Das Mittelsächsische Theater bringt das Weihnachtsmärchen als rasantes Abenteuer auf die Bühne. Es erzählt kindgerecht vom Verlieben, von Druck aber auch von der Zuneigung, die Zeit braucht.

Freiberg.

Einmal Prinzessin sein – welches Mädchen wünscht sich das nicht? Prinzessin Tausendschön (gespielt von Nele Schweers) ist eine solche und sich ihrer Privilegien durchaus bewusst. Die schöne junge Frau genießt ihr Leben in vollen Zügen. Sie scheucht ihr Personal, trägt schöne Kleider, wickelt ihren Vater, den sie liebevoll „Papakönig“ nennt, um den kleinen Finger. Alles gut, von ihrer Seite aus kann das durchaus so bleiben. Dass Märchen so jedoch nicht funktionieren, stellt „Das singende klingende Bäumchen“ unter Beweis, welches als Weihnachtsstück am Freitag in Freiberg am Mittelsächsischen Theater Premiere feierte. Dort soll Prinzessin Tausendschön nämlich heiraten und zwar schleunigst. Warum das so ist, bleibt weitestgehend im Dunkeln, angedeutet wird, dass der König (Urs Schleiff) seine verstorbene Gattin vermisst und des Regierens leid ist. Die Kroninsignien sollen also in die nächste Generation übergehen, was durchaus nachvollziehbar ist – doch dafür braucht es aus nicht näher genannten Gründen einen Prinzen, der die Prinzessin heiratet.

Wenn die Prinzenwahl zur Qual wird

Bewerber gibt es genug, Tausendschön ist jedoch wählerisch und lehnt sie alle ab. „Wie viele Prinzen wollt ihr denn noch abweisen?“, fragt der Hofmarschall die Prinzessin . „So viele wie ich will“, antwortet sie. Mit der Ansicht zweier Bewerber wird den Zuschauenden schnell der Grund ihrer Ablehnung klar: unter den Prinzen sind affektierte Stutzer, die sie kaufen, und rüde Räuber, die sie gewaltvoll rauben wollen. In vielen Adaptionen des Märchens, etwa in der berühmten Defa-Verfilmung mit Christel Bodenstein aus dem Jahr 1957, wird die Prinzessin als arrogant und eitel dargestellt. In der Chemnitzer Version unter der Regie von Andreas Pannach bekommt die Rolle eine andere Lesart: Die Prinzessin besteht auf eine echte Wahl. Als dann ein annehmbarer Prinz erscheint, weiß sie nicht, was zu tun ist. Peter Peniaška verkörpert den Prinzen als netten jungen Mann, unaufgeregt, mit Umhängetasche und Tierliebe. Anstatt zuzusagen, gibt sie ihm eine Aufgabe auf den Weg: Er soll ihr das singende klingende Bäumchen besorgen. Gefordert, getan.

Bösewicht im Wandel: Theater zeigt Troll statt Zwerg

In echter Heldenmanier begibt sich der Prinz in den Zauberwald. Dort regiert Troll. Dabei handelt es sich um ein boshaft-charismatisches Zauberwesen, gespielt von Natalie Renaud-Claus. Dabei entfernt sich das Märchen in der Handlung vom Defa-Film, wo der Antagonist ein böser Zwerg ist. Das Wesen übergibt das Zauberbäumchen mit der Bedingung, dass der Prinz es innerhalb eines Tages zum Klingen bringen muss. Das Gewächs tönt jedoch nur dann, wenn die Prinzessin den Prinzen auch wirklich wahrhaft liebt. Dass das schiefgehen muss, steht außer Frage. Denn welche Liebe entsteht denn nach der ersten Begegnung? Die Prinzessin zeigte dem Prinzen von vornherein, dass sie nicht abgeneigt ist. Als der Prinz ihr das Bäumchen bringt, brüllt sie ihm ihre Liebe sogar entgegen. Nichts passiert. Der Prinz scheitert also, wird in einen Bären verwandelt und die Prinzessin bleibt mit dem stummen Bäumchen zurück – bis der Prinz sie vor Wut gewaltsam raubt und in den Zauberwald entführt. Dass die Geschichte spätestens dann problematisch wird, ist im Märchen angelegt. Die Mittelsächsische Inszenierung geht aber sachte vor. Der Bär-Prinz umsorgt die Prinzessin, die lernt langsam, dass es mehr gibt, als sich selbst und dass sie Resonanz, etwa von Tieren, nicht befehlen kann. Sie lernt zu lieben. Nach einigem Hin und Her, Eingriffen und Zaubereien vom Troll, einem König auf Befreiungsmission, einem Schmetterlingsjäger und weiteren Skurrilitäten, beginnt das Bäumchen dann zu singen und zu klingen. Es kommt zum Happy End.

Szene aus "Das singende klingende Bäumchen". Foto: Detlev Müller

Szene aus „Das singende klingende Bäumchen“. Foto: Detlev Müller Bild: Detlev Müller

Schöne Inszenierung – auch dank drehbarem Bühnenbild

Eine schöne Inszenierung. Sie ist, wie es sich für Weihnachtsmärchen gehört, voller Witz, Action, Geknall und Geflimmer. Die Kindern quittierten das Geschehen durch lautes Wohlwollen. Wohltuend ist es also, dass große Fragen, etwa die, ob ein Mensch sich verlieben muss und wie schnell es dann eigentlich gehen kann und soll, in einem kindgerechten Rahmen verhandelt werden. Das Stück zeigt, dass es für Liebe ein gewisses Maß an Offenheit, Menschlichkeit und vor allem Zeit braucht – und auch der Prinz ist zwar Entführer, benimmt sich aber trotz Bärengestalt recht passabel. Auch dem Bühnenbild und der Ausstattung der bunten Bühne und Kostüme gilt ein großes Lob. Im Prinzip spielt die Handlung an zwei Orten – dem Thronsaal und dem Zauberwald. Zwischen denen wird häufig gewechselt, weil die Elemente des Bühnenbildes einfach umgedreht werden. Techniker kommen auf die Bühne und drehen den Thron, der dann zur Höhle wird, rollen den Fischbrunnen ins Sichtfeld. Ein guter Kniff, der Kinder nicht nur zum Staunen bringt, sondern sie auch sanft an die Wirkmechanismen des Theaters heranführt.

Das StückDas singende klingende Bäumchen“ wird an diesem Samstag um 14 und 17 Uhr erneut im Theater Freiberg gezeigt. Weitere Infos finden sich unter www.mittelsaechsisches-theater.de.



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Von Veritatis

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