Am Samstag fand dann doch die Budapester Pride Parade statt. Zuvor war einige Zeit lang nicht klar gewesen, ob es dazu kommen würde. Es gab daher im Vorfeld geradezu eine Welle der Empörung deutscher Politiker: CDU-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte sich bereits im Vorfeld zu einem „Ally“ (Verbündeten) der Veranstaltung.
Gleich mehrere hochrangige deutsche Grünen-Politiker reisten am Samstag, dem geplanten Datum der Pride-Parade, nach Budapest: Mit dabei waren etwa der EU-Abgeordnete Daniel Freund und die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die vorher noch die mutmaßliche Linksterroristin Maja T. besucht hatten (Apollo News berichtete) und die grüne Spitzenkandidatin bei der vergangenen EU-Wahl, Terry Reintke. Freund kritisierte das vermeintliche Verbot der Demo auf X: „Viktor Orbán verbietet die Pride-Party. Er und sein 19-köpfiges Männerkabinett wirken so unsicher, dass ihnen Händchenhalten zu viel ist.“
Tatsächlich hatte das ungarische Parlament dieses Frühjahr ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, Veranstaltungen, im Falle dessen, dass das Kinderwohl gefährdet ist, zu verbieten. So ist nach einem ungarischen Gesetz aus dem Jahr 2021 etwa das explizite Zur-Schau-Stellen von Transsexualität vor Minderjährigen verboten. Auf dieser Basis verbot die ungarische Polizei auch die diesjährige Pride-Parade.
Doch am Ende fand die Demonstration dennoch statt – die Polizei traf reguläre Sicherheitsvorkehrungen. Berichte von Verhaftungen oder Strafanzeigen gab es keine. Zuvor hatte der grüne Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, interveniert und die Parade in eine offizielle Veranstaltung der Stadt umgewandelt. Auch wenn die ungarische Polizei diese Entscheidung öffentlich nicht anerkannte, konnte die Demo ohne jegliche staatliche Behinderung stattfinden. Sogar über 50 NGOs unterstützten die Organisation der Parade. Insgesamt konnte eine Rekordzahl von bis zu 200.000 Menschen an der Demo teilnehmen.
In der deutschen Presse war zuvor ein lauter Aufschrei zu hören. In einem Kommentar im öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk wurde die Begründung, dass die Polizei (nicht Orbán) für das Verbot nutzte, als „völlig absurd“ bezeichnet. Mit dem Verbot wolle Orbán „seine Macht retten“, titelte unterdessen der Spiegel. Der ungarische Ministerpräsident würde sowieso schon „seit langem (…) die queere Gemeinschaft“ drangsalieren.
Dass so viele Politiker und Journalisten sich Sorgen über die Versammlungsfreiheit in Ungarn machen, ist verwunderlich angesichts der Tatsache, dass der Aufschrei über Demo-Verbote während der Corona-Krise nie besonders groß war – ganz im Gegenteil. Als vor vier Jahren Tausende Menschen in Deutschland gegen die Corona-Politik der Bundesregierung auf die Straße gingen, reagierte der Staat mit eiserner Härte. Im August 2021 wurden etwa angekündigte Großdemonstrationen in Berlin verboten – die Polizei unterband alles, was auch nur einer Versammlung ähnlich sah. Menschen wurden in Kessel gezwungen – ihre Personalien aufgenommen und ein Verfahren eröffnet.
Ähnliche Szenen spielten sich in vielen deutschen Städten ab. Die Begründung damals bestand – wie man heute weiß – aus höchst fadenscheinigen Behauptungen des Gesundheitsschutzes. Im Nachhinein wurde das Corona-Versammlungsrecht juristisch mehrfach abgestraft – zuletzt etwa durch den Brandenburger Verfassungsgerichtshof, der die Versammlungsregelung des Bundeslandes im Sommer 2020 für verfassungswidrig erklärte.
Ein Verbot einer Demo, wie es in Budapest ursprünglich der Fall war, wird berechtigterweise kritisch gesehen. Anders als in Deutschland während der Corona-Zeit war die Demonstrationsfreiheit in Ungarn jedoch auch am Samstag gewährleistet – das muss anerkannt werden, ungeachtet dessen, was man von der Verbots-Begründung der ungarischen Polizei hält. Während nun zahlreiche Politiker und Medien Ungarns Regierung für das Verbot, das es am Ende in der Praxis nicht gab, kritisierten, blieben eben jene still oder begrüßten sogar rigorose Demo-Verbote während der Corona-Zeit.