Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der SPD übt in seinem Antragsbuch für den Landesparteitag am 10. Mai deutliche Kritik an der Spitze der Bundespartei, vor allem an Lars Klingbeil. „Die Welt ist im Umbruch, um nicht zu sagen in Aufruhr“, heißt es in dem Dokument zu Beginn. Und weiter: „Soziale Ungleichheit, der Aufstieg rechter Ideologien und die fortschreitende Prekarisierung breiter Bevölkerungsschichten sind zentrale Herausforderungen“.
Das Ende der Ampel-Regierung und das historisch schlechte Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl werden als „Tiefpunkt der deutschen Sozialdemokratie“ bezeichnet. Aus dem knappen Wahlsieg 2021 seien nicht die richtigen Schlüsse gezogen worden. „Aussagen, die gar den Beginn eines sozialdemokratischen Jahrzehnts sehen wollten, wirken nicht nur aus heutiger Sicht realitätsfern.“
Auf dem Bundesparteitag der SPD im Jahr 2021 hatte Lars Klingbeil sich mit folgenden Worten um den Parteisitz beworben: „Ein Sieg bei einer Bundestagswahl reicht mir nicht, ich will mehr. Wir stehen an der Schwelle zu einem sozialdemokratischen Jahrzehnt.“ Mit ihrem Leitantrag erteilt die SPD NRW der Vision Klingbeils eine deutliche Absage. Darum sei es wichtig, aus „dieser katastrophalen Niederlage“ die richtigen Schlüsse zu ziehen: „Dazu bedarf es einer intensiven Aufarbeitung – inhaltlich, organisatorisch und personell“.
Die SPD Nordrhein-Westfalen ist mit rund 86.000 Mitgliedern der mitgliederstärkste Landesverband. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds habe der Ampel-Koalition „die Geschäftsgrundlage entzogen“. Die Regierungszeit sei von Streit, vor allem mit der FDP, geprägt gewesen. „Ein über fast zwei Jahre verfestigtes Image jedoch lässt sich nicht innerhalb von acht Wochen Winter-Wahlkampf korrigieren“, schreibt der Landesverband weiter.
Als SPD-Vorsitzender war Klingbeil auch maßgeblich für die Gestaltung des Wahlkampfes mitverantwortlich. Er soll auch auf dem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen als Redner auftreten. Obwohl er Ende Februar mit 86,5 Prozent zum neuen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion gewählt wurde und kürzlich als Finanzminister und Vizekanzler nominiert wurde, gibt es Stimmen, die personelle Konsequenzen fordern. So forderte Brandenburgs Ministerpräsident Woidke eine „personelle und inhaltliche Erneuerung der SPD“, wie er gegenüber dem Handelsblattsagte.
Franziska Giffey sagte gegenüber dem Tagesspiegel: „Ein einfaches Weiter-so mit den gleichen handelnden Personen kann aus meiner Sicht nicht die Antwort auf die notwendige Frage der Erneuerung sein“. Falk Wagner, der Vorsitzende des SPD-Landesverbandes Bremen, sagte: „Bei unserer Parteibasis kam es überhaupt nicht gut an, dass der Parteivorsitzende im Moment der bittersten Niederlage zunächst einen Spitzenposten mit sich selbst besetzt“. Der angekündigte „Generationenwechsel“ müsse mehr als eine Person umfassen.
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