Als Frau sollte man nicht freiwillig Care-Arbeit übernehmen, das hat unsere Autorin in der Schule gelernt. Doch ein Besuch in der Männer-WG ihres Freundes bringt ihr Weltbild ins Straucheln
Putzen und Aufräumen hat kein Geschlecht
Foto: Megan Ruth/unsplash
Als ich noch zur Schule ging, erzählte eine Lehrerin uns im Unterricht eine Geschichte aus ihrem Leben. Sie machte das mit einem gewissen Pathos, ich versuche mich hier kurz zu fassen. Die Geschichte ging ungefähr so.
Sie und ihr Freund waren auf einem Roadtrip. Er fuhr (sein Auto), sie saß auf dem Beifahrersitz. Mussten sie tanken, kümmerte er sich darum. Weil sie sich nützlich machen wollte, putzte sie in der Zeit die Fenster. So ging das eine Weile. Aus irgendeinem Grund waren die Fenster eines Tages total verschmutzt. Sie fuhren also wieder zur Tankstelle.
Als sie ankamen, blieben beide sitzen und sahen sich verwirrt an. Sie, weil sie dachte, nun sei er mal an der Reihe. Er, weil er meinte, Fensterputzen sei doch schließlich ihre Aufgabe. Ich verstand die Geschichte als Parabel an uns Mädchen. Der Tipp meiner Lehrerin lautete damals: Wir sollten gut aufpassen, welche Arbeiten wir einfach so erledigten, sie könnten zu unseren Aufgaben werden.
Ich denke tatsächlich oft an diese Geschichte, vor allem im Zusammenhang mit Liebesbeziehungen. Wie kürzlich, als ich ein Wochenende zu Besuch in der Männer-WG meines Freundes war. Freitags saß ich in der Küche und sah mir die Fliesen hinter der Küchenzeile an. Es klebte Fett und Tomatensoße an der Wand. Ich griff zum Schwamm. Dann erinnerte ich mich an die Geschichte meiner Lehrerin und legte ihn sofort wieder hin.
Aber die Fliesen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Samstags kratzte ich mit dem Fingernagel daran, um einen Eindruck von der Konsistenz zu bekommen. Sonntagvormittag wurde ich unruhig. Ich musste sie einfach putzen. (Meine eigenen Mitbewohnerinnen werden sich an dieser Stelle über meinen Putzeifer wundern. Glaubt mir, ich weiß auch nicht, woher er kam.)
Männer beim Putzen! Welch eine Aussicht
Ich wischte also mit Spülmittel und Kraft gegen Öl und Tomatensoße. Und als die Wand sauber war und sich mein Freund bedankte, wurde ich unsicher. Würden er und seine Mitbewohner das nun als meine Aufgabe wahrnehmen? Hatte ich mich selbst zur Fliesenbeauftragten geschrubbt?
Eine Woche verging und ich kam erneut zu Besuch. In der WG meines Freundes war Putztag. Einer wischte den Boden, der andere scheuerte das Bad, mein Freund kümmerte sich um den Müll. So ging das stundenlang. Mit besagter Geschichte im Ohr hatte ich mir fest vorgenommen, keinen Lappen in die Hand zu nehmen. Also saß ich auf der Couch, hörte Musik und genoss die Sonne, während ich die drei Herren beim Rödeln beobachtete. Als sie mir auch eine Apfelschorle brachten, musste ich mich kurz kneifen. War das ein Traum? Hatte meine Lehrerin ihre Rolle als Passenger-Princess durch das Fensterputzen verspielt, saß ich wie eine Königin auf meinem Thron. Ich schien alles richtig gemacht zu haben.
Ich witzelte noch darüber, ob sich nicht Geld damit verdienen ließe, wenn wir hier eine Webcam aufstellen würden. Livestream-Titel: Männer beim Putzen. Eine Art Entspannungsvideo für Frauen, dachte ich. Dann holte mich das schlechte Gewissen ein. Hätte ich doch mithelfen sollen? Also sprach ich die Mitbewohner auf die Fliesen an. Hatten sie die Tage etwas gemerkt? Ich wollte noch Anerkennung für meine Arbeit aus der vergangenen Woche.
Sie sahen sich um, zuckten ratlos mit den Schultern. Erst war ich enttäuscht darüber, dass sie meine Leistung nicht schätzten. Kurz zweifelte ich sogar daran, nicht gründlich genug geputzt zu haben. Dann kehrte Gelassenheit ein: Wenn sie meine Arbeit nicht einmal wahrnahmen, konnte sie schließlich nicht meine Aufgabe werden!
Super Safe Space
Noelle Konate ist 1994 in München geboren, ausgebildet in Modejournalismus und Medienkommunikation und lernt aktuell an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Für den Freitag schreibt sie im Wechsel mit Saskia Hödl, Leander F. Badura und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.