Ihr Post mit einem Pullover, der die Polizei verächtlich macht, löste auch innerhalb der Grünen Entrüstung aus. Nun sagt Jette Nietzard: Eine Entschuldigung hielte sie für „übertrieben“.

Berlin.

Nach dem Eklat um einen Post mit Anti-Polizei-Pullover stellt die Co-Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, weitere Aktionen in Aussicht. „Ich habe noch ein paar andere Pullis im Schrank, Sie dürfen also gespannt sein, über welche Botschaften wir noch diskutieren“, sagte sie dem Magazin „Stern“. 

Nietzard hatte sich auf ihrem privaten Instagram-Kanal mit einem Pullover gezeigt, auf dem das Kürzel „ACAB“ zu lesen war. Es steht für „All Cops Are Bastards“. Zudem trug sie eine Kappe mit der kapitalismuskritischen Aufschrift „Eat the rich“. Viele Grünen-Politiker reagierten empört, einige legten ihr auch den Rücktritt nahe. 

Zurücktreten will Nietzard nicht. Auf die Frage, ob dies das letzte Interview an der Spitze der Grünen-Nachwuchsorganisation für sie sei, sagte sie dem „Stern“: „Da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin bis Oktober gewählt und habe bis dahin einen Jugendverband zu führen. Das werde ich auch tun.“ Die 26-Jährige fügte hinzu: „Mich zu entschuldigen, fände ich übertrieben.“

„Nicht jeder einzelne Polizist ist ein Schwein“

Die Grüne-Jugend-Vorsitzende zeigte sich „überrascht“ vom Sturm der Entrüstung. „Ich wollte nur eine lustige Instagram-Story machen. Jetzt, wo die Aufregung da ist, will ich gerne über meine systemische Kritik an der Polizei sprechen“, sagte Nietzard. Zugleich betonte sie: „Nicht jeder einzelne Polizist ist ein Schwein.“ 

Niezard sagte aber auch: „Viele Menschen, die nicht weiß sind, haben Angst, wenn ein Polizeiwagen vorbeifährt; und nicht mal jede zehnte Frau, die sexuelle Gewalt erfährt, erstattet Anzeige, weil sie Angst hat, dass ihr nicht geglaubt wird. Diese Menschen haben Angst vor einem Staat, der sie schützen soll.“

Schaden sieht Nietzard durch Verhalten der Partei

Deutliche Kritik übte Nietzard an ihrer Partei: Die Partei müsse mal überlegen, was für Konsequenzen sie aus der Wahlniederlage ziehe. „Der Kurs der Mitte ist gescheitert, aber die Reflexion lässt weiter auf sich warten“, beklagte sie. Dass sie ihrer Partei Schaden zugefügt habe, sieht Nietzard  nicht. „Der Schaden entsteht eher durch den Umgang der Bundespartei mit mir. Das bleibt unseren Mitgliedern ja nicht verborgen. Am Ende kann das zur Entfremdung von Partei und Jugendorganisation beitragen“, sagte sie. 

Grüne reagieren schmallippig

Auf Nietzards Interview wollten die Grünen am Samstag nicht reagieren. „Dazu ist aus unserer Sicht in dieser Woche bereits alles gesagt worden“, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur in Berlin

Grünen-Chef Felix Banaszak hatte Nietzards Beurteilung der Polizei „inakzeptabel“ genannt. Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im kommenden Jahr, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidige. 

Nietzard distanzierte sich – ein Stück weit

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte Nietzard zum Parteiaustritt aufgefordert. „Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will“, sagte der Grünen-Politiker, der dem konservativeren Realo-Flügel angehört. Für die Positionen, die Nietzard vertrete, gebe es mit der Linken ein passendes Angebot im Parteienspektrum. 

Nietzard hatte sich ein wenig von ihrer Pullover-Aktion distanziert. Sie „glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, erklärt sie in einem „Stern“-Podcast. Den Pulli besitze sie „als Privatperson“.

Nicht die erste Kontroverse

Es war nicht das erste Mal, dass Nietzard provozierte. So hatte sie nach Angaben von Nutzern zu Silvester in sozialen Medien gepostet: „Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen.“ Der Beitrag war nach Kritik gelöscht. 

Den Rückzug von FDP-Chef Christian Lindner nach dem desaströsen Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl quittierte sie auf X mit den Worten: „Ich freue mich, dass der Mann von @francalehfeldt jetzt kürzer tritt um ihr Karriere und Kind zu ermöglichen“. Parteikollegin Renate Künast kommentierte den Post. „Jette, das ist unsouverän und macht Dich sehr klein“, schrieb sie.

Zu zweifelhaften Belästigungsvorwürfen gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar erklärte Nietzard, die Unschuldsvermutung gelte vor Gericht. „Aber wir sind eine Organisation, und wir sind kein Gericht.“ 

Nietzard kam nach Rücktritt des Vorstands ins Amt

Innerhalb des grünen Meinungsspektrums vertritt die Grüne Jugend traditionell sehr linke Positionen. Wie in anderen politischen Nachwuchsorganisationen schrecken die führenden Köpfe in der Regel nicht vor Kritik am Kurs der eigenen Parteiführung zurück. Dennoch ist die Organisation auch eine Kaderschmiede: Die frühere Parteichefin Ricarda Lang stand einst an ihrer Spitze, ebenso ihr Nachfolger Banaszak. 

Nietzard war gemeinsam mit Jakob Blasel, ihrem Co-Bundessprecher, wie das Führungsamt in der Grünen Jugend heißt, erst Mitte Oktober gewählt worden. Zuvor war der vorige Vorstand zurückgetreten und hatte das mit Entfremdung von den Grünen begründet, bei denen es „mittelfristig keine Mehrheiten (…) für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“. Nietzard erweist sich nun nicht als weniger unbequem – im Gegenteil. (dpa)



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Von Veritatis

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