Seit fast 30 Jahren schlüpft Tom Cruise in die Rolle des Agenten Ethan Hunt. „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ wartet mit einem Hauptbösewicht auf, der seiner Leidenschaft für selbst ausgeführte Stunts mehr als gerecht wird


Natürlich hängt wieder einiges davon ab, ob Tom Cruise rechtzeitig von einem Flugzeug ins andere springt

Foto: Landmark Media/Imago Images


Dass es in Mission: Impossible mehr um Taten denn um Worte geht, zeigt sich schon darin, dass die bislang sieben Filme in fast 30 Jahren kaum berühmte Zitate hervorgebracht haben. Natürlich gibt es die Standardsätze, die noch aus der Fernsehserie stammen. Von wegen „Ihr Auftrag, sollten Sie ihn annehmen …“ und „Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten“. Aber sonst? Vielleicht noch Anthony Hopkins, wie er in Mission: Impossible II den von Tom Cruise verkörperten Agenten mit einem zynischen „Well, this is not Mission: Difficult, Mr. Hunt“ abfertigt. Denn „difficult“, das wäre ja ein bloßer Spaziergang für ihn. Nein, es muss schon immer ein „Impossible“ sein.

Wer erinnert sich

e“ sein.Wer erinnert sich noch an den Plot von Phantom Protokoll oder Rogue Nation?Dieses „Impossible“ bezieht sich längst weniger auf die Aufträge, die Cruise als Ethan Hunt „anzunehmen bereit ist“ und die Thriller-Klischees wie ein Netzwerk von Bösewichten vernichten oder eine verloren gegangene Geheimwaffe wieder aufspüren beinhalten, sondern auf konkrete Dinge wie das Springen aus einem Flugzeug. Und das ist Tom Cruise’ eigentliche Errungenschaft.Denn geben wir’s zu, wer erinnert sich noch an den Plot von Phantom Protokoll oder Rogue Nation? Aber Tom Cruise, der in 800 Meter Höhe am Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, herumklettert, das sorgt noch im Nacherzählen für Höhenangst. Oder Tom Cruise, der sich leibhaftig am Flügel eines Airbus A400M festklammert, während das Flugzeug abhebt – solche Szenen hat man noch im Gedächtnis, wenn der Film drumherum vollkommen vergessen ist. Warum das jeweils nötig war, das Klettern am Burj Khalifa, das Aufspringen auf den Flügel des Airbus?Richtig sinnvoll war das oft noch nicht mal im engeren Kontext der Filmstory. Aber in dem Moment, in dem es sich vor den Augen von uns Kinozuschauern abspielt, scheint es dringlich und einleuchtend – und bringt auf eine Weise zum Staunen, die im Kino der digitalen Spezialeffekte rar geworden ist. „Dafür werden Filme gemacht“ – wenn den Slogan nicht die Antipiraterie-Kampagne vereinnahmt hätte, man würde ihn als Sondersticker auf die Mission: Impossible-Filmplakate stempeln.Tom Cruise’ eigene Karriere erlitt in den fast 30 Jahren so manchen DämpferIn den fast 30 Jahren, in denen Tom Cruise immer wieder in die Rolle des Ethan Hunt schlüpft, hat Cruise’ Karriere so manche Dämpfer erlitten, in den nuller Jahren galt er gar als „toxische“ Person, die sich vom selbstgewählten Scientology-Glauben die Ehefrauen vorgeben lässt und zu keiner spontanen Äußerung mehr fähig schien. Aber irgendwann in den zehner Jahren – Phantom Protokoll mit seinem Burj Khalifa-Stunt spielte da eine Rolle –, erholte sich Cruise’ Image nach und nach. Und auch wenn es nie wieder wurde wie in den seligen 90ern mit Jerry Maguire, so gab es doch Filme wie den zum Geheimtip aufgestiegenen Edge of Tomorrow (Regie: Doug Liman, 2014) etwa, in dem Cruise auch als Schauspieler glänzt.Mit Top Gun: Maverick (2022) konnte er einen neuen Heldenstatus reklamieren: als „Retter des Kinos“. Tatsächlich sorgte sein persönlicher Einsatz dafür, dass Top Gun: Maverick keines dieser pandemie-bedingten „Streaming-Experimente“, sondern 2022 in den Kinos zum weltweiten Post-Covid-Mega-Hit wurde. Und dann bewies er maximale Großzügigkeit, als er 2023 das Phänomen „Barbenheimer“ selbst dann noch propagierte, als klar war, dass Christopher Nolans Oppenheimer seinem Mission: Impossible – Dead Reckoning das Ticket-Geschäft verderben würde, weil Nolans Film ihm die fürs Einspiel so wichtigen Imax-Leinwände wegnahm.Was in den Nullerjahren noch wie eine Schrulle wirkte, wird immer mehr zum Akt des WiderstandsIn der Rolle des Kino-Förderers und -Bewahrers hat Cruise eine neue Bestimmung gefunden. Sie geht aufs Beste zusammen mit seiner Leidenschaft für selbst ausgeführte Stunts. Was in den Nullerjahren noch wie eine Schrulle gewirkt hatte, wurde nun immer mehr zu einem Akt des Widerstands gegen das „Digitale“.Dabei wurde nie verschwiegen, dass Cruise seine Stunts mit maximalen Sicherungsvorkehrungen macht, mit Seilen und Netzen, die in der Postproduktion digital entfernt werden. Und natürlich kann ein Franchise wie Mission: Impossible, zu dessen Grundelementen das Täuschungsmanöver mit Silikonmasken gehört, die angeblich lebensecht aussehen, nur bis zu einem bestimmten Punkt „real“ sein. Aber mit jedem seiner Stunts, propagiert mit eigenen Erklär-Videos, hat Cruise das Franchise immer fester im Lager des „Anti-Digitalen“ verankert.Dass nun im achten und sehr wahrscheinlich eben doch nicht finalen M.I – Final Reckoning erneut der Hauptbösewicht eine „Künstliche Intelligenz“ ist, die „The Entity“ genannt wird, erscheint als logische Konsequenz. Cruise und sein Regisseur und Autor Christopher McQuarrie machen die KI nicht nur metaphorisch zum Gegner, sie positionieren sich mit ihrem ganzen Handwerk dagegen.Schade ist da eigentlich nur, dass das Drehbuch die Selbstbeweihräucherung des Helden in MI8 auf eine Spitze treibt, die unfreiwillig parodistisch wirkt. „Die Welt braucht dich!“, heißt es wörtlich. Diesmal droht die atomare Vernichtung, fünf der neun Atomwaffenstaaten sind schon in den Händen der KI, in den USA planen wie üblich starrsinnige Generäle den präventiven Gegenschlag, einzig Angela Bassett als Präsidentin bewahrt kühlen Kopf und genug Herz, nicht gleich ein paar Millionen Menschen zu opfern, um vermeintliche Milliarden zu retten. Und dann hängt wieder alles einzig davon ab, ob Cruise, äh Hunt, am Polarmeergrund das U-Boot rechtzeitig findet und von einem Flugzeug ins nächste springen kann, umin letzter Sekunde an die „Giftpille“ zu kommen, die der KI den Garaus machen könnte.Für Spannung ist also gesorgt, hinzu kommt ungewohnt viel Nostalgie. Etwas ungelenk wird die Handlung aller sieben Vorläufer nun zu dem einen großen Erzählbogen uminterpretiert, was nur bedingt funktioniert. Aber was macht das schon, man ist unter sich, ein Augenzwinkern reicht aus. Einige der Szenen mit dem köstlichsten Humor bestehen allein daraus, dass sich Figuren mit Blicken verständigen, während die Bomben ticken. Tramell Tillman, Severance-Fans als Mr. Melchik bekannt, hat einen Auftritt als abgebrühter U-Boot-Kapitän, der allein schon Lust auf ein mögliches Wiedersehen in einem potentiellen MI9 macht. Die Welt braucht das!



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Von Veritatis

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