Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang gescheitert – das ist ein sehr wichtiger Move der SPD. Damit sich die CDU und CSU in den kommenden Jahren nicht der AfD öffnet, muss Lars Klingbeil sie zur Zusammenarbeit nach links zwingen
Dieser vermutlich noch immer künftige Kanzler Friedrich Merz darf es mit der SPD nicht leicht haben
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In einer besseren Welt könnte der Kommentar einfach lauten: Es gibt noch gute Nachrichten! Was sonst soll es sein, wenn Friedrich Merz nicht im ersten Wahlgang, also reibungslos, zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird? Wenn der Mann, der dem Land schon einmal das Zusammenspiel der CDU mit der extremen Rechten vorgeführt hat, aus den Reihen seiner geplanten Koalition ein derart deutliches Warnsignal erhält? Wenn der designierte Richtlinien-Geber der Regierung für ein politisches Konzept zumindest verwarnt wird, das mit sozial-ökologischer Transformation so gut wie nichts zu tun hat, mit der alten Leier vom Wohlstand durch Unternehmensentlastung dagegen sehr viel?
Ja, das ist wirklich eine gute Nachricht, aber selbst bei Menschen, die Friedrich M
riedrich Merz, der CDU/CSU und „großen“ Koalitionen fernstehen, wird die Genugtuung von einem anderen Gedanken übertönt: Wir haben uns den Mann nicht ausgesucht, aber ist er nicht jetzt der einzige, der uns noch vor der Machtübernahme der AfD retten kann? Wer sonst soll das machen, nach dem Wahlergebnis vom 23. Februar 2025?Das ist die Falle, in der sich das „fortschrittliche Lager“, soweit noch vorhanden, befindet: Sich einen Politiker, der die große bürgerliche Partei in unverzeihlicher Weise rechtsoffen gestaltet, als Bollwerk gegen rechts vorstellen zu müssen. Eine ganz spezielle Version von Alternativlosigkeit ist das. Oder? Man wagt es in der politischen Stimmung unserer Tage kaum zu denken, aber wahrscheinlich ist es notwendiger denn je: Nein, Friedrich Merz dürfen wir die Rettung vor dem nationalkapitalistischen Autoritarismus nicht überlassen. Wenn einige SPD-Abgeordnete uns mit ihren Nein-Stimmen daran erinnern wollten, haben sie gut daran getan. Wenn unter Schwarz-Rot tatsächlich etwas geschehen soll, das die AfD schwächt, dann sicher nicht dadurch, dass der kleinere Koalitionspartner sich durch die ständige Drohung, die Union könnte auch mit der AfD, erpressen lässt.Das Dilemma der politischen „Mitte“Wenn Merz dann doch Kanzler ist, werden die verbliebenen Linken in der SPD – immer wieder! – durchsetzen müssen, dass er vor die Wahl gestellt wird: entweder Zugeständnisse nach links zu machen (womöglich auch mit Grünen oder gar Linken zusammen), oder endgültig auf Offenheit gegenüber der AfD zu setzen. Was dann allerdings durch gesellschaftlichen Widerstand, wie wir ihn ja kurz vor der Wahl erlebt haben, zu bekämpfen wäre. Damit dürfte beschrieben sein, in welches Dilemma der Opportunismus der „Mitte“ gegenüber Rechtsaußen die politische Statik unseres Landes gebracht hat. Sollte der historisch einmalige Vorgang vom 6. Mai 2025 auch nur ein Zeichen in diese Richtung gewesen sein, hätte sich der Mut der Neinsagenden gelohnt. Setzt aber der neue starke Mann der SPD, Lars Klingbeil, eine Fortsetzung des opportunistischen Kurses durch, können wir die Tage zählen, bis die AfD endgültig diejenigen überholt, die sie mit so viel Hingabe in Rhetorik und teils auch in der Praxis imitieren.Gerade erst haben fast 300 zivilgesellschaftliche Organisationen sich gegen die rigide Migrationspolitik der neuen Koalition ausgesprochen. Was wäre, wenn der erste Wahlgang zur Kanzlerwahl vom Dienstag dazu beigetragen hätte, dass solche kritischen Stimmen wieder mehr Gehör bekommen – in der Gesellschaft insgesamt und auch im Parlament, bis in die fast schon weichgespülte SPD hinein?Man wird ja mal hoffen dürfen.