Thuy Tran ist Inhaberin eines vietnamesischen Restaurants in einem Hannoveraner Vorort. Mit ihrem Partner hat sie das Asia-Haus aufgebaut – für Familie und Ausruhen bleibt ihnen nur der Samstag. Warum das stressig ist – aber auch der Traum


„Ich möchte nicht weniger arbeiten, aber ich möchte gerne gut von meiner Arbeit leben können“

Foto: Franziska Gilli für der Freitag


Das Asia-Haus ist ein kleines Restaurant in Godshorn, einem Vorort von Hannover. Und es ist der Lebenstraum von Thuy Tran, der Inhaberin. Die 40-Jährige hat sich gemeinsam mit ihrem Freund hier alles erfüllt, was sie immer wollte: Menschen die vietnamesische Essenskultur näherbringen. Dafür arbeitet sie von morgens bis abends im Asia-Haus und kümmert sich um ihre Stammkunden. Der Samstag ist eigentlich reserviert für ihre drei Kinder. Für unser Gespräch hat sie sich trotzdem Zeit genommen. Essen gibt es heute nicht, aber Getränke: einen Eiskaffee und einen Tee.

Thuy Tran: Leider kann ich dir heute kein Essen anbieten, samstags haben wir geschlossen.

der Freitag: Kein Problem, ich weiß ja, dass es lecker bei euch ist. Hast du ein Lieblingsgeri

der Freitag: Kein Problem, ich weiß ja, dass es lecker bei euch ist. Hast du ein Lieblingsgericht von eurer Karte?V4. Das ist das Essen meiner Kindheit: Bun Xao. Dünne Reisnudeln, angebraten mit Gemüse und Fleisch. Ich wollte, dass es so schmeckt wie in meiner Kindheit – und das tut es.Ihr habt ja nicht nur vietnamesische Gerichte auf der Karte.Ja, aber auf die erste Seite der Karte mache ich immer nur vietnamesische Gerichte. Ich möchte, dass die Deutschen wissen, was wir wirklich essen. Einige Kräuter sind für Deutsche zu würzig. Vietnam hat bestimmt 50 bis 70 verschiedene Kräuter, manche kann man hier auch gar nicht kaufen. Wir passen das Essen an Deutsche an. Ein Beispiel ist Koriander. Da sagen einige Deutsche: Bäh, Seife! Und ich sage: was, Seife!? Es ist so lecker!Verkaufen sich die vietnamesischen Gerichte gut?Schon – aber die Leute mussten langsam herangeführt werden. Am Anfang hatten wir fünf bis zehn vietnamesische Gerichte auf der Karte. Jetzt sind es schon zwanzig – die Leute trauen sich langsam.Ich mag zum Beispiel Pho gerne, traue mich aber nie, das in Restaurants zu bestellen, weil ich es einfach nicht richtig aussprechen kann. Was meinst du?Phở (bemüht sich sehr). Ah, Phở! (lacht)Siehst du, ich kann es nicht. (lacht)Na ja, aber wir können es meistens verstehen. Ich habe lange das Wort Käsespätzle nicht sagen können. Das Wort ist wirklich schwierig. Aber verstanden haben mich immer alle.Zum Glück muss man ja nicht so oft Käsespätzle sagen.Musste ich schon! Ich habe acht Jahre in München gelebt und dort in der Gastronomie gearbeitet. Da habe ich angefangen, für Deutsche zu arbeiten und habe gemerkt: Je besser ich Deutsch spreche, desto mehr Geld kann ich verdienen. Das war meine Motivation, mehr Deutsch zu lernen. Über eine Leiharbeitsfirma habe ich damals einen Job in einem typisch bayerischen Restaurant gefunden. Im Storcheneck – dieser Vogel, der Kinder bringt.Und dort gab es Käsespätzle? Genau. Und viele andere Gerichte, die ich mir am Anfang mit Zahlen gemerkt habe, weil die Begriffe so schwierig für mich waren: Käsespätzle, Leberkäs, Schweinebraten, Johannesbeerschorle, Radler. Deutsch und Bayerisch, das ist ja nicht das Gleiche. Und Ćevapčići, weil die Freundin meines Chefs aus Jugoslawien kam.Wenn ich meine Schicht angefangen habe, habe ich eine zweite Karte gedruckt und sie in die Karte gelegt. Darauf waren die Nummern. Nach ein paar Wochen hatte ich dann alles im Kopf. Dann konnte ich ohne Nummern arbeiten. Nach sechs Monaten ging die Arbeit dann leicht und ich hatte viele Stammkunden.Wie war das?Viele fanden niedlich, dass eine Vietnamesin in einem bayerischen Restaurant arbeitet. Ich habe die Arbeit immer so gemacht, als wäre ich der Chef. Habe dann auch in der Küche manchmal Arbeiten übernommen. Nur Kaiserschmarrn kann ich noch immer nicht machen, das ist echt schwer.Wie bist du von München nach Hannover gekommen?In München habe ich meinen Freund kennengelernt, der dort als Koch gearbeitet hat. Ich war nie eine gute Köchin, aber er ist der beste. Ich wollte schon in Vietnam ein Restaurant eröffnen, aber aus politischen Gründen war das schwierig. In Vietnam war ein Restaurant zu haben, kein Prestige-Job.In Deutschland auch nicht, oder?Na ja, es ist schon anders als in Vietnam. Dort war man vor zwanzig Jahren als Arbeiterin in einem Restaurant nur Service-Kraft und sonst nichts. Das hat sich zum Glück auch etwas verändert mittlerweile.Jetzt bist du die Chefin. Wie ist das?So toll! Seit zwei Monaten haben wir endlich genug Mitarbeiter. Vorher habe ich alles gemacht. Auch mal in der Küche geholfen. Da musste ich lernen, mit den Kochmessern zu arbeiten. Die sind anders als die Messer zu Hause. Bisher habe ich mir aber noch nicht in die Finger geschnitten.Seit zwei Monaten haben wir endlich genug Mitarbeiter. Vorher habe ich alles gemachtKonntest du oder dein Freund vorher überhaupt mal krank sein?Nein. Wir sind eigentlich nie krank. Mein Freund nur mal an einem Samstag, wenn geschlossen ist. Ich bin auch nicht krank. Und wenn doch, versuche ich mich über Nacht zu erholen. In den Stoßzeiten bin ich immer hier. Mein Freund hat einen guten Blick für alles, er kann bloß kein Deutsch, das ist natürlich schwierig mit den Kunden. Für einen Deutschkurs hat er leider keine Zeit, er arbeitet ja immer.Wie fängt euer Tag an?Morgens stehe ich mit meinen Kindern auf, so um viertel nach sieben. Die beiden Großen gehen alleine zur Schule, dann mache ich Frühstück für die Kleine. Ich bringe sie um neun Uhr in den Kindergarten und dann beginnt mein Tag. Es gibt welche, an denen ich Gemüse einkaufen gehe. Wir bekommen zwar Gemüse geliefert, aber ich möchte auch mal selbst was aussuchen. So kann ich besser auf die Qualität achten. Blumen und Obst für den Hausaltar kaufe ich auch Anfang der Woche.Dann ist es schon elf Uhr und ich bin im Laden. Wenn ich zwischendurch Zeit habe, fahre ich noch nach Hause und mache Buchhaltung. Mein Freund ist um neun Uhr im Restaurant und bereitet alles zusammen mit meinem Schwager und meinem Neffen vor.Ihr habt dann bis spätabends geöffnet.Früher hatten wir durchgehend Küche, aber da hat mein Freund nie Pause gehabt. Deshalb mussten wir das ändern. In der Nachmittagspause essen wir, oft auch mit den Kindern, die dann aus der Schule kommen. Das ist unsere Familienzeit. Wann ich abends nach Hause komme, ist unterschiedlich. Im Moment ist die Küche bis neun Uhr geöffnet, ungefähr dann mache ich Feierabend. Mein Freund ist um halb elf zu Hause. So 60 oder 70 Wochenstunden, das ist normal bei mir.Sagen deine Kinder manchmal, dass du zu viel arbeitest?Im Moment nicht mehr. Wir haben jetzt samstags frei und da können wir Zeit mit den Kindern verbringen. Ich bin froh über den freien Tag, auch wenn nicht alle Kunden damit einverstanden waren.Haben sie das gesagt?Viele Kunden haben sich über den freien Tag gewundert. Sie haben gesagt: Samstags haben wir mal Zeit und Ruhe und möchten gerne hier essen kommen. Dann habe ich erklärt: Ich bin immer hier, jeden Tag, ich muss auch mal bei meinen Kindern sein. Das haben sie dann schon verstanden. Aber am Anfang nicht.Könnt ihr finanziell gut von eurer Arbeit leben?Was ich erarbeite, ist ausreichend für uns und für meine Kinder. Ich habe den Job, den ich gerne mache. Ich verdiene nicht so viel Geld, wie damals, als ich in München gearbeitet habe. Aber ich kann jetzt die Zeit für mich und meine Kinder besser planen.Ich erwarte nichts von der PolitikGibt es etwas, was du dir von der Politik wünschst?Na ja, es heißt ja selbständig – also selbst und ständig. Ich erwarte nichts von der Politik. Ich habe gehört, dass die Mehrwertsteuer demnächst heruntergehen wird. Das wäre super, dann können wir ein bisschen mehr sparen. Ich möchte nicht weniger arbeiten, aber ich möchte gerne gut von meiner Arbeit leben können. Die Leute sind übrigens auch nicht mehr so großzügig wie früher.Ja, merkst du das?Man merkt schon, dass alle weniger Geld haben. Aber zum Glück gibt es auch die Stammkunden. Die unser Essen wertschätzen, dass wir gutes Salz und kein Glutamat verwenden – und dann auch Trinkgeld geben. Das hier ist mein Traum, den hat mir mein Mann erfüllt, mit seiner Küche. Eigentlich habe ich alles geschafft.Thuy Tran ist 40 Jahre alt und Inhaberin des Restaurants Asia-Haus in Godshorn nahe Hannover. Gemeinsam mit ihrem Partner baute sie den Betrieb zusammen auf. Bevor sie nach Hannover kam, hat sie acht Jahre in der Gastronomie in München gearbeitet

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Von Veritatis

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