Wen bittet man beim Umzug das Auto zu fahren oder den Schrank zu schleppen? Männer! Dabei sind Frauen manchmal doch das stärkere Geschlecht, wie unsere Autorin gelernt hat
Es gibt Situationen, die es mir schwer machen, den Feminismus zu leben, den ich predige
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Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die am liebsten alles selbst erledigt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Manchmal, weil ich denke, ich kann es allein besser. Oft, weil es mir unangenehm ist, nach Hilfe zu fragen. Und eigentlich immer unter dem Deckmantel: Ich bin Feministin. Was nur ein Euphemismus der ersten zwei Punkte ist, aber er beruhigt mich; macht meine Schwächen zu Stärken. Selbstständige Frau statt hilfloses Kind – man versteht.
Auf jeden Fall führt mein Verhalten zu langen To-Do-Listen, die wiederum zu kurzen Nächten. Aber ich will mich nicht beschweren, ich opfere den Schlaf schließlich für den Feminismus.
Nun ja, es gibt da diese eine Situation, die es mir jedes Mal schwer macht, den Feminismus zu leben, den ich predige
ion, die es mir jedes Mal schwer macht, den Feminismus zu leben, den ich predige. Sie steht bald wieder an: Ich ziehe um. Von Hamburg nach Berlin mit einem Umzugswagen – ich besitze Zeug, und das reichlich. Was ich dafür wenig besitze, ist Geld. Hier beginnt mein Dilemma. Denn einen Umzug meistert man nicht allein. Ich muss also nach Hilfe fragen. Das fängt beim Kartonschleppen an und hört beim Umzugswagenfahren auf. Ich besitze zwar einen Führerschein, saß aber seit Jahren nicht mehr hinter dem Steuer. Bei jedem Umzug muss ich jemanden finden, der sich befähigt fühlt, das Auto zu fahren. Seit Jahren trifft diese Aufgaben denselben Freund.Männer drucksen rum, Frauen packen anIch bin dankbar, auch diesmal ist er dabei. Gleichzeitig ärgere ich mich, dass ich Männer brauche, die mich von einem Ort zum anderen kutschieren. Sei es der Umzugs-Freund oder der Uber-Fahrer. Warum nimmt sie nicht einfach erneut Fahrstunden, werden Sie sich nun fragen. Aber das mit dem wenigen Geld hatte ich bereits erwähnt.Am meisten Sorge macht mir bei jedem Umzug mein schwerer DDR-Holzschrank, den ich mich nicht mehr traue auseinanderzubauen. Aber allein oder zu zweit bekommt man ihn nicht ins Auto getragen. Gegen all meine Intuition (ich kann es besser), gegen meinen Stolz (ich frage nicht nach Hilfe) und gegen den Feminismus (wer braucht schon Männer?), klingelte ich vor ein paar Tagen bei der WG unter mir. Die einzige Frau, die dort lebt, öffnete die Tür. Ich fragte, ob ihre zwei männlichen Mitbewohner da seien. Und als einer von ihnen an der Tür erschien, bat ich sie, mir beim Tragen des Schrankes zu helfen und bot einen Kasten Bier als Bezahlung. Sie drucksten herum, überlegten, ob sie an diesem Wochenende nicht auf einem Festival seien. Bevor ich es mit emotionaler Erpressung à la „Ihr seid andauernd zu laut und ich habe noch nie die Polizei gerufen! Ihr schuldet mir das!“ versuchen konnte, sagte ihre Mitbewohnerin, dass sie helfen könne. Sie sei sowieso stärker als die zwei Typen.Ich erschrak und schämte mich gleich ein wenig. In all der Sorge keine selbstständige, starke Frau zu sein, hatte ich dieser Frau einfach abgesprochen, stark zu sein. Wie das mit Erkenntnissen so ist, boten mir seitdem zwei weitere Menschen Hilfe beim Tragen an – beide sind weiblich.Ich fing daraufhin im Kopf eine Liste mit Freundinnen an, die einen Führerschein besitzen. Und merkte: Auch hier bin ich sofort davon ausgegangen, sie würden keinen Umzugswagen fahren. Ich rief also eine der Freundinnen an und fragte: „Traust du dich Umzugswägen zu fahren?“ Sie antwortete: „Hm, ich würde es einfach ausprobieren, auch wenn ich Respekt davor habe.“ Da war mir klar: Ich bin das Problem. Ich brauche dringend wieder Nachhilfe im Feminismus! Suche: Feminismus-Nachhilfelehrerin. Biete: starke Frau zum Umzugskarton schleppen.Super Safe SpaceNoelle Konate ist 1994 in München geboren, ausgebildet in Modejournalismus und Medienkommunikation und lernt aktuell an der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg. Für den Freitag schreibt sie im Wechsel mit Saskia Hödl, Leander F. Badura und Alina Saha die Kolumne „Super Safe Space“.