Annalena Baerbock bringt die Bundeswehr ins Spiel, um der Ukraine Sicherheit zu garantieren. Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen
Wenn es nach Außenministerin Annalena Baerbock geht, könnten sie irgendwann den Frieden in der Ukraine sichern
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Sicher ist es zu begrüßen, wenn die deutsche Außenministerin einen Beitrag zum Frieden in der Ukraine leisten will, den sie bisher schuldig blieb. Nur zeugt der Vorschlag, deutsche Soldaten zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands in die Ukraine zu entsenden, eher von Lautsprechertum als einem realistischen Gespür für das im Augenblick Machbare und Angebrachte. Auch sind Zweifel angebracht, ob Annalena Baerbock auf der Höhe der Erklärungen ist, die in dieser Woche beim Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel zu hören waren. Entweder sind deren Botschaften nicht bei ihr angekommen – oder sie akzeptiert sie nicht und will sie daher konterkarieren.
Schließlich ging an die ukrainische Führung bei dieser Gelegenhei
ll sie daher konterkarieren.Schließlich ging an die ukrainische Führung bei dieser Gelegenheit eindeutiger Bescheid, wie die Sicherheit ihres Landes nach einem möglichen Kriegsende gerade nicht geschützt werden soll: durch eine Mitgliedschaft in der NATO. Generalsekretär Mark Rutte hält sie derzeit für nicht „zielführend“. An Begründungen fehlt es nicht. Entscheidend ist, was bei aller Beschwichtigungsrhetorik nicht ausgesprochen wird: Die NATO hält an ihrem so essenziellen wie existenziellen Prinzip fest, Staaten mit offenen Territorialkonflikten nicht aufzunehmen. Und wer hat davon gegenwärtig mehr zu bieten als die Ukraine?Die im Konfliktfall geltende Beistandspflicht verheißt ein hohes Kriegsrisiko. Dies im Fall der Ukraine einzugehen, dürfte unter den 32 Mitgliedstaaten auf Unbehagen stoßen und den bisherigen Ukraine-Konsens gefährden.1. Internationale Truppen müssten Frieden in der Ukraine nicht erhalten, sondern erzwingenEgal, wie ein Waffenstillstand zwischen Kiew und Moskau eines Tages aussehen wird – er dürfte mit ukrainischem Gebietsverzicht verbunden sein, der ein erhebliches Konfliktpotenzial birgt und den bewaffneten Zusammenstoß mit der russischen Armee jederzeit von Neuem anfachen kann. Würden also internationale Truppen in die Ukraine entsandt, dann bei dieser Ausgangslage. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass derartige Verbände weder Wunder vollbringen noch Kräfteverhältnisse umstürzen, bestenfalls beeinflussen können. Um wirksam zu werden, wäre keine friedenserhaltende (Peace Keeping), sondern friedenserzwingende (Peace enforcement) Mission nötig – das heißt Kampfverbände.Damit dürften einzelne NATO-Staaten wie die NATO in Gänze (siehe Afghanistan) als Truppenentsender entfallen. Jeder Angriff auf diese Einheiten wäre ein Angriff auf einen Militärpakt mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Die westliche Allianz hätte bei einem solchen Unternehmen einen weiteren Schritt hin zu einer direkten Konfrontation mit Russland getan. Sie kann unter absehbar diffusen Nachkriegsverhältnissen, einer Post-Selenskyj-Regierung und informellen Strukturen außerhalb der ukrainischen Armee (Stichwort Nationalgarde) jederzeit provoziert werden.2. Welches Mandat braucht eine Friedensmission? Und: Wer soll es erteilen? Gerade zeigt das Beispiel Libanon, dass nach einem mit hoher Intensität geführten Krieg eine Waffenruhe keinerlei Friedensgarantie bedeutet. Auch Friedenstruppen, gestellt von wem auch immer, sind das per se nicht. Ohnehin wären zunächst die Konditionen einer Feuerpause abzuwarten, bevor über eine internationale Überwachung befunden wird. Erst dann wäre zu fragen: Welches Mandat braucht eine solche Mission? Und vor allem: Wer soll es erteilen?Gewiss kämen die Vereinten Nationen in Betracht, da sie durch ihre Charta (Artikel 39 – 51) autorisiert sind, derartige Entscheidungen zu treffen. Freilich ist im Augenblick völlig offen, ob sich der Sicherheitsrat jemals darauf einigen kann. Bliebe womöglich die OSZE, die mit ihren „Feldoperationen“ durchaus eine militärische Dimension vorweisen kann, nur sind die beispielsweise im Kosovo, Montenegro oder Bosnien-Herzegowina mehr darauf ausgerichtet, Konflikte präventiv zu verhüten, statt Befriedigung zu erzwingen.3. Deutsche Soldaten in der Ukraine: Achtung, GeschichtsvergessenheitBaerbocks Vorstoß bedient einen aktivistischen Part, der völlig davon abstrahiert, wie sehr sich westliche, vor allem aber die eigene Politik in der Ukraine-Frage verkalkuliert hat. Die monatelang simulierte Siegeszuversicht hat ausgedient. Immerhin wird mittlerweile über die Zeit nach dem Krieg – nicht die nach dem Sieg – nachgedacht. Allerdings mit eher fragwürdigen Resultaten.Deutsche Soldaten in der Ukraine stationieren zu wollen, zeugt von einer Erfahrungsferne und – verweigerung gegenüber deutscher Schuld im Osten Europas. Historische Verantwortung wird stetig bemüht, um diese und keine andere Israel-Politik zu betreiben. Wie ist das gegenüber Russland? Befreien „westliche Werte“ von einer Haftung für die gesamte deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts?