Katherina Reiche war Chefin des Konzerns Westenergie und ist nun Friedrich Merz‘ Wirtschaftsministerin. In dieser Funktion will die CDU-Politikerin, dass die teure deutsche Gas-Infrastruktur nicht überflüssig wird


Es gibt im Leben der Katherina Reiche viele „Einerseits – Andererseits“

Montage: der Freitag; Material: dpa/Getty Image


Dieses Kreuz trägt Katherina Reiche stets mit sich herum. Natürlich auch zu ihrer ersten Regierungserklärung: Silbern glänzte es auf ihrer Brust. „Wirtschaft – das heißt Wohlstand und Sicherheit“, erklärte die neue Bundeswirtschaftsministerin im Deutschen Bundestag. Und dass die Wirtschaft „nach Jahren der Rezession“ jetzt wieder wachsen müsse. „Die Menschen wollen wachsen“, so die 51-jährige Brandenburgerin. Degrowth, Suffizienz – „egal, wie laut diese Stimmen rufen, sie haben keine Mehrheit“.

Man könnte meinen: typisch konservativ. Einerseits. Andererseits lobte Katherina Reiche in ihrer ersten Rede als Bundeswirtschaftsministerin ihren Vorgänger Robert Habeck überschwän

e Katherina Reiche in ihrer ersten Rede als Bundeswirtschaftsministerin ihren Vorgänger Robert Habeck überschwänglich – obwohl es seit langer Zeit für die Bündnisgrünen nur Spott und Häme von der Union gab. Sie dankte Habeck „für diese fast übermenschliche Leistung“. Gemeint ist seine Arbeit nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem damit verbundenen Ende russischer Gaslieferungen. Reiche sagte: „Als Energieversorger auf der anderen Seite haben wir es nicht nur geschätzt – wir haben vertraut, dass Sie das hinbekommen.“Katherina Reiche war Teil von Edmund Stoibers SchattenkabinettEs gibt im Leben der Katherina Reiche viele „Einerseits – Andererseits“. Einerseits ist sie streng gläubig. Andererseits kritisierte die Kirche Reiches liberale Positionen zur Stammzellenforschung. Einerseits wetterte die Mutter dreier Kinder gegen die rechtliche Gleichstellung Homosexueller: „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.“ Andererseits war ihr die Ehe nach der Geburt der ersten Tochter selbst nicht so wichtig.Einerseits hat die Ostdeutsche eine steile Karriere in der CDU hingelegt, 2002 war sie Familienministerin im Schattenkabinett von Edmund Stoiber (nach der Geburt des zweiten unehelichen Kindes bezeichnete der Kölner Kardinal Joachim Meisner diese Nominierung als „Demontage des christlichen Ehebildes“). Andererseits wechselte sie 2015 als Lobbyistin in die Wirtschaft, was damals eine Debatte über den Drehtüreffekt auslöste – und schließlich zur Einführung einer einjährigen Karenzzeit für den Wechsel von Politikern in die Privatwirtschaft führte.Union und SPD wollen bis zu 20 Gigawatt Gaskraftwerks-Kapazität aufbauenZuletzt war Reiche seit 2020 Chefin des Konzerns Westenergie, jener Tochter des ehemaligen Fossilkonzerns Eon, der auch ein 37.000 Kilometer langes Erdgasnetz betreibt. Jetzt nimmt sie große Gehaltseinbußen in Kauf: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat offenbar kein Problem damit, die Erdgasmanagerin in die Politik zurückzuholen – ohne Karenzzeit. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass die neue Ministerin in nahezu jeder Rede die „Versorgungssicherheit“ betont – und auch gleich, wie diese zu gewährleisten sei: Die Regierung müsse „mindestens 20-Gigawatt-Gaskraftwerke“ ausschreiben, nur so ließen sich „bezahlbare Preise“ sicherstellen. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD verabredet, eine Kapazität „von bis zu 20“ Gigawatt bauen lassen zu wollen.Je mehr Wärmepumpen eingebaut und Solardächer errichtet werden, um so weniger wird die Gas-Infrastruktur noch gebraucht. Die Kosten bleiben aber gleich, weshalb auf weniger Kunden steigende Preise kommen. Fast schon folgerichtig ist daher, dass Reiche als Erstes das Habeck’sche Heizungsgesetz kassieren will. Mit bis zu 75 Prozent fördert dieses den Umstieg auf eine Wärmepumpe. Jeder, der umsteigt, zahlt nicht mehr für Gasnetz und Verdichterstationen.Reiche wuchs in Luckenwalde auf und studierte in Potsdam ChemieReiche ist Jahrgang 1973, aufgewachsen in Luckenwalde, einem 20.000-Einwohner-Städtchen südlich von Berlin. In der DDR war Luckenwalde ein wichtiger Industriestandort, Reiche ist nicht das einzige interessante Gesicht von dort: Katja Wissmann ist heute Richterin am Bundesfinanzhof, Enrico Schleiff Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Stefanie Gamp Richterin am Bundesverwaltungsgericht. Geläufiger dürfte „Cindy aus Marzahn“ sein – wie sich die 1971 in Luckenwalde geborene Ilka Bessin nennt.Nach ihrem Abitur 1992 studierte Reiche Chemie in Potsdam. Gleichzeitig wurde sie Mitglied im Landesvorstand der Jungen Union Brandenburg und 1996 Mitglied der CDU. Zwei Jahre später zog sie in den Bundestag ein. 2009 folgte der Posten als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumwelt-, 2013 im Bundesverkehrsministerium. Einerseits. Andererseits kam 2015 überraschend der Wechsel in die Wirtschaft. 2021 wurde Reiche als „Managerin des Jahres“ ausgezeichnet.Bundesministerium für Wirtschaft und Energie statt Bundesministerium für Wirtschaft und KlimaschutzIhre Regierungserklärung begann die 51-Jährige mit dem Satz: „Viel hängt von der Wirtschaft ab.“ Die neue Bundeswirtschaftsministerin meint das nicht als Drohung. Konsequenterweise ist ihr Haus – anders als unter Habeck – nicht mehr für den Klimaschutz zuständig. Dafür hat das Ministerium ein E dazubekommen – für Energiepolitik. In einem ersten Interview erklärte sie: „Wir müssen uns anschauen, ob die Energiewende, so wie wir sie bislang gemacht haben, auf einem richtigen Weg ist.“ Das immerhin sollte als Drohung verstanden werden.Vor Geburt ihres dritten Kindes heiratete Katherina Reiche ihren langjährigen Lebenspartner, den CDU-Landtagsabgeordneten Sven Petke, 2003 dann doch – kirchlich natürlich, im Kloster Zinna im Fläming. Einerseits. Andererseits nimmt es die neue Ministerin mit dem „Bund fürs Leben“ dann doch nicht so genau: Ihr neuer Partner heißt Karl Theodor zu Guttenberg, früher selber mal Bundeswirtschaftsminister. Ihre Beziehung machten die beiden öffentlich, kurz bevor Reiche zur Ministerin ernannt wurde.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert