In Rio de Janeiro nahm der Iran erstmals am BRICS-Gipfel teil – und tanzte prompt aus der Reihe. Als wäre das nicht genug, sprach Donald Trump nach dem Treffen eine harte Drohung aus. Steht das antiwestliche Bündnis vor einer Zerreißprobe?
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (5. v. l.) musste als Gastgeber des diesjährigen BRICS-Gipfels zwischen den teils gegensätzlichen Interessen der Mitglieder balancieren
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In Rio de Janeiro tagten am Wochenende die BRICS-Staaten – doch weder der russische Präsident Wladimir Putin noch Chinas Staatschef Xi Jinping ließen sich an der Copacabana blicken. Das Bündnis schwächelt. Und dann kam noch US-Präsident Donald Trump mit Drohungen um die Ecke. In welchem Zustand befindet sich der Staatenbund 16 Jahre nach seiner Gründung? Und welche Rolle spielte das Neumitglied Iran bei dem Gipfel?
Die jetzt elf Mitgliedsstaaten repräsentieren 48 Prozent der Weltbevölkerung und 39 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Doch mehr als ein Wirtschaftsbündnis einiger wichtiger Schwellenländer mit regional und global auseinanderstrebenden Interessen sind die BRICS+ nach wie vor nicht.
Dank Russlands und Chinas Dränge
S+ nach wie vor nicht.Dank Russlands und Chinas Drängen und gegen den hinhaltenden Widerstand von Brasilien und Indien sind die BRICS um sechs Mitgliedstaaten erweitert worden. Die Neuen – Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indonesien – waren in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Der Club, einst als Gegengewicht zur G7 gegründet und als „anti-westliches“ Bündnis gedacht, hat an Zahl gewonnen – aber dadurch nicht gerade an Geschlossenheit.Was stand in der gemeinsamen Abschlusserklärung der BRICS-Staaten?Im Gegenteil: Ägypten und Äthiopien sind regionale Gegner, Iran und Saudi-Arabien tief verfeindet. Indien und Brasilien, die beiden einzigen Demokratien, haben keinerlei Interesse daran, sich in eine antiwestliche Allianz einzureihen. Sie wollen mit Europa und den USA mindestens ebenso gute Beziehungen pflegen wie mit China oder Russland. Sich Arm in Arm mit China, Russland oder dem Iran gegen ihre alten Partner in Europa und Amerika zu stellen, liegt ihnen gar nicht – auch wenn inzwischen China für Brasilien der wichtigste Handelspartner geworden ist. Indien vergisst die Grenzkonflikte mit China und dessen enge Beziehung zum Erzfeind Pakistan nicht. Brasiliens Regierungschef Lula da Silva musste als diesjähriger Vorsitzender des Gipfels daher vorsichtig balancieren zwischen widerstreitenden regionalen und globalen Interessen der Mitglieder.Als geopolitische Plattform sind die BRICS wichtig. Doch die Uneinigkeit zwischen einer antiwestlichen Fraktion und einer eher blockfreien Gruppe – Brasilien, Indien, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate – lässt sich nicht übertünchen. Mit dem Iran als Mitglied haben sich die BRICS einen Problemfall eingehandelt. Das ungeliebte Neumitglied wenigstens verbal einzubinden, fiel den Brasilianern sichtlich schwer.In ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung äußerten die BRICS „ernsthafte Bedenken“ gegenüber Trumps Zollpolitik. Der US-Präsident reagierte mit einer Drohung: „Jedes Land, das sich mit der anti-amerikanischen Politik der BRICS verbündet, wird mit einem zusätzlichen Zehnprozentsatz belegt. Dabei wird es keine Ausnahmen geben“, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. Die BRICS berufen sich bei ihrer Kritik an der US-Handelspolitik auf Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Doch ist die WTO eine der Säulen der westlich dominierten Weltordnung, die China und Russland gern aushebeln und durch eine andere Ordnung nach ihrem Gusto ersetzen würden.Zum Umsturz der bestehenden Weltordnung kam es in Rio nichtVon Putins Plan eines eigenen Zahlungssystems innerhalb der BRICS war zwar die Rede. Doch starken Worten folgen keine konkreten Reformschritte. Denn Brasilien, Indien, Südafrika und einige andere ziehen nicht mit. Kurz vor dem Gipfel hatten die Finanzminister der BRICS eine Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF), vor allem eine Neuverteilung der Stimmrechte, verlangt – eine alte und berechtigte Forderung.Aber eben kein Aufruf zum Umsturz der bestehenden Weltordnung. Russland und Iran befinden sich im Krieg mit ihren Nachbarstaaten. Obwohl Iran und China Russlands Krieg de facto unterstützen, agieren sie nicht als Alliierte. Politisch, geschweige denn militärisch, sind die BRICS ebenso wenig handlungsfähig wie die G7. Dafür gab es einige freundliche Redensarten über Friedensinitiativen und klare Kante gegen Sanktionen – solange diese nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängt würden.Den Angriff Israels und der USA auf den Iran verurteilen sie ebenso wie Israels Krieg in Gaza. Doch da endet die Einheitsfront. Denn der Iran bestreitet im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedsstaaten in diesem Club vehement das Existenzrecht Israels. Außerdem treten alle für eine Zweistaatenlösung zur Befriedung des Palästinakonflikts ein – außer dem Iran. Der hält seine deutlich abweichende Position in einem Zusatz zur gemeinsamen Abschlusserklärung fest. In seiner Eröffnungsrede hat Lula die Hamas ebenso wie Israel scharf kritisiert. Doch den Staat Israel vernichten – damit steht der Iran im Kreis seiner neuen Partner allein da.