Ein Jahr an einer US-Eliteuni war für mich ein Traum – und ein Privileg. Doch Trumps Visa-Politik versperrt nun diesen Weg für andere. Das bedroht nicht nur internationale Karrieren, sondern auch die kulturelle Soft Power der USA selbst
Montage: der Freitag
Etwa vor einem Jahr stand ich um sieben Uhr morgens vor dem amerikanischen Konsulat in Dahlem. Hier warteten wir auf einen Termin für ein US-Visum: Ein Professor, der im Mittleren Westen unterrichten sollte, ein Student, der seinen Master an der Ostküste beginnen wollte, und ich, der für ein Jahr an der University of Pennsylvania in Philadelphia studieren wollte.
Wir drei schafften es, und ich bin inzwischen zurück in Berlin – und lese, wie die Regierung Trumps ankündigt, keine neuen Visa an Studierende, Schüler*innen und Praktikant*innen mehr vergeben zu wollen. Mehr noch: Seine Regierung und die US-Sicherheitsbehörden wollen ab jetzt Social-Media-Aktivitäten der Bewerber*innen prüfen, was in die Entscheidung bezüglich des Aufenthalts
ufenthaltstitels einfließen soll.Nicht, dass ein US-Visum vor einem Jahr eine einfache Sache gewesen wäre. Schon damals stand ich angespannt vor dem Konsulatsgebäude, überlegend, was ich vergessen haben könnte – und das trotz der vielen Privilegien eines europäischen Passes und der Protektion einer großen Eliteuniversität. Davor hatte ich bereits verschiedene Dokumente gesammelt, diese von meiner Bank und meiner Gastuniversität ausfüllen lassen, und die Kosten für das Visum und den Termin von etwa 400 Dollar bezahlt.Der Traum vom Studium in den USADas Studium in den USA war schon immer ein Traum von mir. Im Herbst 2022 bewarb ich mich auf ein staatliches Stipendium und bekam anschließend meinen ausländischen Studienplatz durch meine Heimathochschule zugeteilt. Ein Privileg; das Bedürfnis danach komplex.Die akademische Landschaft in den USA war damals und ist immer noch schlicht beeindruckend. Viele der renommierten Universitäten haben große Mengen an Geld und Prestige zur Verfügung, was sich in der Lehre spiegelt und den Studierenden zugutekommt. Die Lehrenden betreuen uns Studierende intensiv und sehr engagiert, was man in Deutschland nur wenig kennt. Sie setzen sich intensiv damit auseinander, was jeder einzelne Studierende für wissenschaftliche Ideen mit sich bringt.Die akademische Landschaft in den USA war damals und ist immer noch schlicht beeindruckendMöglich ist das vor allem durch Geld – und vieles davon wird durch die extrem hohen Studiengebühren finanziert, die den finanziellen Unterbau der meisten Universitäten bilden und für viele Studierende eine finanzielle Belastung darstellen.Gleichzeitig erlauben diese großen Ressourcen, in kleineren Gruppen zu lernen, renommierte Gäste einzuladen, sowie führende Forschende anwerben und halten zu können. Ich habe während meines Aufenthalts in den USA tatsächlich die besten Kurse meines ganzen Studiums besucht – und so detailliertes Feedback auf meine Arbeiten bekommen, wie ich es in Deutschland nie erfahren habe.Trump schadet seiner Soft Power – und dem kritischen DenkenEs mutet komisch an, dass Donald Trump all dieses Kapital der US-amerikanischen Universitäten, das die Soft Power der USA ausmacht, einfach so aussetzen will. Denn viele US-Universitäten haben geschafft, was die Exzellenzinitiative in Deutschland nicht schafft: Eine so gute Marke zu sein, dass selbst ein Studium in jenen Fächern und Themen, die nicht sofort ökonomische Verwertbarkeit versprechen, von hohem Wert sind – weil sie schon durch die Marke Harvard oder Princeton diesen Wert bekommen.In den USA habe ich etwa Kurse in Kunstgeschichte und Philosophie besucht, zentral für das kritische Verständnis der Welt, aber nicht die ersten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt – es sei denn, man studierte es an einer US-amerikanischen Eliteuniversität.Und so wird klar, dass die neuesten Restriktionen bei der Visa-Vergabe für die USA auf genau solch eine – durch Privilegien abgestützte – kritische Betrachtung der Welt abzielen. Sie stellen den Versuch dar, eine kritische Studierendenschaft zu schwächen. Das bezieht sich vor allem auf die Gesellschaftswissenschaften, die, progressiv geprägt, den MAGA-Trumpisten ein Dorn im Auge sind.Dabei spielt die Kultur der USA für ihre Hegemonie in der Welt eine zentrale Rolle. Auch für mich, sonst hätte ich nicht so unbedingt dort studieren wollen. Manche amerikanische Erzählungen fand ich vor Ort tatsächlich, andere wurden widerlegt. Jedenfalls nehme ich nach meinem Studium dort die politische Landschaft rund um Republikaner und Demokraten diverser wahr, als Berichte in den Medien vermuten lassen. Auch hier zeigt sich, dass hinter den einzelnen Parteien Menschen mit verschiedenen Meinungen und Sorgen stehen, die unterschiedlich von ihren Politiker*innen denken.Wer sich länger in einem anderen Land aufhält, blickt hinter die Klischees und baut eine persönliche Beziehung aufGleichzeitig trifft man natürlich auch auf unfassbar große Autos, Elon Musks Cybertrucks und sucht Speisekarten nach einem vegetarischen Gericht ab, um am Ende wieder bei Pommes zu landen.Natürlich ist es nicht so, dass – gerade linke und kritische – Studierende überzeugt vom amerikanischen Traum kommen. Jedoch beginnt man vor Ort, die USA in ihrer Widersprüchlichkeit zu verstehen. Wer sich länger in einem anderen Land aufhält, blickt hinter die Klischees und baut eine persönliche Beziehung auf: zu den Menschen, aber auch zur Gesellschaft. Auch in den Netzwerken, die hier – ich muss es betonen: unter sehr privilegierten Studierenden – entstehen, steckt eine Menge soziales Kapital und die Soft Power der USA.Der eigene kritische Blick wurde geschärft – der Traum USA verblasst Diese spezielle Form der Machtausübung ist stets Bestandteil von internationalen Austauschprogrammen. Gleichzeitig sehe ich heute viele gesellschaftliche Entwicklungen in den USA noch weitaus kritischer als davor, und das Land hat in vielen Bereichen seine Vorbildfunktion verloren.Vor allem die ökonomische Schlagkraft der USA wird immer vor allem durch extreme soziale Ungleichheit bezahlt – wodurch ein gemeinschaftliches Zusammenleben eigentlich unmöglich wird. Auch städtepolitische Maßnahmen führen in den USA zu leeren Ortskernen, welche nur mehr mit dem Auto besucht werden und jeglicher Kultur beraubt worden sind.Zugleich beträgt nicht selten der Planungshorizont für ein Austauschsemester ein knappes Jahr, bei angehenden Doktorand*innen werden ganze Lebensabschnitte darauf zugeschnitten. Eine Menge Akademiker*innen verlieren gerade ihre Perspektive. Einige deutsche Universitäten haben deswegen bereits angekündigt, geplante Studienaufenthalte in spätere Semester verlegen zu wollen.Vertrauen ist zerstörtFür die amerikanischen Universitäten und die internationale Mobilität in der Wissenschaft könnte der Schaden immens sein, da solche Ankündigungen viel Vertrauen zerschlagen. Nicht nur wird der wissenschaftliche Austausch zwischen den USA und Europa abebben, auch das soziale Verständnis füreinander wird dadurch immer weiter abnehmen.Vor den Konsulaten steigt damit nur die AngstWas für die meisten jetzt schon nervenaufreibend und mit dem emotionalen Stress eines internationalen Umzugs verbunden ist, wird jetzt noch fordernder. Vor den Konsulaten steigt damit nur die Angst, durch einen „falschen“ Like oder unliebsamen Artikel von der Erfüllung eines Lebenstraums ausgeschlossen zu werden. Die Ambitionen von Studierenden werden dadurch zum politischen Spielball.Wie wird sich das Bild der USA ändern, wenn Studierende und Schüler*innen sich kein eigenes Bild vor Ort mehr machen können, keine US-Amerikaner*innen kennenlernen, die Widersprüche nicht erleben? Wenn sie, statt mit ihrem Pass Zugang erst in das Konsulatsgebäude, und dann in die USA selbst erhalten, vor einer Mauer stehen? Der Gedanke daran macht mir Sorgen.