Der jüngste BRICS-Gipfel in Rio de Janeiro hat laut dem renommierten Journalisten Pepe Escobar eine bedeutende Weichenstellung für die geoökonomische und geopolitische Landschaft markiert. Trotz negativer Berichterstattung westlicher Medien, die das Fehlen einiger Staatschefs wie Wladimir Putin und Xi Jinping als Schwäche auslegten, betonte Escobar die Ernsthaftigkeit und den Erfolg des Treffens. „Die westlichen Mainstream-Medien behaupten, der Gipfel sei unwichtig, weil Putin und Xi nicht vor Ort waren. Das ist der übliche Unsinn, den man von diesen Leuten erwartet“, sagte Escobar und wies darauf hin, dass die starken Delegationen aus Russland, China und Indien sowie die Teilnahme zahlreicher globaler Süden-Staaten die Bedeutung des Gipfels unterstreichen.
Hochkarätige Delegationen und strategische Partnerschaften
Russland war durch Außenminister Sergei Lawrow vertreten, während China eine beeindruckende Gruppe von Akademikern und Wirtschaftsvertretern entsandte. „Die Russen nehmen das sehr ernst“, erklärte Escobar. „Die Teilnahme von Maksim Oreschkin, einem der drei wichtigsten Wirtschaftsberater Putins, zeigt, wie wichtig dieser Gipfel für Russland ist.“ Auch die chinesische Delegation war herausragend, mit Vertretern der renommierten Beijing Club und der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, die in Rio intensive Diskussionen führten. „Die Chinesen sagten mir, dass die wichtigsten Themen zwischen Xi Jinping und Lula bereits bei früheren Treffen besprochen wurden, daher war Xis Anwesenheit nicht zwingend notwendig“, so Escobar. Dennoch unterstrich die Anwesenheit des chinesischen Premiers Li Qiang die Bereitschaft Chinas, weiterhin massiv in Brasilien zu investieren, etwa in die riesige BYD-Fabrik in Bahia.
Indien, vertreten durch Premierminister Narendra Modi, zeigte großes Interesse an einer strategischen Partnerschaft mit Brasilien. „Modi will nicht von China überholt werden“, betonte Escobar. Die indische Delegation war ebenfalls zahlreich vertreten, und Modi pflegt eine freundschaftliche Beziehung zu Lula, was zukünftige grenzüberschreitende Investitionen fördern könnte. „Die Inder werden bald ernsthafte Geschäfte in Brasilien machen“, prognostizierte Escobar, obwohl die Details noch ausstehen.
Ökonomische Erfolge und geopolitische Vorsicht
Der Gipfel war aus geoökonomischer Sicht ein Erfolg, insbesondere durch das BRICS Business Council, das laut Escobar „außergewöhnlich“ war. „Man konnte mit 50 bis 60 Prozent des globalen Südens vernetzen – Ägypter, Südafrikaner, Nigerianer, Vietnamesen, Malaysier“, schwärmte er. Besonders beeindruckend war die Rede des malaysischen Premierministers Anwar Ibrahim, der betonte, dass BRICS „nun Fahrt aufnimmt und über die Reisegeschwindigkeit hinausgeht“. Ibrahim, einer der fähigsten Diplomaten weltweit, unterstrich die Bedeutung des Gipfels für die Zukunft der Allianz.
Geopolitisch agierten die BRICS-Staaten vorsichtig, vornehmlich angesichts der drohenden Handelskriege unter der neuen US-Regierung von Donald Trump. „Die BRICS-Staaten wissen, dass sie mit Trump 2.0 vorsichtig sein müssen“, sagte Escobar. „Die Abschlusserklärung war sehr diplomatisch formuliert, um direkte Konfrontationen zu vermeiden.“ Dennoch wurde die Notwendigkeit betont, eigene Zahlungssysteme und Währungen zu entwickeln, um die Abhängigkeit vom SWIFT-System und dem US-Dollar zu reduzieren. „Putin betonte online, dass Handel und Zahlungen in unseren eigenen Währungen die Zukunft sind“, so Escobar. Dies sei jedoch ein langfristiger Prozess, der behutsam angegangen werde.
Der globale Süden fordert eine eigene Stimme
Ein zentrales Thema war die Notwendigkeit, eine unabhängige Medienlandschaft für den globalen Süden zu schaffen. „Wir diskutierten die Idee einer transkontinentalen BRICS-Medienorganisation, möglicherweise als öffentlich-private Partnerschaft“, erklärte Escobar. „Der globale Süden braucht eigene Informationsquellen, unabhängig vom globalen Norden und insbesondere den USA.“ Die Dominanz westlicher Big-Tech-Unternehmen und deren Einsatz von KI zur Informationskontrolle wurden ebenfalls kritisch thematisiert.
Herausforderungen und offene Fragen
Trotz der Erfolge gab es auch Kritik. Die Abschlusserklärung war in Bezug auf Syrien und den Gazakonflikt nicht so scharf, wie einige Mitglieder, insbesondere der Iran, es sich gewünscht hätten. „Der Iran wollte eine stärkere Sprache, aber die Brasilianer mahnten zur Zurückhaltung, um die gesamte Gruppe nicht zu gefährden“, erklärte Escobar. Auch die Situation in Aserbaidschan und die Rolle der Türkei wurden nicht angesprochen, obwohl dies für Russland ein Problem darstellt. „Die Türkei spielt ein doppeltes Spiel, und das hätte diskutiert werden müssen“, sagte Escobar.
Die Rolle Indiens bleibt ambivalent. „Die Chinesen und Russen trauen Indien nicht vollständig“, so Escobar. „Einige schlagen sogar vor, BRICS mit Iran und Indonesien statt Indien neu zu definieren.“ Indonesien, seit diesem Gipfel offiziell Vollmitglied, wurde als wichtiger Akteur gefeiert, ebenso wie die Annäherung zwischen Brasilien und Südostasien, die durch Malaysia und Anwar Ibrahim gefördert wird.
Ein vielversprechender Anfang
Trotz organisatorischer Schwächen – Escobar kritisierte die mangelnde Kompetenz der Brasilianer bei der Organisation des Gipfels – übertraf das Treffen die Erwartungen. „Die Delegierten waren begeistert, es war wie der Beginn einer langen Reise“, sagte Escobar. Die Diskussionen über nachhaltige Entwicklung, Energie, Landwirtschaft und mehr zeigten das enorme Potenzial der BRICS-Allianz. Besonders die Einbindung von Frauenverbänden und die Zusage Lulas, im Oktober nach Malaysia zu reisen, um die Zusammenarbeit mit ASEAN zu vertiefen, wurden als Meilensteine gefeiert.
Fazit
Der BRICS-Gipfel in Rio war ein klares Signal, dass die Allianz trotz westlicher Skepsis an Stärke gewinnt. „Die BRICS-Staaten verstehen, dass sie gegen das Imperium vereint stehen müssen“, betonte Escobar. Mit einer stärkeren geoökonomischen Zusammenarbeit, der Aussicht auf unabhängige Zahlungssysteme und einer klaren Abgrenzung vom westlichen Narrativ setzt BRICS ein Zeichen für eine multipolare Weltordnung. Die Herausforderungen, insbesondere die geopolitische Vorsicht und interne Spannungen wie die Rolle Indiens, bleiben bestehen. Doch wie Escobar abschließend bemerkte: „Es ist ein langer Prozess, aber wir haben Grund zur Freude, dass hier ernsthafte Diskussionen stattgefunden haben.“