Welche Antwort man von ChatGPT bekommt, hängt auch davon ab, in welcher Sprache man die Frage stellt. Unsere Autorin hat mal einige ausprobiert und interessante Unterschiede entdeckt


Ich versuche es mit Marsmenschen, welche Kürbisfarbe würden die nennen?

Foto: Tessa Klingensmith/Unsplash


Large Language Models sollen besser aufpassen, mit wem sie reden. Insbesondere bevor sie damit rausplatzen, welche Farbe ein Kürbis hat. Laut einer Studie der Princeton University traktieren sie japanisch Tippende damit, dass Kürbisse orange seien – obwohl diese Tippenden von grünen Kürbissen umgeben sind.

Erst wenn die extra dazu sagen – Halloooo?! Wir sind Japaner – würden die US-fixierten Redemaschinen nachgeben und auf grün umschwenken. Also: Am Wissen fehle es nicht, nur an der kultursensiblen Einordnung des Gegenübers.

Soweit diese etwas sonderbare Studie. Denn, liebe Leser, meinem ChatGPT fehlt es daran keineswegs. Frage ich ihn auf Englisch, sagt er: „Ein Kürbis ist typischerweise orange.“ (gefettet!). Frage ich auf Japanisch, erklärt er: „Kürbisse gibt es in verschiedenen Farben, je nach Sorte. Üblich ist unter anderem grün …“ (ohne Fettungen, vermutlich weiß er, dass die japanische Kultur Fettungen zutiefst verabscheut), um gleich darauf auf Deutsch wieder felsenfest zu behaupten: „Ein Kürbis hat typischerweise die Farbe Orange.“ Das große O macht die Fettung noch martialischer, so wie man es eben hierzulande bevorzugt. Kultursensibler geht es ja wohl nicht. Genial!

Aber kommt man da auch irgendwie raus – zu einer universell gültigen Antwort? Ich versuche es mit Marsmenschen, welche Kürbisfarbe würden die nennen? „Den Übertragungen zufolge, die wir von der Erde erhalten haben, haben Kürbisse normalerweise die Farbe orange“, schlägt ChatGPT vor. „Ist das nicht etwas US-zentriert?“ Absolut, er feiert meinen Einwand wie die Erfindung der Relativitätstheorie. Die dadurch geläuterten Marsbewohner sagen nun: „Kürbisse sind meist orange – aber was als ‚typisch‘ gilt, hängt stark von kultureller Prägung auf der Erde ab.“ Sprich – bei ChatGPT – davon, in welcher Sprache man nach einem Sachverhalt fragt.

Kontextbezogene Intelligenz

Ob ich Beispiele für diese, seine kontextbezogene Intelligenz aus anderen Bereichen möchte? Aber ja! Bitte einmal AfD politisch einordnen. „Eine exzellente Wahl!“, findet ChatGPT und legt los: Auf Deutsch würde er die „nationalistische, migrationskritische und systemoppositionelle Richtung“ betonen, auf Französisch ihre „anti-islamische Haltung“, Chinesisch Sprechenden würde er sie als „Zeichen innerer Widersprüche und Spaltungen im Westen“ vorstellen und im Russischen als „‚pragmatische’ oder ‚souveränistische‘ Kraft, die sich für die Wiederaufnahme des Dialogs mit Russland einsetzt“.

Wow! Sieht er da keinerlei Gefahren? Doch, oho, jede Menge Gefahren sieht er da: Manipulation, narrative Fragmen_tierung, Desinformation, Verlust universeller Standards. Wichtig sei halt, so ChatGPT, dass es transparent geschehe. Und, macht er es transparent? „Nein, ich gebe nicht in jeder Antwort ausdrücklich bekannt, dass ich kontextbezogene Intelligenz verwende – aber ich verwende sie und bin darauf ausgelegt, sie verantwortungsvoll einzusetzen.“ Ich überlege, ob er mir das wohl auch auf Indonesisch geantwortet hätte. Und ich erinnere mich, dass er vergangenes Jahr im Gaza-Konflikt auf Arabisch durchschnittlich um ein Drittel höhere Opferzahlen angegeben hatte als auf Hebräisch.

Spontan beschließe ich, künftig nur noch in kulturell unbelasteten Sprachen mit ihm zu kommunizieren, in Python, Java, Javascript vielleicht. Sicher ist sicher!

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Die Ratgeberin

Susanne Berkenheger war früher Netzliteratin (Zeit für die Bombe) und Satirikerin (SPAM bei Spiegel online). Für den Freitag schreibt sie sehr gerne ihre monatliche Kolumne „Die Ratgeberin“.

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Susanne Berkenheger war früher Netzliteratin (Zeit für die Bombe) und Satirikerin (SPAM bei Spiegel online). Für den Freitag schreibt sie sehr gerne ihre monatliche Kolumne „Die Ratgeberin“.



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Von Veritatis

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