Stillen in der Öffentlichkeit ist ein Dauerthema. Nun befürwortete eine Mehrheit von Befragten das verstärkte Angebot von Stillkabinen. Die Mütter also aus der Öffentlichkeit verbannen. Ist das die Lösung?
Wie öffentlich darf und soll Stillen sein? Die Meinungen gehen hier weit auseinander
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Es gibt Themen, bei denen man sich fragt, warum man sie immer und immer wieder diskutieren muss. „Stillen in der Öffentlichkeit“ gehört dazu. Ganz so, als sei der Wunsch, sein Kind in der Öffentlichkeit nicht hungern zu lassen, regelrecht vermessen. Doch woher stammt das Erregungspotenzial des für Sekunden aufblitzenden Nippels?
Wo Abwehr ist, da lauert zumeist die Verdrängung. Und die Brust ist symbolisch maximal aufgeladen. Steht sie doch für Geschlecht, Sex, Lust und letztlich auch Nahrung. Ich habe schon oft meine Verwunderung über die feministische Forderung geteilt, man möge die Brustwarze entsexualisieren. Als sei die Verknüpfung des Nippels mit Lust eine kulturelle Erfindung! Wer einmal die genussvollen Schmatzgeräusche e
28;usche eines Säuglings an der Mutterbrust gehört oder seine ekstatisch nach hinten gerollten Augen gesehen hat, der weiß, dass Brust und Lust so gut zusammengehen wie Homer Simpson und Donuts oder Donald Trump und Selbstbräuner.Ich schweife ab. Jedenfalls vermute ich, dass es gerade das lustvolle Saugen des Kindes ist, das Erwachsene so maßlos irritiert. Und zwar nicht nur – wie ein weiterer feministischer Vorwurf lautet – Heteromänner, welche die weibliche Brust gern als Spielzeug für sich beanspruchen. Wirklich empörend scheint hier die Erweiterung der symbolischen Kette von Sex und Lust um den Signifikanten „Säugling“ zu sein. Dabei ist der ja auch ein Produkt von Lust und Sex.Mit anderen Worten: Anders als behauptet ist das Stillen natürlich nie nur Nahrungsaufnahme. Schon das deutsche Wort verweist über den nährenden Aspekt hinaus auf den beruhigenden Charakter des Vorgangs. Eben weil er das Kind in jeder Hinsicht befriedigt. Vielleicht ist gerade das so schwer auszuhalten für Erwachsene, die öffentlich nicht am Vorgang der Säuglingssättigung teilhaben wollen: Dass da ein Menschlein umfassend von der Mutter beglückt wird. Ich tippe an dieser Stelle auf einen nicht zu stillenden Mutterliebemangel.Doch genug der Küchenpsychologie! Wer den Verzicht auf das öffentliche Stillen fordert, der verlangt den Rückzug der stillenden Mutter aus der Öffentlichkeit. Ein Stillkind ist unberechenbar. Es lässt sich nicht eintakten in einen für die Öffentlichkeit (oder die Mutter) bequemen Rhythmus. Ist es doch ein kleiner Anarcho, der sich nimmt, was er braucht, wann und wo er will. Ins Zeitmanagement der Zivilisierten und Sozialisierten lässt er sich schlichtweg nicht einpferchen. Ein Grund mehr, ihm den öffentlichen Lustgewinn zu neiden.Laut einer jüngst durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov befürworten rund zwei Drittel der Befragten das verstärkte Angebot von Stillkabinen. Doch die Idee, die Mutter könne hier ungestört (und niemanden verstörend) stillen, ist weltfremd. Neulich etwa stillte ich mein Neugeborenes im Zoo. Das Stillen dauerte wenige Minuten. Es wäre recht umständlich gewesen, hierfür mit meinen Kindern zunächst auf eine ausgedehnte Suche nach einem abgelegenen Stillraum zu gehen. Sorry, Kids, heute schauen wir uns nicht die Elefanten an, wir sitzen lieber in einem fensterlosen Raum, da haben wir unsere Ruhe!Stattdessen konnten meine Kinder den Elefantenmüttern beim Stillen ihrer Kälber zuschauen. Das, immerhin, empört niemanden.