israel als Iran: Als Daddy zieht Trump ein Kind dem anderen vorErst nach einer scharfen Rüge von Daddy erklärten sich die europäischen Staaten zu einer Erhöhung ihrer Militärausgaben auf fünf Prozent bereit. Leider dient diese Anhebung nicht der europäischen Autonomie, sondern dazu, Europa mehr denn je unter US-Vorherrschaft zu setzen. Trump entdeckte so für sich eine neue Rolle auf der Weltbühne: als globaler Daddy, der mit einer Mischung aus Belohnungen und brutalem Druck den Frieden sichert, unter anderem mit terroristischen Bombardierungen. Als Vater zieht Trump offen ein Kind dem anderen vor (Teheran hat er gedroht, in Schutt und Asche zu legen), seine ökonomische Entscheidung kann auf subjektiven Vorlieben basieren (die Zölle für Großbritannien hat er gesenkt, weil er das Land mag). Dabei muss man zugeben, dass er bei der Erzwingung des Waffenstillstands zwischen Israel und dem Iran eine gewisse Flexibilität zeigte, indem er dem Gegner erlaubte, sein Gesicht zu wahren.Man bedenke, dass Trump dem Iran dafür gedankt hat, die USA vorab über die Bombardierung ihres Militärstützpunktes zu informieren, so dass sie ihre Soldaten evakuieren und Tote vermeiden konnten. Trotz allen Geredes, dass Teheran bedingungslos kapitulieren müsse, verstand er, dass dem Iran ein letzter, gesichtswahrender und straffreier Angriff eingeräumt werden musste. Ein verständnisvoller Daddy.Was, wenn China oder Putin Trumps Vaterrolle ablehnen?Es ist also richtig, dass Trump, wie er sagt, keine Konflikte aufmachen, sondern sie beenden will. Aber auch wenn es ihm gelingt, seiner Liste weitere „Triumphe“ hinzuzufügen: Sein Vorhaben, den unberechenbaren friedensstiftenden Vater zu spielen, wird auf klare Grenzen stoßen, wenn seine Gegner seine Rolle als „Daddy cool“ ablehnen. Er verspricht jetzt, Frieden nach Gaza zu bringen – aber was kann er den Palästinensern dort bieten, das auch die Israelis zufriedenstellt?Und in der Sache des Ukrainekriegs bleibt Trump angesichts eines Gegners wie Putin nur der Weg, noch mehr Druck auf die Ukraine auszuüben – oder sich aus seiner aktiven Rolle zurückzuziehen. Ganz zu schweigen von China, mit dem Trump einen echten Wirtschaftskrieg führt. Das Problem ist, dass Trumps Rolle als pragmatischer Friedensstifter, sein Umgang mit Problemen, als könnten sie durch „realistische“ Geschäftsverhandlungen gelöst werden, ein Fake ist: Ihre Koordinaten werden im Voraus durch eine Reihe äußerst politischer Entscheidungen und Ausschlusskriterien bestimmt. Wie im Fall des Irans sind seine pragmatischen Verhandlungen nur die Kehrseite der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation.Crazy like a fool: Unsere Welt wird zu einem IrrenhausDabei ist die wirklich schändliche Person in dieser Sache nicht Trump. Schlimmer noch sind alle von uns, die wie Rutte mit Freude diese Rolle von ungezogenen Jugendlichen akzeptieren, die auf einen strengen Daddy warten, der sie lenkt. Man erinnere sich daran, wie Trump und sein Stellvertreter JD Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der berühmt-berüchtigten Konfrontation im Weißen Haus gedemütigt haben: Während Trump einen coolen Daddy in wütendem Zustand darstellte, der Selenskyj vorwarf, keinen Frieden zu wollen, unterwarf sich Selenskyj sofort nach der Show verzweifelt Daddys Autorität und erklärte seine Liebe zu Trump und den USA.Und genauso die Politiker der EU um Rutte. Sie geben damit die Rolle auf, die sie als Führungspersonen einnehmen sollten, nämlich als gleichberechtigte Partner in einem Dialog für eine auf Prinzipien basierende Politik einzutreten. Sie sind crazy like a fool – Wild about Daddy Cool!Der globale „Daddy cool“ kündigt unterdessen eine Welt ohne klare Regeln und ohne grundlegende ethische Prinzipien an, eine Welt, in der der gleiche Akteur, der vorgibt, seine in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelten Kinder unter Kontrolle zu halten, als willkürliche und unberechenbare Autorität handelt. Crazy like a fool. Unsere Welt wird immer mehr zu einem Irrenhaus, in dem der stärkste Patient die Kontrolle übernommen hat und als Arzt auftritt.