Von Kai Rebmann
Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich nach und nach in den wohlverdienten Ruhestand. Auf dem Arbeitsmarkt im Allgemeinen und auf den Chefposten in mittelständischen Betrieben im Speziellen hinterlassen diese Jahrgänge oft Lücken, die schwer bis gar nicht zu schließen sind. Wer sich auf die Suche nach potenziellen Jungunternehmern macht, wird dagegen häufig in den Hörsälen unserer Universitäten oder an den Stechuhren eben jener Unternehmen fündig, die mittel- bis kurzfristig vor dem Aus stehen – Work-Life-Balance und so, Sie wissen schon…
Es ist aber längst nicht nur der Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten, freien Wochenenden und mindestens vier Wochen Urlaub im Jahr, der dafür durchaus qualifizierte Vertreter aus der Generation vor der Übernahme selbst über Jahrzehnte hinweg bestens eingeführter Betriebe zurückschrecken lässt. Hinzu gesellen sich wachsende Unsicherheiten im wirtschaftlichen Umfeld und – gerade auch in Deutschland – ein Berg an bürokratischen Knüppeln, die Gründern und/oder Übernehmern von Unternehmen zwischen die Beine geworfen werden.
Alleine bis Ende des laufenden Jahres planen 231.000 Unternehmer, den Schlüssel in ihren Betrieben für immer umzudrehen, weil trotz entsprechender Bemühungen kein Nachfolger in Sicht ist. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hervor. Eine ähnlich hohe Zahl (215.000 Chefs) äußerte für diesen Zeitraum einen „kurzfristigen Nachfolgewunsch“, der in vielen Fällen aber wohl ebenfalls unerfüllt bleiben dürfte. Ungewiss bleibt damit nicht nur die Zukunft der betroffenen Unternehmen, sondern nicht zuletzt auch die der bis dato dort Beschäftigten, deren Zahl angesichts der genannten Größenordnung schnell in die Millionen gehen dürfte.
Deutschland droht nie dagewesenes Sterben des Mittelstands
Aus der Erhebung stechen zwei Sätze in besonderer Weise hervor, da sie eine weitere Verschärfung dieses Problems in den kommenden Jahren prophezeien. „Niemals zuvor seit Start des Nachfolge-Monitorings von KfW Research ziehen so viele mittelständische Unternehmen die Aufgabe ihres Betriebs in Erwägung.“ Und: „Das Durchschnittsalter der aktuellen Inhabergeneration erreicht mit über 54 Jahren einen neuen Höchststand.“ Gefordert wird daher eine „nachhaltig höhere Gründungsbereitschaft in Deutschland.“
Diese zu verbessern wäre eigentlich Aufgabe der Politik. Doch die offenkundigen Probleme bei der Suche und vor allem Findung von Nachfolgern für mittelständische Unternehmen wurden von Schwarz-Rot bei den Koalitionsverhandlungen schlicht vergessen. Die versprochenen Steuererleichterungen für Unternehmen – so sie denn tatsächlich kommen – sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, bescheren den scheidenden Seniorchefs aber keinen einzigen zusätzlichen Übernahmekandidaten. Ähnliches gilt für weitere Instrumente, die Anreize für mittel- bis langfristige Investitionen schaffen sollen, etwa die in Aussicht gestellten Begünstigungen bei Abschreibungen.
Als Königsweg bei der Betriebsnachfolge galt für Familienunternehmen bislang die Übergabe an den eigenen Nachwuchs. Doch auch dieses über Jahrzehnte bewährte Erfolgsmodell scheint in Deutschland ausgedient zu haben. Zuletzt gelang diese Lösung nur noch bei rund jeder dritten Betriebsnachfolge (34 Prozent), wie aus einer ifo-Umfrage aus dem vergangenen Jahr hervorgeht. Fast zwei Drittel (61 Prozent) stuften in diesem Zusammenhang die Belastung durch die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer als „stark oder sehr stark“ ein. Die Hälfte aller Mittelständler mit einer Betriebsgröße ab 250 Mitarbeitern stehe bis Ende 2026 vor einem Generationenwechsel, wie Annette von Maltzan vom ifo-Institut erklärt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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