Was als reguläre Haushaltskontrolle begann, entwickelte sich zu einem politischen Beben: Verträge zwischen der EU-Kommission und Aktivistennetzwerken, in denen diese gezielt dafür bezahlt wurden, politischen Druck auf EU-Institutionen, Abgeordnete und nationale Regierungen auszuüben – auch gegen die eigene Kommissionslinie. Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament, die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier hatte diese Vorgänge im Januar öffentlich gemacht. Auf ihrer Website zeigte sich Hohlmeier damals schockiert. Sie schrieb:

„Selbst nach 16 Jahren Erfahrung im Europäischen Parlament hat mich das Ausmaß dieser gezielten, mit Steuergeld bezuschussten Lobbyarbeit überrascht.“

Konkret ging es um vertragliche Vereinbarungen zwischen der Generaldirektion Umwelt (GD ENV) unter dem damaligen Kommissar Sinkevicius und verschiedenen Aktivistengruppen. Diese wurden nicht etwa zur politischen Bildung oder gesellschaftlichen Debatte beauftragt, sondern zu hoch strategischen Eingriffen in laufende Gesetzgebungsverfahren: Massenmails an Abgeordnete kurz vor Abstimmungen, gezielte Änderungsanträge in Trilogverhandlungen, Mobilisierung öffentlicher Proteste gegen Handelsabkommen wie Mercosur – all das wurde laut der Ausschussvorsitzenden nicht nur geduldet, sondern aktiv finanziert.

Den Stein ins Rollen brachte ein Hinweis im Jahr 2023 auf der „Business and Biodiversity Platform“, eine von der Kommission betriebene Plattform, über die massenhaft Lobby-E-Mails an Abgeordnete versendet wurden. Daraufhin beantragte der Haushaltskontrollausschuss im Jahr 2024 Einsicht in über 30 Verträge – eine Analyse, die unter strengen Auflagen in einem abgeschotteten Lesesaal erfolgen musste.

Doch was die Abgeordneten der Union und anderer Fraktionen dort entdeckten, offenbart ein Ausmaß an politisch motivierter Einflussnahme, das die Grundprinzipien der EU-Transparenz und demokratischen Legitimität infrage stellt.

EU-Kommission gibt Missbrauch des Förderprogramms zu

Konkret geht es um das Förderprogramm „LIFE“, das 2021 vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet wurde. In den Dokumenten zum Programm heißt es dazu, LIFE „spielt eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Umwelt-, Klima- und Energiepolitik und -gesetzgebung“ und unterstützt eine Vielzahl von Akteuren, darunter „Privatunternehmen, lokale Behörden, Forschungsstiftungen und zivilgesellschaftliche Organisationen“.
Nachdem das Programm Anfang des Jahres unter Beschuss geraten war, veröffentlichte die Europäische Kommission Anfang April eine Stellungnahme. Die EU-Kommission betont dort, dass die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NRO) im Rahmen des LIFE-Programms ausdrücklich vorgesehen ist, um „Beteiligung, Aufklärung und gute Regierungsführung in Umwelt- und Klimafragen zu stärken“. Gleichzeitig räumt sie ein, dass es in Einzelfällen unerlaubte Lobbyaktivitäten seitens der NRO gab. In der Erklärung heißt es dazu:

„Gleichzeitig hat die Kommission festgestellt, dass die von den NRO vorgelegten und den Vereinbarungen über Betriebskostenzuschüsse beigefügten Arbeitsprogramme in einigen Fällen spezifische Interessenvertretungsmaßnahmen und unzulässige Lobbytätigkeiten umfassten. “

Um Missbrauch künftig zu verhindern, wurden Leitlinien erlassen, die gezielte politische Einflussnahme – insbesondere auf EU-Abgeordnete – ausschließen sollen, heißt es weiter. Im neuen Arbeitsprogramm 2025–2027 seien zusätzliche Schutzmaßnahmen und Transparenzregeln verankert worden. Auch das Verfahren zur Vergabe von Fördermitteln wird nun „auf Interessenkonflikte hin überprüft“.

Aktionen „Reputationsrisiko für die Europäische Union“

Das Problem war der Kommission allerdings schon länger bekannt. In einer internen Weisung an die NROs, die vom LIFE-Programm profitierten, untersagte die Kommission im Herbst 2024 den Organisationen, mit den Fördermitteln Lobbyarbeit bei EU-Institutionen zu betreiben. Öffentlich wurde diese interne Anweisung damals, weil 26 durch das EU-LIFE-Programm geförderte Umwelt-NROs in einem offenen Brief an die EU-Kommission scharfe Kritik an diesen Einschränkungen geäußert hatten.

Die Organisationen zitierten damals aus dem Schreiben der Kommission. So hieß es darin, dass bestimmte Aktivitäten wie das Versenden von Briefen an EU-Institutionen, das Bereitstellen von Lobby-Material oder die Bewertung der Positionen von EU-Abgeordneten „ein Reputationsrisiko für die Union“ darstellen könne und künftig nicht mehr förderfähig sei. Die NROs sprechen in ihrem Schreiben von einem Angriff auf eine freie und offene Gesellschaft.

„Eine blühende Demokratie erfordert eine Infrastruktur und Ressourcen, die es den Bürgern ermöglichen, ihre Stimme zu Gehör zu bringen und Entscheidungsträger zu erreichen“, schreiben sie in ihrem Brief.

Unterstützung gab es damals von der Europaabgeordneten Jutta Paulus (Grüne). Gegenüber dem Portal „Euractiv“ sagte Paulus:

„Die Entscheidung der EU-Kommission, Umweltorganisationen die Verwendung von LIFE-Mitteln für politische Lobbyarbeit zu verbieten, ist ein weiterer Angriff auf die Umwelt- und Klimapolitik.“

Druck auf Abgeordnete gegen Fördermittel

Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Umweltorganisationen ging aber offensichtlich weiter als bisher angenommen. Laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ hat die Europäische Kommission Umweltorganisationen mit Steuergeldern für gezielte Kampagnen gegen deutsche Unternehmen finanziert. Geheime Verträge aus dem Jahr 2022, die die „Welt“ offenbar einsehen konnte, zeigen, dass NROs wie „ClientEarth“ für Klagen gegen deutsche Kohlekraftwerke 350.000 Euro erhielten. „Friends of the Earth“ wurde im Kampf gegen das Mercosur-Abkommen unterstützt. Weitere Organisationen bekamen Geld, um EU-Abgeordnete, etwa bei Abstimmungen über Pflanzenschutzmittel zu beeinflussen. Einzelne NROs erhielten bis zu 700.000 Euro.

In den entsprechenden Verträgen legte die EU-Kommission offenbar detailliert fest, welche Leistungen sie im Gegenzug für die gewährten Fördermittel von den beteiligten Umweltaktivistinnen und -aktivisten erwartete. Dazu gehörten unter anderem das Verfassen einer bestimmten Anzahl von Lobbyschreiben, die Verbreitung von Botschaften über soziale Medien sowie organisierte Treffen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments.

Die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier äußerte gegenüber der „Welt am Sonntag“ scharfe Kritik an der bisherigen Praxis: „Es ist bedauerlich, dass unter den ehemaligen Kommissionsmitgliedern Virginijus Sinkevičius und Frans Timmermans pauschale Zuschüsse für Organisationen gegeben wurden, die radikale Aktionen, verdecktes politisches Lobbying und die Druckausübung auf Entscheidungsträger als Ziele in ihre Arbeitsprogramme verankerten.“ Während Timmermans in der vorangegangenen Legislaturperiode als EU-Kommissar für Klima zuständig war, bekleidete Sinkevičius das Amt des Umweltkommissars.

Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung

Hohlmeier kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die gezielte Unterstützung von NROs, die politische Einflussnahme durch massiven Druck auf Institutionen betrieben. Auch der frühere CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper äußerte sich besorgt und sprach von einem klaren „Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung“, da die Exekutive der EU mithilfe von Aktivisten verdeckt versucht habe, die Legislative zu beeinflussen.

Die Europaabgeordnete und stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Svenja Hahn warnte zudem, dass bei vielen Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entstehe, die Kommission fördere mit öffentlichen Geldern ausschließlich Organisationen, die ihrer politischen Linie nahestehen. Dies schade massiv dem Vertrauen in die europäischen Institutionen, so Hahn. Sie forderte von der Kommission daher eine umfassende Aufklärung und mehr Transparenz im Umgang mit der Vergabe öffentlicher Mittel.

 



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Von Veritatis

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