Jan Gorkow, Sänger von Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern, sieht sich nicht mehr als Teil der linken Szene. Das zeigt sich auf dem neuen Album in vielsagenden Zeilen – und mag mit der Geschichte der Punkband zu tun haben


Hat Sänger Jan Monchi der Band Feine Sahne Fischfilet die Seiten gewechselt?

Foto: Chris Emil Janßen/Imago Images


Als im Jahr 2012 bekannt wurde, dass die Band Feine Sahne Fischfilet im Bericht des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern erwähnt wurde, erkannte diese ihren Moment. Nichts hätte einer wenig bekannten Punkband Besseres passieren können, als offiziell zum linksextremen Staatsfeind befördert zu werden.

Mit einer öffentlichen Aktion bedankte sich die Band im selben Jahr beim Verfassungsschutz mit einem Geschenkkorb für die kostenlose Werbung und Imagepflege. Zudem schien der Fall zu bestätigen, was die Band besang: dass deutsche Behörden am liebsten mit Drangsalierung von Linken und Migrant*innen beschäftigt seien, während rechts ein viel größeres Unheil lauerte. „Nazis morden weiter und der Staat schiebt fleißig ab

gt seien, während rechts ein viel größeres Unheil lauerte. „Nazis morden weiter und der Staat schiebt fleißig ab“, so heißt es im Song In Unseren Augen vom 2012er-Album Scheitern und Verstehen.Lang, lang ist’s her, und an der politischen Situation in Deutschland hat sich unterdessen – wie man es nun sehen mag – alles oder gar nichts geändert. In der vorpommerschen Kleinstadt Jarmen, Heimat von Feine-Sahne-Sänger Jan Gorkow, wählen mittlerweile 54 Prozent die AfD. Was der Verfassungsschutz zu dieser Partei sagt, interessiert die Klientel schon lange nicht mehr.Auf dem neuen Album „Wir kommen in Frieden“ teilen Feine Sahne Fischfilet nicht nur gegen „nationale Jammerlappen“ ausAusgerechnet in diesen Zeiten lässt sich Monchi, so der Spitz- und Künstlername von Gorkow, nun so zitieren: „Ich sehe mich auch gar nicht als Teil von der linken Szene“, so heißt es in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. In der Berliner Zeitung wurde er deutlicher: „Es gibt sicherlich viele Gründe, warum so viele Jugendliche nach rechts abdriften, aber einer ist, dass die Faschos immer mit offenen Armen dastehen und sagen: ‚Come as you are‘. Und bei den Linken heißt es: bloß keine schlimmen Wörter.“Wie PR funktioniert, hat diese Band begriffen. Denn nicht ganz zufällig dürften die Aussagen begleitend zum neuen Album Wir kommen in Frieden auftauchen. Darauf teilt die Gruppe aus, gegen „nationale Jammerlappen“, aber auch so: „Für Menschenrechte, Klimafrieden, gegen Nazis, und alles Schlechte. Supernova, Massenmord im Sonnenschein, bequem im Szenekiez, Queers for Palestine“ (Awarenesskonzept), „Stabile Spinner auf den Straßen träumen vom Kalifat, und die Zecken sind nur im Selbstzerstören stark“ (Endlich auf Reise).Die dubiosen Vorwürfe gegen Sänger Monchi und einzelne Antifa-Boykott-Aufrufe gegen die BandBemerkenswerte Zeilen für eine Band, die für einen Teil der linken Subkultur durchaus als prägend gelten darf. Klingt hier eine „Anti-Woke“-Rhetorik durch, die auch in rechten Lagern prominent ist? Nazis morden weiter – und ihr gendert?Skepsis aus linken Szenen gegenüber Feine Sahne Fischfilet gab es zuvor gelegentlich, einen Bruch dürften aber die 2022 gegenüber Jan Gorkow erhobenen Vorwürfe des Sexismus und sexuellen Machtmissbrauchs darstellen. Konkrete Fälle wurden nicht bekannt, einige vermuteten sogar eine vorgetäuschte Aktion aus dem rechten Lager. Die Band bemühte sich nach eigenen Aussagen um Aufarbeitung. Am Ende half eine staatliche Institution den einst als Staatsfeinden verbrämten: Laut Landgericht Stralsund seien die Vorwürfe als Verleumdung zu betrachten.Bis heute rufen aber Antifa-Gruppen dazu auf, Shows der Band zu boykottieren oder abzusagen – erst kürzlich vor einem Konzert in Wien. Dem Erfolg der Gruppe schadete die Kontroverse aber höchstens kurzzeitig, ihre Shows sind regelmäßig ausverkauft.Bleibt zu fragen: Wechselt hier eine Band aus Enttäuschung darüber, von der politischen Heimat verstoßen worden zu sein, schleichend die Seiten? Oder gibt es eine linke Sphäre zwischen Szene-Sprech und antifaschistischer Handarbeit, die kulturell erschlossen werden möchte?„Sie treten mich zu Boden, gehe ich heute drauf?“, fragt Monchi sich selbst im neuen Song 15 Jahre, in dem er davon erzählt, wie er als Jugendlicher rechte Gewalt erlebte. In der Tat: Mit herausgeschlagenen Zähnen lässt sich über die richtigen Wörter schlecht streiten. Aber Wörter sind es auch, die zum Zuschlagen ermutigen.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert