Den Mann mit Kochhaube, Schnurrbart und Messer am Dönerspieß kennt jeder. Obwohl die Zeichnung auf allen Dönertüten prangt, blieb ihr Urheber unbekannt. Aylin Doğan machte sich auf die Suche – und erzählt in ihrem Podcast noch viel mehr
Podcasthost Aylin Doğan
Foto: Leah Rupprecht/ BR
Mit Sympathieträgern ist es so eine Sache. Sie sind eine sehr subjektive Angelegenheit. Die einen mögen Thomas Müller, die anderen bringt er auf die Palme, die einen finden Heidi Reichinnek super, den anderen ist ihr Social-Media-Game zu viel. Aber auf einen können wir uns doch bitte alle einigen: Einen Mann mit Kochhaube, Schnurrbart und einem etwas entrückten Lächeln, der mit einem langen Messer an einem Dönerspieß herumschneidet.
Die rote Zeichnung auf weißem Grund prangt mit dem ebenfalls legendären Schriftzug „Döner Kebab“ auf beinahe jeder Dönertüte. An diesem Logo hängen so viele schöne Erinnerungen: Döner nach der sechsten Stunde, das letzte Essen nach einer durchzechten Nacht, das wohlverdiente Comfort-Food nach einem stressigen Arbeitstag. Man kann gar nicht anders, als diesen Mann zu lieben.
Umso erstaunlicher ist es, dass dieses Logo – aller Vertrautheit zum Trotz – ein großes Mysterium ist. Denn lange Zeit war der Schöpfer dieses Kulturguts unbekannt. Bis eine Podcasterin kam, um das Rätsel um „den Mann auf der Tüte“ zu lösen. Mehrere Jahre haben die Journalistin Aylin Doğan und ihr Team zu den Ursprüngen dieser Grafik recherchiert und ihre Ergebnisse jetzt in der sechsteiligen Podcast-Serie Döner Papers veröffentlicht.
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Für Rätsel aller Art ist das Medium Podcast lange schon ein beliebtes Forum. Die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette wurde von Podcastern aufgestöbert, True-Crime-Podcasts wie Serial haben es zur Kunstform gemacht, echten Verbrechen eine bisher unbekannte Dimension abzutrotzen, und in Deutschland wurde eine Serie gefeiert, die sich fragte: WTF happened to Ken Jebsen? Insofern ist die Mission, den bisher unbekannten Dönerdesigner zu finden, ein Podcast-Paradeprojekt. Und Döner Papers macht sehr vieles sehr richtig.
Es beginnt bei Aylin Doğan selbst, die als Podcast-Host durch die Folgen und Recherche führt und dabei einen ebenso lustigen wie schnodderig-unerschrockenen Ton anschlägt. Überhaupt begleitet den Podcast eine gewisse Selbstironie, angefangen beim Titel, der mit den spektakulären Enthüllungen der „Panama Papers“ spielt, aber eben auch wörtlich zu verstehen ist. Der Name fällt zuerst in einem Interview mit dem FAZ-Journalisten Jonas Jansen, der selbst mal zur Herkunft des Logos recherchiert hat und sein Wissen großzügig teilt. Jansen sieht so aus, „wie man sich so einen Jonas irgendwie vorstellt“ – liebevoll gemeint, sagt Aylin Doğan. Noch so ein Beispiel für den besonderen Ton, den der Podcast trifft.
NSU, Schicksale von Gastarbeiter:innen: Es geht um mehr als nur Verpackung
Diese Leichtigkeit im Ton bedeutet aber nicht, dass große Themen ausgespart werden. Im Gegenteil. Denn es geht um mehr als bloßes Verpackungsmaterial. Es geht um Themen wie die rassistische Debatte um die „Döner-Morde“, wie die NSU-Taten zunächst genannt wurden. Oder die Geschichte der Gastarbeiter:innen in Deutschland, zu der gehört, wie schlecht sie behandelt wurden und dass eine deutsche Mehrheitsgesellschaft sie in Zeiten der Ölkrise am liebsten wieder fortgeschickt hätte.
Doch es ist eben auch die Erzählung von Menschen, die geblieben und sich in Deutschland – allen Widrigkeiten zum Trotz – etwas aufgebaut haben. Von Fladenbrot-Bäckern, die ihre Brote heute nach London exportieren, und dem „Döner-König“ Remzi Kaplan, der in Berlin eine der größten Döner-Produktionen gegründet hat. Heute führt die Kaplan-Group seine Tochter Belgin Kaplan.
Und ganz nebenbei entwickelt sich aus den Döner Papers auch noch eine Auseinandersetzung um die Frage nach geistigem Eigentum, danach, wie so ein Kultobjekt eigentlich entsteht – und ob es wirklich kapitalistisch verwertbar sein sollte. Bei all diesen Ebenen vergisst man fast, dass es ja eigentlich um die Suche nach dem Döner-Designer geht. Sein Name ist Mehmet Unay. Und so viel sei schon mal verraten: Er ist sehr sympathisch.
Podcasttagebuch
Benjamin Knödler studierte Philosophie und Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und sammelte nebenbei erste journalistische Erfahrungen. Als Product Owner Digital überlegt er, was der Freitag braucht, um auch im Netz möglichst viel Anklang zu finden. Daneben schreibt er weiterhin Texte – über Mieten, Stadtentwicklung und Podcasts