Karsten Wildberger managte Saturn und Media Markt und ist jetzt Bundesminister für Digitales. Er soll den Staat modernisieren und Verwaltung digital aufsetzen. Ein Porträt des neuen Ministers
Wie Karsten Wildberger sich im Bundeskabinett behaupten kann? Unklar
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Bei seinen ersten Schritten hilft der erfahrene Staatssekretär Thomas Jarzombek und zeigt Karsten Wildberger dessen Platz auf der Regierungsbank. Etwas unsicher wirkt der, klappt erst einmal die dunkle Unterlagenmappe mit dem goldenen Bundesadler auf und sortiert sich. Der eine oder andere Unionsabgeordnete nickt ihm zu, er nickt zurück. Die Hände gefaltet, beobachtet der neue Minister das Geschehen im Bundestag.
Wildberger wirkt nervös, der 55-Jährige wird gleich seine Jungfernrede halten als Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Die Erwartungen sind hoch, Wildberger soll leisten, was über Jahrzehnte nicht gelang: den Staat modernisieren. Ist er ein deutscher Elon Musk? Einer, der nun die Kettensäge auspackt und den Staat rasie
taat rasiert? Oder doch eher ein Gegenentwurf?Wildberger ist, anders als Elon Musk, kein Lautsprecher, so viel steht schon nach wenigen Wochen in der Bundesregierung fest. Wie er sich im Bundeskabinett behaupten kann? Unklar. Aber er ist von Kanzler Friedrich Merz (CDU) persönlich auserwählt worden – sollte also auf dessen Rückendeckung zählen können. Sein Scheitern wäre Merz’ Scheitern. Wildbergers Biografie ist dabei ungewöhnlich für einen Minister.Erst nachdem er zum Minister ernannt wurde, trat er der CDU bei. Bei den Fachpolitikern im Bundestag war er ziemlich unbekannt. In Gießen geboren, im Rheinland verwurzelt, was nicht zu überhören ist: Wildberger will „Fochtschritt“ wagen, braucht „Pachtner“. Er ging auf ein katholisches Gymnasium am Niederrhein und promovierte Ende der 1990er in Aachen zu Festkörperphysik. Dabei ging es um Oberflächeneigenschaften von Materialien für bessere Chipherstellungsverfahren. Wildberger blieb der Forschung immer verbunden, auch wenn er selbst danach Manager wurde: bei Boston Consulting, mehreren Telekommunikationsunternehmen, beim Energiekonzern Eon und seit August 2021 schließlich als Chef von Ceconomy, der Firma, die hinter Saturn und Media Markt steht. Was weiß und was kann so einer als Minister?Er sei Praktiker, habe einst selbst Software entwickelt, sagt Wildberger, als ob er seine persönliche Kompetenz noch unter Beweis stellen müsse. Digitalisierung sei ein langfristiger Prozess. Er sehe darin große Chancen für das Land. Und die Risiken, die könne man beherrschen – wenn man die Technologie beherrsche. Tatsächlich ist Wildberger der erste Minister für Digitalisierung in Deutschland, der mit Fachwissen an die Arbeit geht. Er muss liefern: Deutschland soll für Bürger, für Unternehmen, aber auch Behörden endlich digitalisiert werden. Milliarden Euro hatten Bundes-, Landesregierungen und Kommunen in den vergangenen Jahren in halbgare Lösungen gesteckt – die Ergebnisse aber waren höchstens mau.Was nicht zuletzt an einer Sache liegt: Deutschlands Verwaltung ist föderal organisiert – der Bund ist nur für sehr wenige Dinge allein zuständig. Die Länder lassen sich nur ungern in ihre Zuständigkeiten reinfunken, genauso wie die einzelnen Ressorts im Bund. Was der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorsieht, ist dabei ein Mammutprojekt: „Schritt für Schritt für Schritt“, betonte Wildberger gleich am zweiten Arbeitstag, könne es nur vorangehen.Karsten Wildberger soll digitalisieren und modernisierenVom Innenministerium, dem Digital- und Verkehrsministerium und dem Finanzministerium kommen Zuständigkeiten für lauter Projekte, die bislang alles andere als erfolgreich waren: Eine Art Regierungs-Bad-Bank. Wildberger steht vor der Aufgabe, aus dieser nun Erfolge zu produzieren – dass das kein Spaziergang wird, ist ihm schnell klar geworden. Weshalb er sprachlich auf die Bremse tritt: Zuerst muss das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung den Status der Projekte bewerten.Fachleute sind sich sicher, dass viele davon nicht so weit sind, wie Friedrich Merz das gerne hätte. Aber die Richtung ist vorgegeben: „Online only“ sollen Verwaltungen ihre Dienste im Regelfall anbieten – also ohne Gang zum Amt. Was neue Fragen aufwirft: Werden die Bürger dann digital abgefertigt? Was ist mit jenen, die nicht so online-affin sind? Jenen, die ihre Daten nicht einem Telefon oder Computer anvertrauen wollen? Fragen, die in weiten Teilen gar nicht vom Bund alleine geklärt werden können. Denn der betreibt keine Bürgerämter und Rathäuser.Doch Wildberger soll nicht nur digitalisieren, sondern den Staat insgesamt auf Vordermann bringen. Deshalb ist das Wort Staatsmodernisierung der zweite Teil des Ministeriumsnamens. Die Pläne der Koalition sind groß, und vieles von dem, was erreicht werden soll, würde eine Neuordnung der Bund-Länder-Zuständigkeiten, also eine Föderalismusreform, benötigen.Sobald dafür das Grundgesetz geändert werden muss, braucht es auch die Zustimmung der Linken im Bundestag – Wildberger muss also nicht nur die Länder, sondern auch die Perspektive der Linken mitberücksichtigen. Die beachten den Minister mit einiger Skepsis: Ein Mann aus der Wirtschaft, der ohne Karenzzeit in ein Ministeramt wechselt?Der Manager-Minister Karsten Wildberger hört im Bundestag von der Regierungsbank auch dann aufmerksam zu, wenn die Redner der Opposition sprechen. Etwa, als Sonja Lemke für die Linken vehement ein Eintreten für die Grundrechte durch den Digitalminister fordert. Will Wildberger etwas erreichen, ist die Kettensäge jedenfalls keine Option.