Milliardensummen fließen jetzt in neue, auf die Rüstungsindustrie spezialisierte Fonds. Das Waffen-Investment gilt nun sogar als „nachhaltig“. Welche deutschen Banken mitmischen – und welche sich gegen dieses schmutzige Geschäft wehren

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Ein Sprichwort an den Börsen lautet: „The trend is your friend“. Klar ist inzwischen aber auch, dass diese Weisheit nicht nur für künstliche Intelligenz oder Big-Tech gilt, sondern auch für die Geopolitik. Denn die Überflieger an den Finanzmärkten sind neuerdings Rüstungsaktien, Rüstungs-ETFs oder aktiv gemanagte Themenfonds mit dem Schwerpunkt Rüstung.

Zu erkennen sind diese Produkte an Namensbestandteilen wie „Defence“, „Sicherheit“, „Security“ oder „Verteidigung“. Die Zeiten jedenfalls, in denen Waffen an den Finanzmärkten als verpönt galten, sind vorbei. Von dieser Entwicklung will auch ein bekanntes deutsches Kreditinstitut profitieren. Und ordentlich mitverdienen.

Ein Beis

Von dieser Entwicklung will auch ein bekanntes deutsches Kreditinstitut profitieren. Und ordentlich mitverdienen.Ein Beispiel für den neuen Trend ist der „Wisdomtree Europe Defence UCITS ETF“, ein passiv gemanagter Fonds des internationalen Vermögensverwalters Wisdom Tree. Obwohl erst im März 2025 aufgelegt, kommt der Fonds bereits auf ein Vermögen von 1,4 Milliarden Euro. Anleger können damit erstmals gezielt in die Wertentwicklung der größten europäischen Rüstungskonzerne investieren. Größte Positionen sind: Rheinmetall, Thales, Leonardo und BAE Systems. Wie aus einer Aufstellung der Fachzeitschrift FONDS professionell hervorgeht, gibt es inzwischen sechs solcher auf den Rüstungssektor spezialisierte ETFs mit Vertriebszulassung in Europa. Zusammen verwalteten diese zuletzt rund 6,7 Milliarden Euro. Tendenz steigend. Von diesem Trend wollen freilich auch die Sparkassen profitieren.Dekabank legt den „Deka-Security and Defense“-Fonds aufSo hat die Dekabank, also die Fondsgesellschaft der Sparkassen, im Februar den „Deka-Security and Defense“ aufgelegt, einen Investmentfonds, der weltweit in Unternehmen aus Bereichen wie Rüstung, IT-Sicherheit und Gebäudeschutz investiert. Im Gegensatz zu dem Wisdom-Tree-Produkt ist dieser aktiv gemanagt. Das heißt, hier kümmern sich Fondsmanager aktiv um die Auswahl der Werte und die Zusammensetzung des Fonds. Einer davon ist Manuel Prilipp, der sich mit dem Start des Produkts durchaus zufrieden zeigte. „Für einen Themenfonds sind die ersten beiden Monate wirklich gut verlaufen“, sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. Nach zwei Monaten hatte der Fonds bereits fast 120 Millionen Euro eingesammelt.Die Gründe für den Boom liegen auf der Hand. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine überbieten sich die Staaten der westlichen Welt mit immer höheren Ausgabenversprechen. Bereits beim NATO-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius im Juli 2023 hatten sich die Mitgliedsländer dazu verpflichtet, dauerhaft zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. Im März dieses Jahres beschloss der Bundestag dann ein gigantisches Finanzpaket, das der neuen schwarz-roten Regierung erlaubt, sich für Rüstung nahezu unbegrenzt zu verschulden.Ähnliches findet nun auch auf EU-Ebene statt, wo aktuell zwölf Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, eine „nationale Ausweichklausel“ im Stabilitäts- und Wachstumspakt nutzen wollen, um sich stärker für Rüstung verschulden zu können.Kirchen- und Genossenschaftsbanken protestieren mit einem Positionspapier Parallel dazu findet in der deutschen Fondsbranche auch gerade eine Art „Umwertung aller Werte“ statt. Lange Zeit wurden in den Fondsabteilungen der großen Banken Waffen zusammen mit Kohle, Atomkraft, Tabak, Pornografie und Glücksspiel auf Ausschlusslisten gesetzt, nun aber sollen Rüstungsaktien Bestandteil von Nachhaltigkeitsfonds werden dürfen. Im Dezember vergangenen Jahres haben nämlich der Fondsverband BVI, die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) und der Verband für strukturierte Wertpapiere (BSW) ihr ESG-Zielmarktkonzept überarbeitet. Nun heißt es: „Die Mindestanforderung, Investitionen in Rüstungsgüter auszuschließen, wenn diese mehr als zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens ausmachen, entfällt sowohl für Fonds als auch für Zertifikate und Anleihen.“ ESG steht für „Environment, Social und Governance“ und ist an den Finanzmärkten der Nachhaltigkeitsstandard schlechthin. Produkte mit ESG-Label können auf eine höhere Nachfrage hoffen, was einerseits am besseren Image liegt, andererseits aber auch daran, dass bestimmte Investoren wie Stiftungen oder Kirchen nur in Nachhaltigkeitsprodukte investieren dürfen.In der Fondsbranche haben erste Adressen bereits auf die Änderung reagiert und ihre Anlagerichtlinien überarbeitet. Allianz Global Investors (Allianz GI) etwa teilte kürzlich in einem Kundenbrief mit, dass der bisherige Ausschluss von „militärischer Ausrüstung und Dienstleistungen“ für bestimmte ESG-Fonds gestrichen wird. Die Gegenposition hierzu nimmt die Union Investment ein, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. „Wir investieren nur in konventionellen Fonds in Rüstungstitel, nicht in nachhaltigen Fonds“, hieß es dort zuletzt. Auch die Kirchen- sowie Genossenschaftsbanken sprachen sich in einem Positionspapier gegen die Aufnahme von Rüstungsgütern in ESG-Produkte aus.Verstaatlichung als Antwort auf erste Risse im Geschäftsmodell westlicher Rüstungsunternehmen?Wie lange der Rüstungstrend an den Finanzmärkten noch währt, dürfte vor allem von der weiteren geopolitischen Entwicklung abhängen. Abgesehen davon hat das Geschäftsmodell der westlichen Rüstungsunternehmen inzwischen auch erste Risse bekommen. Bislang nämlich stellen Rheinmetall und Co. vor allem technologisch hochentwickelte Produkte her, die hohe Margen garantieren. Im Ukraine-Krieg haben sich diese nach Darstellung des stellvertretenden Militärattachés der deutschen Botschaft in der Ukraine aber nur als bedingt einsatzfähig erwiesen.Vor allem bei einer weiteren Zuspitzung der geopolitischen Konflikte könnten künftig einfachere und robustere Systeme wie auch wesentlich größere Stückzahlen notwendig werden, sodass manche Kommentatoren inzwischen eine Verstaatlichung der Rüstungskonzerne nicht mehr ausschließen. In der Börsen-Zeitung etwa war zuletzt schon von „einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Rüstungsindustrie inklusive einer sehr viel stärkeren staatlichen Einflussnahme“ die Rede.



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Von Veritatis

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