Ferda Ataman stellte am Dienstag in der Bundespressekonferenz den neuen Antidiskriminierungsbericht des Bundes vor. Dabei schlägt Ataman wegen steigender Beratungs- und Beschwerdezahlen bei der Antidiskriminierungsstelle Alarm. Doch wenn man die Zahlen näher betrachtet, zeigt sich, dass bereits der flirtende Blick eines Kollegen als sexuelle Belästigung gewertet werden kann.
Letztes Jahr haben sich demnach 11.405 Personen an die Antidiskriminierungsstelle gewandt – so viele wie nie zuvor. Gegenüber 2023 ist die Zahl damit um zehn Prozent gestiegen, gegenüber 2019 hat sie sich fast verdreifacht. Noch vor sechs Jahren gab es nämlich nur 4.247 gemeldete Fälle. Obwohl 43 Prozent der Anfragen letztes Jahr wegen Rassismus gestellt wurden, legt der Bericht einen Fokus auf Diskriminierung wegen des Geschlechts.
24 Prozent der Beratungsfälle waren demnach wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung. Ein Drittel aller verschiedenen Diskriminierungsfälle sollen rund um den Arbeitsplatz geschehen sein. Im vorherigen Jahr gab es 2.133 Anfragen wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung. Darunter versteht die Antidiskriminierungsstelle etwa, dass Frauen weniger Lohn bekommen würden, dass sie wegen einer Schwangerschaft benachteiligt würden und Sexismus.
Sexismus wird dabei wie folgt definiert: „Jede sexualisierte Verhaltensweise, die von einer betroffenen Person unerwünscht ist, gilt nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz als sexuelle Belästigung“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Es geht nicht darum, ob sie ‚beabsichtigt’ war, sondern darum, ob die Würde der belästigten Person verletzt wurde.“ 2024 gab es mit 351 Fällen drei gemeldete Fälle mehr von sexueller Belästigung als 2023 – also ein marginaler Anstieg.
Erstmals wurde eine Handreichung seitens der Antidiskriminierungsstelle veröffentlicht, die Arbeitgeber über ihre Pflichten und Arbeitnehmer über ihre Rechte bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz informieren soll. Es gab außerdem 388 Fälle, in denen Trans-Personen Fälle von Diskriminierung aufgrund ihrer vermeintlichen Geschlechtsidentität meldeten. 2019 gab es 133 Fälle, die Zahl hat sich also etwa verdreifacht. Dabei fließen jedoch etwa wohl auch Fälle ein, bei denen Trans-Personen bewusst mit den von ihnen nicht bevorzugten Pronomen angesprochen wurden, wie aus dem Bericht folgt.
Die Antidiskriminierungsstelle moniert außerdem: „Maßnahmen für Geschlechtergerechtigkeit werden wieder vermehrt infrage gestellt. Bisher erzielte Fortschritte haben Gegenreaktionen ausgelöst, die sich vor allem gegen Frauen- und LGBTIQ-Rechte richten.“ Extreme Rechte würden das befeuern. Als Beleg für diese Aussage wird auf einen Bericht der Amadeu-Antonio-Stiftung verwiesen.
Weiter heißt es in dem Jahresbericht: „Die vermeintlich harmlose Rückbesinnung auf ‚traditionelle‘ Geschlechterrollen zielt oft auf eine Einschränkung der Rechte und Freiheiten ab, die Frauen und LGBTIQ-Personen in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben“.
Außerdem fordert die Antidiskriminierungsstelle mehr Kompetenzen, weil ihre Arbeit nicht den EU-Standards entsprechen würde. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes übernimmt die Funktion von „Equality Bodies“ (Gleichbehandlungsstellen) der EU. Die EU hat 2024 zwei Richtlinien gegen Diskriminierung erlassen, die Mindeststandards vorschreiben. Wie diese in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgelegt werden, ist Sache der Länder.
Die deutsche Stelle fordert mehr Kompetenzen, was die Verwendung finanzieller Mittel und die Auswahl des Personals angeht. Die Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen müsse gestärkt werden. Außerdem will die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein eigenes Klagerecht. Personen sollen vor Gericht unterstützt werden können.
Als Highlight aus dem Jahr 2024 wird das Projekt „fair@school – die Respekt-Challenge“ vorgestellt. Drei von 280 eingereichten Projekten wurden als Gewinner ausgewählt, alle Sieger erhalten 3.000 Euro. Der Wettbewerb wurde 2017 zum ersten Mal veranstaltet und wird von der Antidiskriminierungsstelle organisiert. Unter den Gewinnern 2024 ist auch die „Rassismussensible Schule“ an der Weiherberg Grund- und Werkrealschule in Pforzheim.
Gleich zu Beginn eines Wettbewerbsvideos der Schule sagt der Schülersprecher: „Rassismus gibt es an jeder Schule. Überall.“ Die Lehrerinnen und Lehrer verwenden unterdessen konsequent die Gendersprache. Sie veranstalten Fortbildungen für die anderen Lehrer an der Schule. Im Rahmen des Projekts gab es auch einen Iftar-Abend (das traditionelle muslimische Fastenbrechen während des Ramadan, Anm. d. Red.) und einen Moscheebesuch. Des Weiteren gab es Kunstprojekte zum Thema Rassismus, wie eine Lehrerin sagt.
Der Antidiskriminierungsbericht zeigt zwar steigende Fallzahlen, wägt aber keine Argumente ab, ob ein Erlebnis tatsächlich als Diskriminierung anzusehen ist oder ob es nur als Benachteiligung wahrgenommen wird.