330 homosexuelle und transsexuelle Afghanen sitzen in Pakistan fest und hoffen auf eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland. Sie hatten sich auf Anraten des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD) auf den Weg nach Pakistan gemacht, obwohl es keine Aufnahmezusage seitens der deutschen Regierung gab. Der LSVD erhebt gegenüber dem Innenministerium nun den Vorwurf, dass das Vorgehen mit dem Ministerium abgestimmt gewesen sei, wie Welt berichtet.
In den Regularien des Bundesaufnahmeprogramms heißt es: „Die Aufnahme erfolgt grundsätzlich aus Afghanistan.“ Eine Lesart besagt, dass der Schutzanspruch verwirkt wird, wenn das Aufnahmegesuch aus einem anderen Land heraus gestellt wird. So sah es die Regierung unter Scholz und so sieht es die Regierung unter Merz. Daher wurden die Anträge der 330 Afghanen nicht bearbeitet.
Die Kosten für die Unterkunft der Afghanen in Islamabad trägt der LSVD selbst. Im Monat soll das eine sechsstellige Summe kosten. Das Geld kommt laut Welt größtenteils von einer Partner-NGO in Nordamerika. LSVD-Vorstandsmitglied Jörg Hutter sagt, dass fast alle der homo- und transsexuellen Afghanen in psychischer Behandlung seien und es angesichts der ungewissen Situation Suizidversuche gegeben habe.
„Mehrfach und auf Nachfrage haben uns BMI-Mitarbeiter bestätigt, dass wir unsere gefährdeten Leute bereits nach Islamabad bringen können, ohne dass sie eine Aufnahmezusage haben“, sagt Hutter. Es habe „ständige“ virtuelle und hybride Gespräche mit dem Bundesinnenministerium und anderen Ministerien gegeben. Allerdings gibt es keine schriftliche Zusage seitens des BMI, dass die Afghanen schon vor Aufnahmezusage nach Islamabad können, wie Welt schreibt.
Der Jurist Tilmann Röder, der Chef der „Koordinierungsstelle“ des Bundesaufnahmeprogramms war, sagt zu Welt, dass registrierte Afghanen selbstständig nach Islamabad reisen können, ohne den Schutzanspruch zu verlieren. Auch Eva Bayer von der „Luftbrücke Kabul“ bestätigt, dass es eine gängige Praxis sei, dass „Menschen danach tatsächlich nach Deutschland durften“, wenn sie zuvor ohne Aufnahmezusage nach Pakistan gereist waren.
Der namentlich nicht genannte Mitarbeiter einer Bundesbehörde nennt sogar den Namen jener Referatsleiterin im Innenministerium, die mehrfach die Zusagen für Weiterreisen nach Islamabad gegeben haben soll, auch wenn keine Aufnahmezusage vorlag. Es könnte also sein, dass die Bundesregierung die Fälle der trans- und homosexuellen Afghanen prüfen müsste.
Das BMI äußert sich gegenüber Welt zu den vermeintlichen Aussagen der Referatsleiterin nicht. Ein Sprecher des Innenministeriums teilt lediglich mit, dass man den Nichtregierungsorganisationen keine „Zusicherungen“ gegeben habe, „dass sich das BMI allen von den NGOs vorgeschlagenen Personen annehmen“ werde. Der LSVD überlegt nun, gegen die Bundesregierung juristisch vorzugehen.
Jurist Röder sagt: „Die Ressorts haben in der Aufnahmeanordnung ganz bewusst formuliert, dass Aufnahmen ‚grundsätzlich‘ aus Afghanistan erfolgen, damit dies ausnahmsweise auch aus Drittländern möglich ist.“ Seiner Auffassung nach gelte das auch für Aufnahmegesuche aus Pakistan. Der LSVD-Vorsitzende Hütter ist der Ansicht, dass auch mündliche Aussagen juristisch bindend seien. Darum müsse eine Aufnahme geprüft werden.