Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, steht vor einem Misstrauensvotum im EU-Parlament.
Mehr Unterstützung als notwendig
Eingeleitet hat den Antrag der rumänische Abgeordnete Gheorghe Piperea und dafür 79 Unterschriften erhalten – mehr als die erforderlichen 72.
Hintergrund sind nach wie vor die Vorwürfe über von der Leyens intransparente Impfstoffbeschaffung in Corona-Zeiten. 2021 hatte sie mit Pfizer-Chef Albert Bourla die Lieferung von 900 Millionen Corona-Impfstoffdosen vereinbart – ohne Ausschreibung, einfach per Zuruf mittels SMS und Anrufen. Eine vollkommen unübliche Vorgangsweise in Brüssel.
Kosten bis heute unbekannt
Bis heute ist nicht bekannt, wie viel Steuergeld der Europäer die EU-Kommissionspräsidentin dafür ausgegeben hat. Es geht jedenfalls in die Milliarden, gemutmaßt wird, dass diese Impfdosen 35 Milliarden (!) Euro gekostet haben.
Trotz wiederholter Anfragen von Medien und EU-Parlamentariern wurden noch nicht einmal die allgemeinen Parameter der Impfstoffbeschaffungs-Verträge einschließlich der Lieferbedingungen und Verteilung der Verantwortung für Nebenwirkungen veröffentlicht.
„Notwendiger Schritt für Demokratie“
Ein EU-Gericht hatte im Mai festgestellt, dass die Kommission keine ausreichende Begründung für das Zurückhalten der Informationen zur Impfstoffbeschaffung geliefert habe. Doch geschehen ist – wieder – nichts. Deshalb sammelte Piperea Unterschriften für das Misstrauensvotum.
Der Politiker der rechten Partei “Allianz für die Vereinigung der Rumänen” spricht von einem „notwendigen Schritt, um zu den Grundlagen der Demokratie zurückzukehren“ und wirft der Kommission darüber hinaus vor, Kompetenzen der Mitgliedsstaaten und des Parlaments schrittweise an sich zu ziehen.
Vorwürfe reichen von Geheimverträgen bis zu Milliardenkrediten
Neben dem Impfstoff-Streit kritisieren die Antragsteller ein milliardenschweres Rüstungspaket, das die Kommission ohne Parlamentsbeteiligung geplant haben soll. Auch die üppige Finanzierung zahlreicher – so gut wie immer linker – NGOs mit EU-Geldern steht zur Debatte, immerhin soll die Kommission gezielt Organisationen unterstützt haben, die Stimmung gegen Kohle, Atomkraft und Handelsabkommen machten, ohne dem Parlament ausreichend Rechenschaft abzulegen.
Unbeliebte Kommissionspräsidentin
Dabei war von der Leyen in der Zeit gar nicht gewählt gewesen. Sie war 2019 auf Betreiben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der Kanzlerin in Berlin, Angela Merkel, an die Spitze der Kommission gesetzt worden, obwohl sie zuvor nicht als Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl angetreten war. Bei der Wahl zur zweiten Amtszeit im Juli 2024 erhielt sie 401 von 719 Stimmen. Dafür brauchte sie die Europäische Volkspartei (EVP), zu der die ÖVP gehört, die Sozialdemokraten, denen die SPÖ angehört, die Liberalen mit den Neos und die Grünen. Nur die FPÖ-Abgeordneten stimmten gegen von der Leyen.
Erfolg des Antrags gilt als äußerst unwahrscheinlich
Für einen erfolgreichen Misstrauensantrag wäre eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten nötig – das gilt als kaum erreichbar, da die EVP und die Sozialdemokraten schon angekündigt haben, gegen den Misstrauensantrag zu stimmen.
Trotzdem hat das Verfahren hohen symbolischen Wert: Erstmals wird die Frage breit debattiert, wie demokratisch legitimiert die Machtfülle der Kommission tatsächlich ist. Kritiker wie der frühere Parlamentspräsident Martin Schulz hatten schon 2013 erklärt, die EU würde sich selbst nicht als Mitglied aufnehmen, weil sie ihre eigenen demokratischen Standards verfehle.
Von der Leyen verteidigt sich und spricht von „Lügen“
Von der Leyen wies die Vorwürfe im Plenum scharf zurück. „Es sind einfach Lügen“, sagte sie zu den Vorwürfen rund um die Impfstoffverträge. Jeder Vertrag sei den Mitgliedsstaaten transparent vorgelegt worden, inklusive Mengen und Preisen. Sie warf den Initiatoren vor, „Elemente aus dem ältesten Rezeptbuch der Extremisten“ zu verwenden, um das Vertrauen in die Demokratie zu zerstören und die Gesellschaft zu spalten. Den Vorwurf der Einflussnahme auf die rumänische Präsidentschaftswahl bezeichnete sie als haltlos.
Brandmauer der Mitte gegen rechte Stimmen
Trotz wachsender Unzufriedenheit mit von der Leyen in Teilen der Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen steht die Mehrheit des Parlaments weiter hinter ihr. Einige Abgeordnete erklärten offen, ein Sturz der Kommission käme nur den rechten Kräften zugute und würde Europa in eine Krise stürzen – oder die derzeitigen Mandate von ihren Futtertrögen vertreiben.
Grünen-Politikerin Terry Reintke appellierte an die EVP, sich klar zur Zusammenarbeit mit der demokratischen Mitte zu bekennen und die Annäherung an Rechtsextreme zu beenden. Manfred Weber, Chef der EVP, bezeichnete das Verfahren als „politisches Spiel“ von „Putin-Freunden“ und warnte davor, die Stabilität Europas in Frage zu stellen.
Abstimmung mit Signalwirkung
Die Abstimmung über das Misstrauensvotum ist für Donnerstag angesetzt. Sollte der Antrag angenommen werden, müsste die gesamte EU-Kommission zurücktreten – ein historischer Vorgang. Doch angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse gilt der Ausgang als Formsache. Beobachter erwarten dennoch, dass die Debatte Auswirkungen auf das Vertrauen in die Institutionen und den politischen Kurs der EU haben wird.