Gefragt, wer in Deutschland zu wenig arbeite, hatte Carsten Linnemann bei Caren Miosga schließlich eine eindeutige Antwort parat: die Rentner. In der ARD-Sendung ging es am Sonntagabend um die Frage, ob Deutsche tatsächlich zu wenig arbeiten würden, wie es Friedrich Merz und Linnemann immer wieder anklingen ließen. Unterstützung erfuhren beide von dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Moritz Schularick, der in der Sendung erklärte, Deutsche im erwerbsfähigen Alter würden pro Kopf beispielsweise circa 30 Prozent weniger arbeiten als die Bevölkerung Polens.
Linnemann wiederum betonte, es gebe 35 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutschland, „die jeden Tag arbeiten ohne Ende und das Gefühl haben, es bleibt nichts übrig“. Dem stellte der CDU-Politiker zehntausende Sozialbezieher gegenüber, „die das System ausnutzen“. Während der Generalsekretär dafür bei Caren Miosga vor allem über das Bürgergeld sprechen wollte, versuchte die Moderatorin, den CDU-Politiker zu einer Stellungnahme zur Vier-Tage-Woche zu bewegen – einem Anliegen der Bürger.
Linnemann erklärte, dieses Modell würde nicht funktionieren. Außerdem sei die Leistungsbereitschaft zur Arbeit in der Gesellschaft vorhanden – die Menschen hätten aber das Gefühl, Steuern und Abgaben seien zu hoch, sodass sich Arbeiten nicht mehr lohnen würde. „Und es gibt andere, die Leistungsbereitschaft nicht zeigen und Geld vom Staat bekommen“, kritisierte der CDU-Politiker weiter. Dadurch würde ein „Ungerechtigkeitsgefühl in Deutschland“ entstehen.
Miosga zeigte dafür Unverständnis. Die Frage der Arbeitsmoral und des Bürgergelds seien zwei verschiedene Diskussionen. Daraus ginge aber nicht hervor, welche Zielgruppe konkret gar nicht oder zu wenig arbeite. Die erste Frage danach ließ Linnemann verstreichen, auf die zweite machte er dann eine schuldige Gruppe aus: Die Rentner. Deswegen wollen Union und SPD eine Aktivrente schaffen, gab der Generalsekretär dann den Koalitionsvertrag wieder.
Darin steht, die Bundesregierung wolle eine Regelung für Rentner einführen, die freiwillig weiterarbeiten. Bis zu 2.000 Euro im Monat des Gehalts würden Betroffene steuerfrei erhalten. Steuerfrei heißt in diesem Fall jedoch, dass je nach Steuerklasse kaum bis wenige hundert Euro eingespart werden, weil bei einem Lohn in dieser Größenordnung nicht zwingend nennenswerte Steuern anfallen – im Gegensatz zu den Sozialabgaben.
Linnemann erklärte dennoch: „Die Arbeitsstunden sind zu wenig in Deutschland“. Ab 2026 solle deshalb die Aktivrente zur Attraktivität der Weiterarbeit beitragen. Er prognostizierte, dadurch würden „Zehntausende, vielleicht sogar eine sechsstellige Zahl, in den vier Jahren länger arbeiten. Das ist unser Ziel und dann erhöhen wir die Arbeitsstunden“, resümierte der CDU-Politiker.
Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, bemängelte jedoch: „Wenn ich Beschäftigte beschimpfe, dann kriege ich keine Zuversicht, dann kriege ich Frust – und das spielt anderen in die Karten.“ Die von der Union losgetretene Diskussion über die Leistungsbereitschaft der Deutschen habe viele Beschäftigte vor den Kopf gestoßen, erklärte Benner.
Die IG Metall-Chefin leierte dann noch eine andere Diskussion an: Die Arbeitsstunden sind pro Kopf so gering, weil viele Menschen in Teilzeit arbeiten würden – vor allem Frauen, monierte Benner. Linnemann schenkte ihr den Punkt: Beim Ausbau der Struktur zur Kinderbetreuung müsse dringend nachgebessert werden, sodass auch Eltern wieder in Vollzeit arbeiten gehen könnten.
Tatsächlich arbeiten 48,6 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Deutschland in Teilzeit – bei männlichen Arbeitnehmern sind es 11,7 Prozent, erklärte Miosga unter Berufung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes in der Sendung. Bei Eltern ginge diese Spaltung noch weiter auseinander: Mütter würden zu 68,4 Prozent, Väter zu 8,3 Prozent in Teilzeit arbeiten. Daher waren sich alle Gäste einig, dass die Angebote für die Kindertagesbetreuung verbessert werden müssten, eben auch Linnemann.
Der hatte zu Beginn der Sendung bereits über eine andere Rolle der Frauen gesprochen: Und zwar über die Geschlechterverteilung in der Politik. Miosga hatte kritisiert, dass mit Saskia Esken nur eine Frau im Koalitionsausschuss vertreten sei. Linnemann hielt dagegen, verwies auf die Frauenquote im Kabinett, wo acht Ministerinnen und neun Minister vertreten sind, zudem Bundeskanzler Merz. Linnemann sprach sich dann zudem für eine Frau als nächste Bundespräsidentin aus – wer das sein könnte, wollte er nicht beantworten.