Vor über 40 Jahren brachte Andreas Banaski alias Kid P. einen neuen Sound in den verstaubten Musikjournalismus. Seine Texte kann man jetzt wieder nachlesen
Der Musikjournalist Andreas Banaski alias Kid P.
Foto: Henning Schellhorn
Besonders gern hatte man die Plattenkritiken von Andreas Banaski gelesen. Damals, vor über 40 Jahren. Ein Album der Glamour-Pop-Band Roxy Music beurteilte er etwa so: „Anschauungsunterricht für junge, schmachtende Leute mit zu vielen unerfüllten Träumen aus der Bacardi-Südsee-Reklame“.
Radikal subjektive Artikel für „Sounds“ und „Spex“
Im selben Text, abgedruckt in einer Ausgabe der Zeitschrift Sounds aus dem Jahr 1982, fertigte der Autor auch gleich die New-Romantic-Synthiepopgruppe Duran Duran ab: „Immer langweilig. Passend dazu verquaste Oberschülertexte. Das Cover ist (mit zu viel Buntstift) geeignet für schwedenmöblierte Studenten-Appartements.“
Banaski (1957 – 2021), der als Teenager übrigens Roxy-Music-Fan war, schrieb über zahlreiche Gegenstände der sogenannten Popkultur. Als ein halbwegs ernstzunehmender Musikjournalismus in der BRD noch existierte, war Banaski der Pionier einer damals neuen, von allerlei Kühnheiten gekennzeichneten Schreibschule. Unter seinem Pseudonym Kid P. verfasste der Hamburger Autor regelmäßig radikal subjektive Artikel für die längst verblichenen Magazine Sounds und Spex. Es war eine kurze Blütezeit der Indie-Kultur: Der Punkrock, der vielgestaltige Post-Punk und die unabhängigen Plattenfirmen hatten das Popgeschäft umgekrempelt, und mit dem New Wave, dem neuen Synthesizer-Pop aus der Steckdose und anderer Kunststudentenmusik veränderte sich auch der Ton des diese Phänomene begleitenden Journalismus.
Banaski schrieb über diese Erzeugnisse nicht ohne Enthusiasmus. Oder anders gesagt: indem er mit „apodiktischem Gestus“ den Leserinnen und Lesern mitteilte, was von einem bestimmten Künstler zu halten sei. In seinen Beiträgen sparte er weder mit Gehässigkeiten noch mit Albernheiten, wodurch er erfolgreich die Konventionen eines vorhersehbar, langweilig und ranzig gewordenen Musikjournalismus unterlief, der seinerzeit überwiegend von gealterten Hippies geprägt war, die vor allem die Gewohnheit pflegten, mit biederen Huldigungstexten ihre aus den 1960ern und frühen 1970ern übrig gebliebenen Rock-Helden abzufeiern.
Andreas Banaski alias Kid P. galt als nerdiger Geschmackspolizist
Der Spiegel bezeichnete Kid P. vor vier Jahren in einem Nachruf als einen „vergessenen Helden des deutschen Kulturjournalismus“, die FAZ teilte mit, er habe „eine ganze Generation von Kulturjournalisten inspiriert“. Das sind große Worte für einen, der zu seinen Lebzeiten als nerdiger Geschmackspolizist galt und dessen kecke, eigenwillig formulierte Artikel nur von einer kleinen Minderheit einschlägig Interessierter zur Kenntnis genommen wurden.
Journalismus ist traditionell ein schnelles Geschäft. Und auch das, was uns als zeitgenössische „Popkultur“ angeboten wird, altert mit überdurchschnittlicher Geschwindigkeit. Für gewöhnlich interessieren sich die wenigsten für Artikel aus dem Heft des vergangenen Monats. Das galt auch schon für die frühen 1980er. Es kommt nicht häufig vor, dass die Reportagen, Platten- und Filmkritiken eines seinerzeit nur von einer überschaubaren Lesergemeinde wahrgenommenen Sonderlings über 40 Jahre nach ihrem Erstdruck aus verstaubten Archiven hervorgeholt und in Buchform neu publiziert werden. Selbst wenn es heute – in Anbetracht ihrer Entstehungszeit – als ausgemacht gilt, dass diese Texte ungewöhnlich originell und in einem bis dahin ungehörten Tonfall geschrieben sind. Umso erfreulicher ist es, dass sie jetzt, mit einem Vorwort von Diedrich Diederichsen, in dem von Erika Thomalla herausgegebenen Band Die Wahrheit über Kid P. (Junius, 272 S., 22 €) wieder nachzulesen sind.
Und man darf wohl sagen: Viele seiner Urteile haben Bestand. So zeugt seine aus dem Jahr 2006 stammende Einordnung des Werks der Rockgruppe Queen nicht nur von Sachkenntnis, sondern besticht auch durch eine Präzision im Ausdruck, wie man sie heute nur noch selten findet: „Queen vereinten im Breitwandformat eines strumpfbehosten Tyrone-Power-Films der Vierziger Ballsaalplüschigkeit und die Beatles, Elton John und David Bowie zu einem Großkitschklumpen, der allerdings die Saat der Degeneration schon in sich trug, die später zu den Schrecken von Andrew Lloyd Webbers Musicals oder der Herr-der-Ringe-Verfilmung führen sollte.“