Donald Trump und Elon Musk liefern sich eine öffentliche Fehde. Musk bringt sogar die Epstein-Files ins Spiel. Doch worum geht es wirklich im Zerwürfnis der zwei mächtigsten Männer der USA? Die Antwort ist größer – und politisch brisanter
Elon Musk ist angeschlagen, auch wegen seines Streits mit Donald Trump
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Zwei narzisstische große Egos: Wie lange mag das gutgehen? Diese Frage in Bezug auf das Verhältnis von Donald Trump und Elon Musk, der vom neuen US-Präsidenten mit der Leitung der Kürzungsbehörde DOGE (Department of Government Efficiency) betraut worden war, stellte sich von Anfang an. Jetzt ist die Bromance zerbrochen und die Welt witterte das Entertainment einer Schlammschlacht mit wechselseitiger Zerstörung. Vorhersehbar war, dass die beiden Alphatiere nicht in der Lage sein würden, sich zurückzuhalten. Dabei gerät allerdings in Vergessenheit, dass die Causa Musk am Ende doch nur die überwältigende, korrumpierende Bedeutung des großen Geldes in der Politik unterstreicht und als solche zu behandeln wäre.
So oder so: Der reic
überwältigende, korrumpierende Bedeutung des großen Geldes in der Politik unterstreicht und als solche zu behandeln wäre.So oder so: Der reichste Mensch der Welt, der sich als nietzscheanischer Übermensch und in Empathie die größte Schwäche des Menschen sieht, trat sein DOGE-Amt mit dem Ziel an, zwei Billionen US-Dollar an Staatsausgaben zu kürzen. Viele Zehntausend Beschäftigte im öffentlichen Dienst wurden im Rahmen einer auch groß angelegten politischen Säuberung entlassen. Zwischenzeitlich war sogar die Wartung der US-Atomkräfte und des US-Atombombenarsenals nicht mehr zu gewährleisten. Trotzdem blieb Musk hinter seinen Zielen zurück und reduzierte das avisierte Ziel auf eine Billion US-Dollar. „Der einfachste Weg, Geld in unserem Haushalt zu sparen, Milliarden und Abermilliarden an Dollars“, schrieb Trump nun auf Truth Social, sei es, „die ganzen Subventionen und Aufträge, die Elon vom Staat erhält, zu beenden. Ich war immer überrascht, dass Biden das nicht gemacht hat.“ Der Bruch sei erfolgt, als Trump angekündigt hatte, die Fördermittel für Elektroautos zu streichen, die einem Kaufzwang gleichkämen. Musk sei daraufhin „AUSGERASTET“, obwohl er von diesem Vorhaben schon monatelang gewusst habe. Musk revanchierte sich mit einem Tweet, in dem er erklärte: Nach Trumps Ankündigung würde sein privater Raumfahrtkonzern, auf den mittlerweile die NASA angewiesen ist, sein Raumfahrzeug „Dragon“ mit unmittelbarer Wirkung zurückziehen.Placeholder image-1Auch ging Musk selbst in die Offensive: Es sei „an der Zeit, die große Bombe platzen zu lassen“: Trump werde in den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen dokumentierenden „Epstein files“ erwähnt. Dies sei der „wahre Grund, warum sie nicht öffentlich gemacht worden“ seien. Und Musk schloss den Tweet mit: „Have a nice day, DJT!“Was hat es damit auf sich, wenn der reichste Mann der Welt und US-Präsident Donald J. Trump in dieser Weise aneinandergeraten? Geht es hierbei auch um Interessen? Oder wenigstens um politische Differenzen?Wegen eines Trumps Gesetzes werden 10,9 Millionen US-Amerikaner bis 2034 ihre Krankenversicherung verlierenDer Zweikampf steht im Kontext mit Trumps großem Gesetzespaket. Da es viele Komponenten vereint, über die gemeinsam abgestimmt werden sollte, hat Trump es seine „Big Beautiful Bill“ genannt. Musk hingegen befindet, das Gesetz könne entweder „groß“ oder „schön“ sein, aber nicht beides. Auch sprach er von einer „Missgeburt“ und dem „Schuldknechtschaftsgesetz“ und forderte: „Kill the Bill“.Die Gesetzesvorlage, die am 22. Mai schon mit den Stimmen der Republikaner vom Repräsentantenhaus verabschiedet worden ist und nun noch den Senat passieren muss, beinhaltet wesentliche steuerpolitische Maßnahmen. Musks Kritik ist, dass das Gesetz die Staatsverschuldung anheizen werde. Er argumentiert aus einem utopischen Marktradikalismus, der am liebsten gar keinen Staat mehr sähe. Davon ist Trump nicht frei. Er träumt ebenfalls nachts von regulationsfreien „Freedom Cities“, in denen der Markt jenseits von Gewerkschaften, Tarifkonflikten, Arbeitsschutz- und Umweltauflagen seine wundersame Wirkung entfaltet.Sein Versprechen: Die USA werden das fliegende Auto erfinden und weltweit vermarkten. Eigentlich müsste also auch Musk mit dem Gesetz zufrieden sein. Trump hatte in seiner ersten Amtszeit die Unternehmenssteuern von 37 auf 21 Prozent gesenkt und den Spitzensteuersatz von 39,6 auf 37,0 Prozent. Im Wahlkampf hatte er angekündigt, die Kapitalbesteuerung noch weiter auf 15 Prozent zu senken. Die damaligen Steuersenkungen, die temporär waren, sollen nun auf Dauer gestellt werden.Zugleich sollen radikale Sozialkürzungen erfolgen. Sie betreffen insbesondere „Medicaid“, die von Lyndon B. Johnson in seinem „War on Poverty“ eingeführte öffentliche Krankenversicherung für die extrem Armen. Das Congressional Budget Office, die Haushaltsbehörde im US-Parlament, hat berechnet, dass Trumps „Big Beautiful Bill“ dazu führen wird, dass 10,9 Millionen US-Amerikaner bis 2034 ihre Krankenversicherung verlieren werden. Das müsste auch Musk und der Klasse der Milliardäre schmecken. So wie auch die Entsagung jedweder Regulierungen der KI-Risiken den Silicon Valley-Techkonzernen gefällt, die unter Trump einen Blockwechsel weg von den Demokraten zu den Republikanern vollzogen haben. Warum also Musks Unmut?Auf die USA kommen Steuereinnahmeverluste in Höhe von 3,7 Billionen US-Dollar zuDieser bezieht sich nicht nur auf die Kürzungen der Elektroauto-Fördermittel in Bidens „Inflation Reduction Act“, sondern auf andere Berechnungen der Haushaltsbehörde. Sie erwartet nämlich, dass die Trumps gigantische Steuersenkungen für Konzerne und Milliardäre auch zu Steuereinnahmeverlusten in Höhe von 3,7 Billionen US-Dollar und entsprechend einer Erhöhung der US-Schuldenlast führen werden. Dem Marktradikalen Musk wäre es lieber, die Kürzungen bei den Armen würden mit den Geschenken an die Superreichen wenigstens ausgabenneutral verlaufen.Trumps Gesetz ist indes logisch. Dazu gehört zum einen, dass als Ausnahmen deklarierte Steuersenkungen zur Ankurbelung der Konjunktur in dauerhafte Geschenke umgewandelt werden. Im Streit um die Schuldenobergrenze hatte schon Barack Obama Lehrgeld bezahlt, als die Republikaner ihre Zustimmung zu deren Erhöhung an Obamas Einwilligung knüpften, die nach 9/11 von George W. Bush als Notfallmaßnahme zur Bekämpfung der damaligen Rezession beschlossenen Steuersenkungen für die Reichen auf Dauer zu stellen.Zum anderen steht Trump am Ende des Tages in der klassisch-rechten Tradition der Politik des „starving of the beast“. Diese bezeichnet das kalkulierende Überziehen des Staatshaushalts durch klientelistische Geschenke – im Regelfall an Kapital und Superreiche –, um nachfolgenden linken Regierungen dann eine Politik gegen ihre eigene Wählerschaft und Weltanschauung aufzuzwingen. Schon Trump 1.0 versprach, dass seine Steuersenkungen sich selbst refinanzieren würden. Auch mithilfe der Zollpolitik sollte ein ausgeglichener Staatshaushalt erreicht werden. Das war schon damals ein teures Märchen. Am Ende verdoppelte Trump annähernd das Haushaltsdefizit von 585 Milliarden US-Dollar auf 1,1 Billionen. Und die Staatsverschuldung wuchs unter ihm um 39,1 Prozentpunkte. Die Suppe sollte Biden auslöffeln, der aber immerhin versuchte, nicht in die Falle zu tappen, in die vor ihm Obama getappt war. Der globale Westen verliert an Macht Indes ist der von der Haushaltsbehörde prognostizierte Anstieg der Staatsverschuldung auch nicht unproblematisch. Die USA sind zwar nicht Griechenland oder Italien, die die Bankenrettungen während der globalen Finanzkrise mit einem Anstieg der Staatsverschuldung, Problemen ihrer eigenen Refinanzierung auf den internationalen Finanzmärkten und massiver Kapitalflucht in dreistelliger Milliardenhöhe nach Deutschland bezahlten. Die USA hingegen konnten sich in der Vergangenheit ihre ausufernde Staatsverschuldung genauso leisten wie ihr wachsendes Leistungsbilanzdefizit, das Trump jetzt abzubauen gedenkt. Eine Staatspleite stand nicht zu befürchten. Dies hat damit zu tun, dass die USA bislang eine Sonderstellung in der Weltwirtschaftsordnung innehatten – jener Ordnung also, die sie als einziger wirklicher Sieger im Zweiten Weltkrieg und absolut dominante Wirtschaftsmacht nach 1945 im Interesse ihrer expansiven Konzerne schufen. Zu dieser Ordnung gehörte der Dollar als Welthandelswährung.Placeholder image-2Doch das System ändert sich gerade. Zwar hat China nicht vor, den Dollar als Weltwährung zu beerben. Trotzdem gibt es – beschleunigt durch den Ukrainekrieg – Ansätze zu einer Entdollarisierung. Dieser Prozess gehört zur allgemeinen Verschiebung des Zentrums der Weltwirtschaft von Norden und Westen nach Süden und Osten. Die Vorherrschaft der USA und des „Westens“ geht zu Ende. Und die Kreditratingagenturen reagieren längst und haben die Bonität des US-Staats, also die Zahlungsfähigkeit der USA, infrage gestellt und abgewertet. Insofern ist die von Trump geplante Erhöhung der Staatsschulden nicht mehr so unproblematisch für das Land, wie es vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre.Aber die „Big Beautiful Bill“ des US-Präsidenten ist noch aus einem weiteren Grund riskant.Durch das Gesetz könnte sich auch die Arbeiterklasse gegen Trump wendenMittlerweile reicht der Widerstand gegen Trump über die Demokraten und die Linke hinaus. Unter den Repulikanern teilt er sich auf in zwei Gruppen: Einmal gibt es diejenigen Republikaner, die im Kern Musks marktradikalem Wahn folgen (wie der Senator Rand Paul). Hierneben gibt es aber auch noch diejenigen moderaten Republikaner, die Angst haben, ihre Wählerbasis durch die Kürzungen bei Medicaid, der Krankenversicherung für die arbeitenden Armen, zu verprellen. Hierzu gehören Republikaner in traditionell eher demokratisch-geneigten, liberalen Staaten, aber auch Lisa Murkowski aus Alaska, die jüngst mit einem Video für Aufregung sorgte, in dem sie das Klima der Angst kritisierte, das Trump geschaffen hat.Die Gefahr, die weiße und zunehmend auch nicht weiße Arbeiterklasse, die ihn gewählt hat, zu verlieren, ist groß. Eigentlich hat Trump seiner proletarischen Basis nichts anzubieten. Und ihm droht der Widerstand der erstarkenden Sanders-Demokraten. Bernie Sanders ist zusammen mit Alexandria Ocasio-Cortez auf Tour durchs ganze Land, Parole: „Kampf der Oligarchie“.Sanders kommentierte Musks Kritik an der „Big Beautiful Bill“ richtig: „Wenn Musk und seine Kumpels sich so um die wachsende Staatsverschuldung sorgen, die mit Trumps Big Beautiful Bill verbunden ist, warum streichen sie dann nicht die 664 Milliarden US-Dollar Steuersenkungen für die oberen ein Prozent, die 420 Milliarden US-Dollar an Steuersenkungen für die großen profitablen Konzerne und die 150 Milliarden US-Dollar in zusätzlichen Rüstungsausgaben?“.