Eine erste Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul hat unüberbrückbare Gegensätze offenbart. Ob sich daran etwas ändert, hängt vor allem von den Präsidenten Russlands und der USA ab: Jetzt sprechen Putin und Trump
Trump wartet in Washington: Ein mögliches Treffen mit Putin soll Thema beim Telefonat zwischen den beiden Präsidenten sein
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Schon die Sitzordnung der Verhandlungspartner im Dolmabahçe-Palast in Istanbul spiegelte die Tiefe der Gegensätze. An zwei langen Tischen saßen sich die Delegationen Russlands und der Ukraine gegenüber, mit einem Abstand von mehreren Metern. Die russische Delegation wurde vom Präsidentenberater Wladimir Medinski geleitet, die ukrainische von Verteidigungsminister Rustem Umjerow.
Feststeht, beide Seiten wollen ihre Vorstellungen von einem Waffenstillstand in Papiere fassen, die ausgetauscht und bei einem weiteren Treffen diskutiert werden sollen. Medinski konstatierte, die russische Delegation habe den Wunsch der Ukrainer nach einem Treffen beider Präsidenten „zur Kenntnis genommen“.
Er formulierte die ausdrücklich an die ukrainische Führung
skutiert werden sollen. Medinski konstatierte, die russische Delegation habe den Wunsch der Ukrainer nach einem Treffen beider Präsidenten „zur Kenntnis genommen“.Er formulierte die ausdrücklich an die ukrainische Führung gerichtete Warnung: Moskau sei bereit, so lange zu kämpfen, wie es nötig sei. „Wir wollen keinen Krieg, aber wir sind bereit, ein, zwei, drei Jahre zu kämpfen – solange es dauert. Wir haben 21 Jahre lang gegen Schweden gekämpft. Wie lange seid ihr bereit zu kämpfen?“, soll Medinski seine ukrainischen Gegenüber, viele von ihnen in Militäruniform, im Dolmabahçe-Palast gefragt haben. Seine Anspielung bezog sich auf den Großen Nordischen Krieg im frühen 18. Jahrhundert, der für Peter I. mit Niederlagen begann, aber dann mit einem Sieg endete.Vom Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin hängt viel abDie russischen Emissäre, entsandt von Wladimir Putin, beharrten auf den offiziellen Positionen Moskaus: Neutralität der Ukraine, keine NATO-Mitgliedschaft, keinerlei Reparationen, Minderheitenrechte für die russische Bevölkerung der Ukraine und die Anerkennung der vier von Russland kontrollierten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischija und Cherson als Territorium der Russischen Föderation.Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums nannte das „inakzeptabel“. Der ukrainische Politologe Alexej Garan urteilt, es gäbe „zu große Meinungsverschiedenheiten“, um einen Durchbruch bei den Verhandlungen zu erreichen. Daher werde „der diplomatische Kampf weitergehen“, wobei US-Präsident Donald Trump bisher leider nicht bereit sei, mit neuen Sanktionen Druck auf Putin auszuüben.Zu skeptischen Schlussfolgerungen kommt auch der russische Politologe Alexej Tschesnakow, ehemaliger leitender Mitarbeiter der Präsidentenadministration. Unter Bezug auf eine anonyme Quelle in der russischen Delegation meinte er, beide Seiten seien „weit entfernt vom Beginn eines vollwertigen Dialogs“. Der Verhandlungsprozess drohe „in der Sackgasse“ zu enden. Nur Putin und Trump könnten gemeinsam eine Regelung bewirken. Trump selbst hatte bereits vor den Verhandlungen prophezeit: „Nichts wird geschehen, bis Putin und ich zusammenkommen.“ Ein mögliches Treffen der Präsidenten der USA und Russlands soll nun ein Thema beim Telefonat zwischen den beiden Präsidenten am heutigen Montag sein.Macron und Merz sind hilflos gegenüber der wechselnden Taktik Selenskyjs, der noch Ende 2024 strikt gegen eine Waffenruhe warIn Istanbul hatten die beiden Konfliktparteien bereits kurz nach Kriegsbeginn Verhandlungen geführt, die am 29. März 2022 ergebnislos endeten. Seither hat sich die Verhandlungsposition der Ukraine sowohl militärisch als auch politisch verschlechtert, nicht zuletzt durch die Haltung des neuen US-Präsidenten.Die Ukraine ist weit davon entfernt, Verhandlungen „von einer Position der Stärke aus“ zu führen, was Bundeskanzler Friedrich Merz noch im Wahlkampf als sein Ziel bezeichnet hatte. Die europäischen Unterstützer Kiews haben weder einen Sitz am Verhandlungstisch noch maßgeblichen Einfluss auf den Prozess. Womöglich hat die chinesische stille Diplomatie, die seit Längerem für einen Waffenstillstand wirbt, größeren Einfluss auf Moskau als die europäische.Die Schwäche der EU ist maßgeblich dadurch bedingt, dass die deutsche und die französische Führung ihre Vermittlerrolle eingebüßt haben, die sie mit dem Minsker Verhandlungsformat zwischen 2014 und 2022 noch hatten. Macron und Merz erweisen sich derzeit als relativ hilflos gegenüber der wechselnden Taktik Selenskyjs, der noch Ende vergangenen Jahres kategorisch gegen einen Waffenstillstand war. Die Instrumente der Sanktionen gegen Russland aber haben sich weitgehend erschöpft. Die limitierte Rolle Berlins, das nicht auf den Rückhalt Washingtons setzen kann, macht Ultimaten an die Adresse des Kremls zu einer leeren, weil wirkungslosen Geste.Die Waffenstillstandsverhandlungen im Korea- und im Vietnam-KriegAuch international wirkt nicht überzeugend, so zu tun, als wenn Gespräche über Frieden nur während eines Waffenstillstandes möglich seien. Die Geschichte zeigt, dass meist das Gegenteil der Fall ist. Mitten im Korea-Krieg begannen im Juli 1951 die Waffenstillstandsverhandlungen. Erst am 27. Juli 1953 wurde nach weiteren schweren Kämpfen das Abkommen über das Kriegsende unterzeichnet.Noch länger, von 1968 bis 1973, zogen sich die Pariser Verhandlungen über eine Beendigung des Vietnamkrieges hin. Die Gespräche waren von massiven Luftangriffen und Bodenoffensiven begleitet. Sie endeten im Januar 1973 mit dem Pariser Abkommen, das den Abzug der US-Truppen und einen Waffenstillstand vorsah. Die von den USA abhängige Republik Südvietnam war an den Verhandlungen nicht beteiligt.