Am 27. Mai hatte der Generalbundesanwalt Häuser, Wohnungen und Büroräume von Mitgliedern des Vereins „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e. V.“ in Berlin und Brandenburg wegen des Vorwurfs der „Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland“, gemeint sind damit die Donbass-Republiken Donezk und Lugansk, untersuchen lassen und Haftbefehle ausgestellt. Da ein solches Ermittlungsverfahren nach Strafrechtsparagraph 129 nur möglich ist, wenn zuvor das Bundesjustizministerium eine „Verfolgungsermächtigung“ dazu erteilt hat, wollten die NachDenkSeiten wissen, ob Ministerin Stefanie Hubig diesen Schritt gegen einen Verein, der humanitäre Güter an kriegsgeschädigte Zivilisten verschickt, persönlich abgesegnet hat und mit welcher Begründung das Versenden von humanitären Gütern wie Medikamenten und Rollstühlen als „Terrorunterstützung“ bewertet wird. Von Florian Warweg.
Hintergrund
In den Morgenstunden des 27. Mai rückten Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) sowie schwerbewaffnete Spezialkräfte der Berliner Polizei auf Initiative des Generalbundesanwalts aus und durchsuchten mehrere Häuser, Wohnungen und Büroräume in Brandenburg und Berlin, darunter ein Grundstück in Zernsdorf, einem Ortsteil von Königs-Wusterhausen, ein Haus in Wandlitz im Landkreis Barnim sowie das offizielle Vereinsbüro im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain (die NachDenkSeiten berichteten hier).
Wie eine Sprecherin des Generalbundesanwalts erklärte, ging es um den Vorwurf des Sammelns von Geldern und das Organisieren von Gütertransporten in die Donbass-Regionen Luhansk und Donezk. Diese bis Februar 2022 selbsternannten „Volksrepubliken“ und deren „Selbstverteidigungskräfte“ würden von deutschen Sicherheitsbehörden als „ausländische terroristische Vereinigungen“ eingestuft. Daher leitet auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe das Verfahren, denn dieser ist eigentlich nur zuständig bei sogenannten „Staatsschutzdelikten“ wie Mitgliedschaft in einer inländischen oder ausländischen terroristischen Vereinigung, Spionage und Landesverrat. Nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen, der sogenannten „besonderen Bedeutung“ eines Falls, übernimmt die Bundesanwaltschaft Ermittlungen auch bei anderen staatsschutzrelevanten Straftaten. Die Einstufung der Donbass-Republiken als „ausländische terroristische Vereinigung“, deren Vertreter ja auch als Vertragspartner bei Minsk II agierten, ist eine deutsche Besonderheit, die weder die EU noch die Vereinten Nationen so teilen.
Verdachtsberichterstattung ohne jede Distanz
Medial begleitet wurde das Vorgehen mit der entsprechenden Betitelung und Berichterstattung. So titelte etwa der Berliner Tagesspiegel ohne jegliche journalistische Distanz zu der Bewertung der deutschen Sicherheitskräfte: „Prorussische Milizen von Brandenburg aus beliefert: BKA-Razzia gegen Terror-Unterstützer in Berlin und Umland“.
Bei der Tagesschau hieß es zumindest etwas relativierender: „Verdacht der Terrorfinanzierung – Razzia bei prorussischem Verein“.
Der Verein „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe“
Der Verein „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe“ wurde 2015 gegründet und verschickte seitdem humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln, Medikamenten und Materialien zur Selbsthilfe wie etwa Nähmaschinen in die „Volksrepubliken“ im Donbass – und zeitweise auch ins Gebiet der Zentralukraine. Nach Aussagen der Vereinsvorsitzenden Liane Kilinc wurden im Laufe der Jahre 800 Hilfsprojekte im Donbass umgesetzt, darunter, neben der bereits erwähnten Verschickung humanitärer Güter wie Medikamenten, Rollstühlen und Lebensmitteln, die Instandsetzung von Schulen, die Einrichtung von Nähwerkstätten und Kleingarten-Projekte.
Quelle: Friedensbrücke: Verschickung von Medikamenten, Rollstühlen und Kinderwägen durch den Verein
2022 wurde dem Verein nach einer Medienkampagne ähnlich wie bei den NachDenkSeiten der Status der Gemeinnützigkeit entzogen mit Verweis auf „politische Tätigkeiten außerhalb der Satzung“. Zuvor hatten, wie unter anderem die junge Welt berichtet, Reporter des Springerblatts B.Z. dem zuständigen Brandenburger Finanzamt ein Foto vorgelegt, welches Vertreter des Vereinsvorstands mit der Fahne der Volksrepublik Donezk vor einem zivilen LKW mit einem Z-Symbol zeigte. Das besagte Foto reichte scheinbar den Beamten des Finanzamts aus, um dem Verein, dem zuvor schon die Konten aufgekündigt worden waren, die Gemeinnützigkeit zu entziehen.
„Die Freiheit, die sie meinen…“
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 28. Mai 2025
Frage Warweg
Wir bleiben in dem Bereich, gehen aber zum BMJV: Am 27. Mai hat der Generalbundesanwalt Häuser, Wohnungen und Büroräume von Mitgliedern des Vereins Friedensbrücke Kriegsopferhilfe e. V. in Berlin und Brandenburg wegen des Vorwurfs der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland – gemeint sind die zwei Donbass-Republiken Donezk und Luhansk – untersuchen lassen und zwei Haftbefehle ausgestellt. Ein solches Ermittlungsverfahren nach Strafrechtsparagraf 129b ist ja nur möglich, wenn zuvor – so ist zumindest mein Wissensstand – das Bundesjustizministerium Ermächtigungen dafür erteilt hat. Daher die Frage: Kann das BMJV bestätigen, dass die Ministerin diesen Schritt gegen einen Verein, der vor allem humanitäre Güter an kriegsgeschädigte Zivilisten verschickt hat, persönlich so abgesegnet hat?
Dr. Fuchs (BMJV)
Zu dem Verfahren an sich würde ich Sie gerne an die Pressestelle des G-BA verweisen. Die haben sich dazu, soweit ich weiß, geäußert.
Zur Beteiligung des BMJV müsste ich Ihnen die Antwort nachreichen.
Zusatzfrage Warweg
Der Verein hat nach eigenem Bekunden – das sieht man auch auf entsprechenden Bildern und Dokumenten – humanitäre Hilfe, vor allem in Form von Kleidern, Schuhen, Medikamenten, Nähmaschinen zur Selbsthilfe sowie Rollstühlen geleistet. Kann mir das BMJV dann erklären, gern auch als Nachreichung, wieso das Versenden dieser Art von humanitären Gütern von der Ministerin als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet wird?
Dr. Fuchs (BMJV)
Noch einmal zur Klarstellung: Wenn überhaupt, dann ermittelt der Generalbundesanwalt; damit hat die Ministerin nichts zu tun. Das Einzige, was die Ministerin machen könnte, ist eine Ermächtigung zur Strafverfolgung, eine Verfolgungsermächtigung. Da würde ich nachhaken, was da genau passiert ist, wenn etwas passiert sein sollte.
Zusatzfrage Warweg
Aber das muss ja die Justizministerin erteilt haben, und da muss sie irgendwie der Argumentation des General(bundes)anwalts gefolgt sein.
Dr. Fuchs (BMJV)
Ich habe gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Alles andere reiche ich nach.
–Nachreichung (circa 15 Minuten später)–
Dr. Fuchs (BMJV)
Herr Warweg, in der Tat lag eine Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums vor. Ich betone noch einmal, dass das weder etwas mit der Entscheidung, Ermittlungen zu ergreifen, noch mit den Ermittlungen und den durchgeführten Razzien an sich zu tun hat.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 28.05.2025