Die Huthis nutzen ihre strategische Lage am Horn von Afrika für Nadelstiche gegen Israel und westliche Schiffe. Jetzt musste sogar Präsident Trump mit ihnen einen Waffenstillstand schließen.
von Michael Brück
Die Huthis hätten kapituliert, behauptete US-Präsident Donald Trump Anfang Mai 2025 und verkündete nach wochenlangen amerikanischen Luftangriffen einen Waffenstillstand, der zwischen den USA und der Schiiten-Miliz durch Mittelsmänner im benachbarten Oman ausgehandelt worden war.
Der Deal der Huthis mit Trump ist schlitzohrig.
Letzteres stimmt – doch von Kapitulation kann keine Rede sein: Tatsächlich sind die jemenitischen Machthaber in ihrer Macht gefestigt wie nie zuvor. Im schwer zugänglichen Gebirgsmassiv verbarrikadiert und in einer kaum zu greifenden Kleingruppentaktik agierend, sind die Milizionäre ebenso wie ihre zahlreichen Abschussstellungen kaum zu greifen. Lediglich zentrale Infrastruktur, etwa der Flughafen der Hauptstadt Sanaa, konnte zerstört werden.
Der Deal
Die Feuerpause, so Raz Zimmt vom israelischen Forschungsinstitut INSS, wurde ermöglicht durch den Druck der iranischen Schutzmacht auf den Jemen, um die Atomkraft-Verhandlungen mit den USA nicht zu gefährden. Aber das Entgegenkommen der Huthis ist schlitzohrig: Zwar erklärten sie, zukünftig keine Angriffe auf US-Schiffe mehr durchzuführen, um dem Konflikt mit der Trump-Administration aus dem Weg zu gehen. Angriffe auf israelische Schiffe oder Israel direkt wurden von dieser Vereinbarung aber nicht umfasst.
Und wie zum Beweis dieser Tatsache führten die Huthis parallel zur Verkündung des Waffenstillstandsabkommens eine Reihe neuer Raketenschläge auf den jüdischen Staat durch, attackierten unter anderem erstmals den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv, landeten sogar einen empfindlichen Treffer. Der Iron Dome konnte die Geschosse, obwohl sie tausende Kilometer geflogen waren, nicht abfangen. Hazam al-Asad, ein hochrangiger Huthi-Funktionär, zeigte sich hinterher selbstbewusst: «In den letzten zehn Jahren haben wir hunderte Angriffe von den USA und ihren Verbündeten erlebt – auch israelische Angriffe. Doch diese Angriffe, ganz gleich, was sie kosten, werden den jemenitischen Widerstand nicht brechen.» Bisher sieht es so aus, als hätte al-Asad recht.
Mittlerweile haben sie rund 350.000 Kämpfer unter Waffen.
Für die Amerikaner kommt der faktische Rückzug von der Jemen-Front gerade noch rechtzeitig: Alleine der Einsatz ihrer Air Force im März 2025 kostete über eine Milliarde US-Dollar, zuletzt musste sogar der Verlust mehrerer Kampfflugzeuge verdaut werden. Die Kritik in der Öffentlichkeit wuchs stetig. Viele Amerikaner fragten sich, was ihre Army in diesem fernen und vor allem endlosen Konflikt zu suchen hat.
Gefahr im Roten Meer
Schon seit 2004 tobt in dem Wüstenstaat ein blutiger Bürgerkrieg, dessen Entstehung bereits auf die Wiedervereinigung von Süd- und Nordjemen im Jahr 1990 zurückgeht. Seinerzeit fusionierte die sozialistische Demokratische Volksrepublik Jemen mit der Hauptstadt Aden und die feudalistische Jemenitische Arabische Republik mit der Hauptstadt Sanaa zu einem gemeinsamen Staat. Doch erst seit Herbst 2023 geriet das Land wieder stärker in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit: Als Reaktion auf die israelische Aggression gegen Gaza erklärten die Huthi-Rebellen, die sich selbst als Ansar Allah («Helfer Gottes») bezeichnen, dem Netanjahu-Regime den Krieg.
Die ersten Raketenangriffe auf Tel Aviv, die aus über 2.000 Kilometern Entfernung durchgeführt wurden, belächelte der Westen zwar noch, doch eine andere Taktik sorgte für Panik: Angriffe im Roten Meer auf Handelsschiffe, welche die Straße von Bab al-Mandab, ein nur 27 Kilometer schmaler Flaschenhals zwischen Jemen auf der Südseite der arabischen Halbinsel und dem afrikanischen Dschibuti, zur Durchfahrt über den Suezkanal ins Mittelmeer nutzten. Innerhalb kürzester Zeit wurden nicht nur israelische Transporte attackiert, sondern auch Tanker aus Ländern, die mit Israel Handel treiben.
Für die Weltwirtschaft wurden diese Scharmützel zum Problem, viele Reedereien verweigerten die gefährliche Passage und nahmen die deutlich längere und kostenintensivere Alternativroute um das Kap der guten Hoffnung in Südafrika. Zwischenzeitlich explodierten die Fracht- und Containerpreise auf den Weltmärkten um 170 Prozent.
Schon damals dachten die USA, die Schiiten-Miliz mit einer Welle von Bombenangriffen einschüchtern zu können: Anfang Januar 2024 starteten die Amerikaner, unterstützt durch Großbritannien, Australien, Kanada, die Niederlande und Bahrain, massive Luftangriffe. Das Ziel: Die Fähigkeit der Huthis, weiterhin Ziele im Roten Meer anzugreifen, zu beeinträchtigen. Der damalige US-Präsident Joe Biden übernahm persönlich die Verantwortung für den Militärschlag, während der UN-Weltsicherheitsrat die westliche Aggression verurteilte. Offenbar ganz gegensätzlich zu den Erwartungen zeigten sich die Angegriffenen jedoch überhaupt nicht beeindruckt, sondern setzten ihre Attacken unbeirrt fort. Die Amerikaner und ihre Verbündeten scheiterten, das Ziel der Offensive wurde verfehlt.
Trump gegen Netanjahu
«Entfernen sich die USA und Israel weiter voneinander? In den vergangenen Tagen häuften sich die Nachrichten, dass US-Präsident Donald Trump Entscheidungen bei seiner Nahost-Politik trifft, ohne israelische Interessen in Erwägung zu ziehen oder sich mit der Regierung in Jerusalem zu beraten. (…) Der US-Präsident sei entschlossen, eine strategische Vereinbarung voranzutreiben. ”Das Waffenstillstandsabkommen mit den Huthi ist nur der Anfang. Wenn Jerusalem nicht aufwacht, wird auch der Deal des Jahrtausends {mit Saudi-Arabien} ohne Israel abgeschlossen”, sagte der {US-}Beamte und fügte hinzu: ”Wir hoffen, dass Israel auf diesen historischen Zug aufspringt, der bereits abgefahren ist.”» (Jüdische Allgemeine, 10.5.2025)
Dabei hätte der Westen wissen können, dass es derzeit kaum einen hartnäckigeren Gegner als die Huthis gibt: Schiitische Krieger, die seit 2015 von rund einem Dutzend Staaten bekämpft wurden, trotzdem die Hauptstadt Sanaa eroberten und zuletzt ihre Macht durch das Überlaufen zahlreicher zuvor gegnerischer Milizen weiter ausbauen konnten. Mittlerweile haben sie rund 350.000 Kämpfer in ihren Reihen. Während ihnen, Zaiditen einer schiitischen Glaubensrichtung, lediglich die Schutzmacht Iran beisteht, haben sich in der von Saudi-Arabien aufgebauten Anti-Huthi-Koalition, welche die Gegenregierung von Abed Rabbo Mansur Hadi unterstützt, zahlreiche Staaten der Region zusammengefunden. Bahrain, Kuwait, Ägypten, Jordanien, Sudan und der Senegal versuchen, die erfolgreichen Emporkömmlinge militärisch zu besiegen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko und Qatar waren zeitweilig ebenfalls Teil der Allianz, haben sich jedoch zwischen 2017 und 2019 aus dem Konflikt zurückgezogen. Als wäre das Kräfteverhältnis nicht einseitig genug, werden die Huthi-Gegner noch durch die genannten westlichen Großmächte logistisch unterstützt – und eben auch militärisch, wie bei den Angriffswellen 2024 und 2025. Trotzdem gelingt es ihnen nicht, Erfolge zu erzielen, im Gegenteil. Selbst eine Großoffensive auf die wichtige Hafenstadt Hodeidah, zu der 80.000 Soldaten unter Führung der vom Westen und Saudi-Arabien unterstützen Gegenregierung angetreten sind, konnte bisher keinerlei Fortschritte erzielen.
Angesichts dieser Zähigkeit verwundert es kaum, dass Israel, trotz nunmehr seit anderthalb Jahren andauernden Raketenbeschusses aus dem Jemen, vor einer Bodenoffensive zurückschreckt und lediglich gelegentliche Luftangriffe als Racheaktion fliegt, um damit bereits an seine Grenzen zu stoßen. Während seine Kampfflugzeuge im Konflikt mit der libanesischen Hisbollah-Miliz nur ein paar Minuten zu ihren jeweiligen Zielen brauchten, sind sie in Richtung Jemen über Stunden unterwegs, weshalb die Planung von Einsätzen «ausgesprochen anspruchsvoll» ist, so der israelische Sicherheitsexperte Ari Heistein vom Counter Extremism Project. Ein Einmarsch in den Wüstenstaat – und dann noch ein Bodenkrieg in 2.000 Kilometer Entfernung – wäre ein weitaus größeres Risiko als die Invasion im Südlibanon oder in Gaza.
Siegesfeiern in Sanaa
Längst besitzen die sogenannten Helfer Gottes eine überregionale Strahlkraft und sind, nicht erst seit dem islamistischen Putsch gegen Baschar al-Assad in Syrien im Dezember 2024, der aufsteigende Stern der sogenannten Achse des Widerstands, die einst von Teheran als Gegengewicht zu Israel, aber auch zu den IS-Terrorbanden gegründet wurde. Als die Huthis im März 2025 zu einer großen Solidaritätskonferenz mit dem palästinensischen Volk luden, zeigten sich namhafte Gäste aus der gesamten arabischen Welt, aber auch der bekannte US-Journalist Jackson Hinkle, der vor zehntausenden Menschen auf den Straßen von Sanaa sprach und wie ein Popstar gefeiert wurde.
Bilder, die um die Welt gingen und den westlichen Aggressoren verdeutlichten: Jede Intervention im Jemen wird verlustreich. Jüngst warnte auch Constantin Grund, Leiter des zuständigen Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, vor einer Bodeninvasion, die einem «Himmelfahrtskommando» gleichen würde. Das Risiko tausender getöteter Soldaten in einem Land, das ein Großteil der Menschen außerhalb des arabischen Raums nicht einmal kennt, wird in absehbarer Zukunft wohl kein westlicher Staatschef eingehen wollen.
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