Die SPD will, dass auch Privathaushalte bei der Stromsteuer entlastet werden, der Koalitionsausschuss befasst sich damit. Dabei könnten staatliche Investitionen ins Stromnetz viel billiger die Kunden entlasten, erklärt Tom Krebs
Es wird im Koalitionsausschuss heiß diskutiert, wie der Strompreis sinken soll
Foto: Rene Traut/picture allianz
der Freitag: Herr Krebs, der Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung befasst sich heute mit dem Strompreis. Was halten Sie von den geplanten Maßnahmen?
Tom Krebs: Die Bundesregierung hat das Problem richtig erkannt. Es ist entscheidend, für berechenbare und wettbewerbsfähige Strompreise zu sorgen. Das ist auch wichtig für eine Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft, weil da die Elektrifizierung eine große Rolle spielt. Heute ist jedoch der Strompreis zum Teil zu hoch und unterliegt starken Schwankungen. Aber mit den bisher bekannten Maßnahmen erreicht die Bundesregierung nicht ihr Ziel. Kurz gesagt: Problem erkannt, aber falsche Maßnahmen ergriffen.
Bislang sieht die Koalition eine Senkung der Stromsteuer zunächst nur fü
Bislang sieht die Koalition eine Senkung der Stromsteuer zunächst nur für das produzierende Gewerbe und die Land- und Forstwirtschaft vor, und zwar ab Januar 2026. Was ist daran falsch?Im Koalitionsvertrag steht, dass die Stromsteuer auch für private Haushalte gesenkt wird. Dies jetzt nicht zu tun, ist falsch und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Regierung. Es sendet das Signal, dass die Alltagsprobleme der Menschen nicht zählen.Aber im Koalitionsvertrag steht auch, dass alles unter „Finanzierungsvorbehalt“ steht. Wie teuer wird das? Beim Strom verspricht die Bundesregierung, die Preise um fünf Cent pro Kilowattstunde zu senken. Das klingt nach einer Preissenkung für alle Verbraucher, also für energieintensive Unternehmen, den gesamten Mittelstand und die Privathaushalte. Das könnte durch Zuschüsse oder Steuersenkungen geschehen, was im Jahr rund 25 Milliarden Euro kosten würde. In zehn Jahren sind das 250 Milliarden Euro, was der Hälfte des Sondervermögens entspräche.Das wäre die bekannte Zuschuss-Politik. Ja, aber das würde nicht ausreichen, genauso wie eine Senkung der Stromsteuer. Denn viele Industrieunternehmen sind bereits von dieser Steuer befreit. Ihre Entlastung müsste wieder anders aussehen. Wie wir es drehen und wenden: Mit Zuschüssen und Steuersenkungen wird es sehr teuer werden, den Strompreis um fünf Cent je Kilowattstunde zu senken. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?Das lässt sich leicht ausrechnen: Wir kennen den gesamten Stromverbrauch in Deutschland, er beträgt rund 500 Terawattstunden. Daher lässt sich ableiten, dass es Kosten in Höhe von 25 Milliarden Euro verursachen würde, wenn der Strompreis um fünf Cent sinken soll. Das ist viel zu teuer – und wird so nicht funktionieren. Wir könnten für alle Unternehmen und privaten Haushalte die Strompreise um zwei bis drei Cent senken, wenn wir das System effizienter gestalten. Dafür gibt es aber keinerlei Maßnahmen im Koalitionsvertrag, im Gegenteil: Ich entdecke nur Maßnahmen, die Strompreise erhöhen werden.Inwiefern?Die drohende Verteuerung sehe ich bei den Netzentgelten. Sie sind mit einem Drittel ein wichtiger Teil des Strompreises und unterliegen Schwankungen, die zur Unsicherheit im Markt führen. Es geht nicht nur um eine Senkung der Preise, sondern auch um eine gewisse Sicherheit, etwa durch stabilere Netzentgelte. Die Höhe künftiger Netzentgelte ist unklar, weil wir viele Milliarden in den Netzausbau investieren müssen. Dabei setzt die Bundesregierung weiterhin auf privates Kapital von BlackRock und Co., um die Stromnetze auszubauen.Aber es wird oft behauptet: Private investieren effizient, der Staat verschwendet das Geld?Im Fall der Stromnetze ist genau das Gegenteil wahr: Es gibt nur regulierte Monopolisten – und keinen echten Wettbewerb, schon gar nicht unter den privaten Investoren. Vor diesem Hintergrund hat das private Kapital eine sehr hohe Rendite-Erwartung, etwa zehn Prozent. Wenn das Geld für den Stromnetzausbau nur aus privaten Händen kommt, dann kostet das in den nächsten Jahren noch einmal 100 Milliarden Euro, weil die Verzinsung privaten Eigenkapitals so hoch ist. Das haben wir ausgerechnet. Diese enorme Summe steigert wieder die Strompreise, oder der Staat gleicht diesen Betrag durch Zuschüsse aus.Welche Rolle spielt dabei die Bundesnetzagentur?Eine solche Entwicklung ist nur möglich, wenn die Bundesnetzagentur, die Regulierungsbehörde, die Netzentgelte erhöht. Und damit steigen die Strompreise für alle Verbraucher. So gibt es einen Zielkonflikt zwischen der Finanzwirtschaft mit ihren großen Rendite-Erwartungen und der Gesellschaft, die niedrigere Strompreise fordert. Dabei wird uns das Märchen von einem Markt erzählt, der überhaupt nicht existiert.Aber die Bundesnetzagentur sollte doch die Netzentgelte drücken können?Die Bundesnetzagentur ist sich zwar bewusst, dass es da ein Problem gibt. Sie versucht auch, den kalkulatorischen Eigenkapitalzins herunterzusetzen. Denn davon hängt die Höhe der privaten Renditen ab, und damit die Höhe der Netzentgelte. Aber: Sobald die Behörde beginnt, diesen Eigenkapitalzins zu reduzieren, reagieren die privaten Investoren negativ – und stellen kein Kapital mehr zur Verfügung. Eine solche Situation ist bereits eingetreten. Kann es legitim sein, in einer Monopol-Situation maximale Renditen abzuschöpfen?Die Antwort lautet: Nein. Es ist zwar nicht schlecht, wenn private Investoren hohe Renditen erwirtschaften, sobald sie in innovative Technologien investieren. Doch das trifft nicht auf Stromnetze zu; das Geld der Investoren fördert nicht die Effizienz der Netze. Es gibt dort keinen Wettbewerb, und hohe Renditen lassen sich nicht als Ausdruck starker Wettbewerbsfähigkeit interpretieren. Tatsächlich erhöht einfach die Bundesnetzagentur den Eigenkapitalzins – per Anweisung und keinesfalls als Marktergebnis!Sollten wir besser von „Planwirtschaft“ sprechen?Wir sprechen im Netzbereich aus guten Gründen von einer Planwirtschaft, weil wir die Netze planvoll ausbauen müssen. Lassen wir jetzt hohe Renditen auf Eigenkapital zu, besteht der einzige Effekt in steigenden Strompreisen und überhaupt nicht in Effizienzgewinnen. Auf einem echten Markt wären hohe Rendite-Erwartungen in Ordnung, weil wir davon ausgehen würden, dass sich der bessere Wettbewerber durchsetzt. Doch am Strommarkt sind Monopolisten unterwegs, das ist in keiner Weise ein funktionierender Markt.Ließen sich Investitionen ins Stromnetz anders organisieren?Der Einsatz privaten Kapitals findet unter dem Begriff einer „Öffentlich-Privaten-Partnerschaft“ (ÖPP) statt. Mit den bereits genannten Nachteilen, bis hin zur Ausbeutung des öffentlichen Partners. Dazu ist eine Alternative möglich, die „Öffentlich-Öffentliche-Partnerschaft“ (ÖÖP). Sie kann wirklich zu sinkenden Strompreisen führen und ist auf viel mehr Fairness in der Partnerschaft ausgerichtet.Das geht im Rahmen einer ÖÖP so: Bund, Länder oder die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) gründen „Öffentliche Beteiligungsgesellschaften“, die das nötige Kapitel bereitstellen. Der Unterschied zum privaten Kapital: Die Rendite-Erwartung liegt etwa nur bei drei und nicht bei zehn Prozent!Wären dafür Steuermittel nötig? Oder erfolgt die Finanzierung durch weitere Staatsverschuldung?Sicher stellt sich die Frage, wie sich eine „Öffentliche Beteiligungsgesellschaft“ finanziert und ihre Mittel den Netzbetreibern zur Verfügung stellt. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel eine Finanzierung durch Kredite. Der Bund kann sich im Moment für rund 2,5 Prozent verschulden und könnte das Geld an die „Öffentliche Beteiligungsgesellschaft“ weitergeben, die das Geld in das Stromsystem investiert. Dabei entstehen Vermögenswerte, wodurch diese Kredite in der Schuldenbremse nicht angerechnet werden. Das erlaubt das Grundgesetz, das hingegen keine Konsum-Ausgaben durch Verschuldung zulässt.Eine staatliche Investition in Sachwerte fällt also nicht unter die Schuldenbremse?So ist es. Da wäre keine Änderung an der Schuldenbremse nötig, auch Kürzungen im Haushalt sind überflüssig. Das gilt für die Bundes- und Landesebene.Wie wirkt sich dieses Vorgehen auf den Strompreis aus?Bund und Länder sind keine privaten Investoren. So können sie ihr Geld zu günstigen Bedingungen an die „Öffentlichen Beteiligungsgesellschaften“ weitergeben, die jetzt zum Beispiel als Investoren bei Netzbetreibern einsteigen. Da sie geringere Rendite-Erwartungen haben, können die Strompreise sinken, da die Netzentgelte zurückgehen und den Strompreis weniger belasten. Es besteht nicht mehr das Ziel, eine private Rendite von zehn Prozent zu erwirtschaften.Gleichzeitig würde ein öffentlicher Kapitalstock aufgebaut, der nicht in das Eigentum von Privatinvestoren fällt. Das heißt alles zusammen: Es wären keine anderen Maßnahmen nötig, um die Strompreise in den Griff zu bekommen. Die Stromsteuer müsste als Einnahmequelle für den Staat nicht verloren gehen, wenn wir den Strommarkt effizienter organisieren – mit „Öffentlichen Beteiligungsgesellschaften“.Aber das wird der Koalitionsausschuss nicht beschließen! Warum wird aus diesen sinnvollen Überlegungen keine konkrete Politik?Die privaten Renditen stehen im Mittelpunkt. Für sie setzt sich die Lobby der Finanzindustrie ein, genauso wie große Teile der Energiewirtschaft und der Netzbetreiber. Da wird viel Druck aufgebaut. Zudem sind CDU/CSU und SPD damit einverstanden, staatliche Garantien und Zuschüsse zu nutzen, um privates Eigenkapital im Energiesektor anzuziehen. So steht es im Koalitionsvertrag. Daher ist ganz klar: Die Interessen weniger Kapitaleigentümer erhöhen die Kosten für unser Leben. Alles wird für alle teurer.