Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Was wäre Deutschland ohne seine vierte Gewalt, die Presse, die stets unabhängig und überparteilich ihrem Gewerbe nachgeht, die Leser, Zuhörer und Zuschauer objektiv und wahrheitsgetreu zu informieren? Agatha Christie hatte eine recht klare Meinung zu diesem Berufsstand: „Ich habe Journalisten nie gemocht“, sagte sie. „Ich habe sie alle in meinen Büchern sterben lassen.“ Auch der Entertainer Rudi Carell wusste sich zum Thema zu äußern: „Früher hieß es: Macht das Fernsehen blöd? Heute machen Blöde Fernsehen.“ Carell ist lange tot und sein Ausspruch daher nicht mehr jung – aber wirft man einen Blick in das deutsche Fernsehen, so scheint es, als sei sein Bonmot recht gut gealtert. Etwas zu optimistisch war vielleicht der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, als er meinte, man müsse die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen könne, denn das Verdrehen gelingt mittlerweile gewohnheitsmäßig ohne jede Sachkenntnis.

Mit einem besonders begabten Exemplar dieser Berufsgruppe, mit Georg Restle, habe ich mich vor kurzem befasst. Doch er ist nicht der Einzige in der Liga der verzichtbaren Journalisten. Es gibt ja auch noch Tilo Jung, den Betreiber des Kanals „Jung & Naiv“, der sich immerhin der stattlichen Zahl von 605.000 Abonnenten rühmen darf. Das muss nicht viel heißen, Katzenvideos haben auch viele Zuschauer und zählen eher selten zum einigermaßen vertretbaren Journalismus. Bei der Neuen Zürcher Zeitung ist man der Auffassung, Jung vermarkte eine moralisierende Weltsicht und halte Hamas-Vertreter für seriöse Interview-Partner. Seine Kollegen pflegt er gerne von oben herab und abwertend zu beurteilen, sofern sie seine eigene Auffassung nicht teilen. Jan Fleischhauer beispielsweise war für ihn zur Zeit der sonderbaren PCR-Pandemie „par excellence ein rechter Haltungsjournalist,“ während Boris Reitschuster rechtsradikal sei und nichts weiter als Verschwörungstheorien, Desinformation und Querdenken produziere. Dass ihm in jenen Tagen die sogenannten Maßnahmen der Regierung nicht hart und scharf genug sein konnten, braucht man kaum zu erwähnen.

Sein Meisterstück aber hat er letztes Jahr während einer Digitalmesse geliefert. Dort verkündete er im Gestus des moralisch Höherstehenden, es sei nicht die Aufgabe von Journalismus, die Menschen über die Themen zu informieren, über die sie informiert werden wollen. Und weiter: „Sondern Journalisten und Journalistinnen sollen Leute informieren und darüber informieren, was sie wissen sollen, und nicht, was sie wissen wollen. … Journalisten informieren, worüber sie, worüber die Bevölkerung informiert werden soll. Und das ist ein wichtiger Unterschied.“

Propaganda als richtig verstandener Journalismus – eine Idee, die in unsere Zeit passt, auch wenn sie nicht unbedingt neu ist. Und nun, vor wenigen Tagen, hat sich Jung auf seine unnachahmliche Art wieder einmal in eine Diskussion eingemischt. Julia Ruhs darf man, obwohl sie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet, als eine echte Journalistin bezeichnen. Aufsehen erregt hat sie im April 2025 mit dem Beitrag „Migration: Was falsch läuft“, in dem sie ganz im Gegensatz zur üblichen Verheimlichungs- und Umdeutungsstrategie vieler ihrer Kollegen die Folgen der verheerenden Migrationspolitik ohne Scheuklappen beleuchtet hat. Die Schmähkritik folgte auf dem Fuße. „Der Beitrag wiederhole rechtspopulistische Narrative und liefere keine konstruktiven Ansätze“, war beispielsweise zu hören, und der unvermeidliche Jan Böhmermann, ein angeblicher Satiriker, dessen Humor, falls er denn vorhanden sein sollte, nur schwer zu erkennen ist, sprach von rechtspopulistischem Quatsch. Kurz: die linke Szene, ohnehin stets zur Aufgeregtheit geneigt, war sich in ihrer Empörung einig – sehr erwartbar einig, da man in linken Kreisen oft ein eher spezielles Verhältnis zur Wahrheit pflegt.

Eben jene Julia Ruhs hat nun im Magazin Focus eine neue Kolumne veröffentlicht mit dem Titel: „Bloß nicht selber denken! Willkommen in der neuen Staatsgläubigkeit.“ Der Text beginnt mit den Worten: „Es geht ein neuer Geist um, und der lautet: Denkt ja nicht zu viel selbst, sondern überlasst das den Instanzen über euch: Dem Staat, der Wissenschaft, dem Verfassungsschutz. Viele finden das auch noch gut“ – woraufhin sie als grundlegendes Beispiel die oben angeführte Überzeugung Jungs über die Aufgabe des Journalismus zitiert, nicht etwa als Vorbild, sondern als abschreckendes Beispiel. Die heutige allgemeine Haltung laute, dass die höheren Instanzen es besser wüssten, egal ob Medienhäuser, Wissenschaft oder Verfassungsschutz. Ruhs führt Beispiele zu ihrer These auf und verweist auf die Corona-Zeit, in der viele das Denken gerne eingestellt und an andere, vor allem an die „Wissenschaft“, delegiert haben. Ihre Beobachtung: „Das Erstaunliche, ja Erschreckende: Viele scheinen genau das gut zu finden. Sie wollen einen Staat, der ihnen sagt, wie Demokratie funktionieren muss. Einen Verfassungsschutz, der für sie beurteilt, ob die AfD rechtsextremistisch ist. Eine Wissenschaft, die verkündet, welche Maßnahmen richtig sind. Medien, die ihnen sagen, was sie wissen sollen, und nicht, was sie wissen wollen. Instanzen, die ihnen die Denkarbeit abnehmen. Nach dem Motto: Der Staat weiß, was gut ist. Die Medien wissen, was wichtig ist. Die Wissenschaft weiß, was wahr ist.“ Und sie endet mit dem Hinweis: „Scheint ganz so, als wären es mittlerweile Menschen links der Mitte, die dringend etwas antiautoritäre Erziehung nötig hätten.“

Das konnte Tilo Jung sich nicht bieten lassen. Ihm seine eigenen Worte vorzuhalten, und das ohne bedingungslose Zustimmung, sondern kritisch und ablehnend! Am Ende auch noch zu folgern, dass die Linke, zu der er sich auch zählt, unter einem Mangel an antiautoritärem Denken leidet! Wie konnte sie es wagen? Da Ruhs auf ihrem X-Account einen Verweis auf die Kolumne veröffentlicht hatte, nutzte Jung die Gelegenheit zu einer Antwort, so freundlich und sachlich, wie er es wohl für möglich hielt. Man kann sie im Original, aber auch gleich hier bewundern.

Ein glänzendes Beispiel argumentativer Auseinandersetzung, wie man es aus links-engagierten Kreisen bedauerlicherweise gewohnt ist. Jung bezeichnet die Leser von Julia Ruhs als Idioten und wirft ihr vor, sie gebe ihnen das, was die lesen wollten – wir wissen schon, das geht gar nicht, denn man soll den Lesern bekanntlich nur das vorsetzen, was sie lesen sollen. Noch immer verharrt er in seinem simplen propagandistischen Denken und merkt es nicht einmal. Ruhs feiere das Selbstdenken, „ohne auch nur einen eigenen neuen Gedanken formuliert zu haben.“ Schon das Feiern des Selbstdenkens wäre mehr wert als das propagandistische Wüten, dessen sich Jung hier befleißigt. Und ob Ruhs keine eigenen Gedanken vorzutragen weiß, kann jeder Leser selbst feststellen, indem er ihre Kolumne durchgeht. Schon die einfache Feststellung, dass viele, zu viele heute das Denken an der Garderobe ablegen und sich vorschreiben lassen, was sie gefälligst denken sollen, ist selbstverständlich ein eigenständiger Gedanke, zu dem Leute wie Jung allerdings nicht in der Lage sind. Und auch der Hinweis auf die aktuelle Autoritätsgläubigkeit der Linken zählt – auch wenn sie Jung nicht passt – gerade heutzutage zu den wichtigen Gedanken. Ich darf den Text von Julia Ruhs empfehlen; dass Tilo Jung ihn allem Anschein nach nicht verstanden hat, heißt nicht, dass er kompliziert und schwer zu verstehen ist. Im Übrigen ist auch Jungs Gedanke, man solle den Leuten nur das vorsetzen, was sie wissen sollen, und nicht, was sie wissen wollen, keineswegs neu oder selbst gedacht. Das kennt man schon lange aus den Propagandaabteilungen totalitärer Systeme.

Einen Text nicht verstehen und dann die Autorin über ihre Leser beleidigen – so stellen sich manche modernen Journalismus vor. Ich will nicht behaupten, dass der Journalismus nicht mehr tiefer sinken kann als es Jung hier vorgeführt hat, denn im Gegensatz zur Temperatur, für die es einen absoluten Nullpunkt gibt, dürfte jede sprachliche Äußerung immer noch ein wenig unterbietbar sein.

Doch Jungs Post ist auf der nach unten offenen Niveau-Skala schon recht weit vorangekommen.

Im Dezember 2019 ging meine Seite an den Start. Heute erreicht sie Millionen Leser im Monat – und setzt Themen, die selbst große Medien nicht mehr ignorieren können.

Mein Ziel: 

Dem Wahnsinn unserer Zeit trotzen. Kritisch, unabhängig und furchtlos der Regierung und ihren Hofberichterstattern auf die Finger schauen.

Ohne Zwangsgebühren. Ohne Steuergelder. Ohne große Geldgeber. Ohne Abo-Modell. Ohne irgendjemanden zur Kasse zu bitten. Nur mit Herzblut – und mit Menschen wie Ihnen an meiner Seite. Jede Geste, ob klein oder groß, bedeutet mir die Welt. Und zeigt mir: Mein Engagement – mit all seinen Risiken und schlaflosen Nächten – fällt nicht ins Leere, verhallt nicht ungehört, sondern bewirkt etwas. Jede Zuwendung ist für mich ein Geschenk. Ein Zeichen der Verbundenheit, das mich trägt.

Von Herzen: Danke!

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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Shutterstock.com

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Von Veritatis

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