Kurz vor der Präsidentenwahl in Ghana ist John Mahama vom National Democratic Congress NDC unbestrittener Favorit. Er plant für das 35-Millionen-Einwohner-Land in Westafrika einen Wandel, der Millionen Arbeit und Ausbildung verspricht
Keine guten Aussichten: Eine Anhängerin der New Patriotic Party mit Vizepräsident Mahamudu Bawumia in Accra
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John Mahama, Präsidentschaftskandidat im 35 Millionen Einwohner zählenden Ghana an der Küste Westafrikas, versteht sich als Sozialdemokrat. Seine Partei, der National Democratic Congress (NDC), ist Mitglied der Sozialistischen Internationale. Mahama, bereits von 2012 bis 2016 Präsident, kann Fußballstadien füllen mit jungen Leuten, die ihn bejubeln. Ghana verzeichnet derzeit ein Durchschnittsalter von 20 Jahren. Der Bewerber pflegt Kontakte zur Afrika-Abteilung der Akademie der Wissenschaften in Moskau, der er im Juli die russische Ausgabe seiner Memoiren vorstellte. Mahama hat zu Zeiten Gorbatschows Sozialwissenschaften in Moskau studiert und sich bisher gegen Russland-Sanktionen ausgesprochen – im Konsens mit der Wirtschaftselite seines Landes. Wie den
ns mit der Wirtschaftselite seines Landes. Wie denn auch Ghanas führende Wirtschaftszeitung Business & Financial Times in den Restriktionen „eine grobe Verletzung internationalen Rechts“ sieht.Volkstribun John Mahama: Ein „Inschallah“ für die MuslimeDer 65-jährige Mahama, der zehn Jahre jünger wirkt, wird von seinen Anhängern im Stadion der Stadt Tamale im Norden mit viel Beifall bedacht, wenn er davon spricht, die jetzige Regierung von Staatschef Dankwa Akufo-Addo lebe „in einer Fantasiewelt“. Sie habe kein Gespür für „Millionen Menschen, die oft 24 Stunden nichts zu essen“ hätten. Ghana brauche den Wandel, um „die Jobs zu schaffen, auf die ihr jungen Leute wartet“, so Mahama. Dieser Volkstribun weiß, wie er ein breites Publikum erreicht und spricht sein Auditorium minutenlang in der Regionalsprache Akan an. Und für die Muslime darunter – sie stellen 20 Prozent der Bevölkerung – baut er als Christ ein konziliantes „Inschallah“ ein. Und er verbeugt sich – links und konservativ vertragen sich in Ghana – vor „unseren traditionellen Führern, den Chiefs“. Gemeint sind regionale Wortführer, nicht immer korruptionsresistent, doch als Schlichter von Alltagskonflikten unentbehrlich.Mahama bekennt, er sei in seiner Jugend unter dem Regime des revolutionären Luftwaffenleutnants Jerry Rawlings (Präsident 1981 – 2001) „stark sozialistisch beeinflusst“ gewesen. Davon geblieben ist ein Gespür für soziale Probleme und für „neun Millionen meiner Landsleute ohne Arbeit und Ausbildung“. Für Abhilfe sorgen soll seine Agenda, der „24-Stunden-Ökonomie“. Banken, Lebensmittelgeschäfte, Agrarmärkte und die beliebten Haarflecht-Ateliers sollen rund um die Uhr geöffnet sein. Auch nachts könne man zur Not Häuser bauen.„Wir brauchen mehr Jobs. Ich würde auch nachts arbeiten“Entwicklungsbanken für Frauen müssten mit Kleinkrediten deren Selbstständigkeit fördern. Nicht staatliche Investitionsprogramme, für die das hoch verschuldete Ghana keine Mittel hat, sondern „die Privatwirtschaft soll der Katalysator des Fortschritts sein“, so Mahama. Seine „24-Stunden-Ökonomie“ ist zur populärsten Parole dieses Wahlkampfes aufgestiegen. So sind es in der Universitätsstadt Cape Coast mit ihren 160.000 Einwohnern vorzugsweise junge Ghanaer, die Wahlkampf für Mahama machen. Die arbeitslose Ellen (21) steht von früh morgens 7.30 Uhr bis in die Nacht hinein mit jungen Parteifreunden in der Einkaufsstraße Ntsin in der Altstadt von Cape Coast bei tagsüber 31 Grad im Schatten. NDC-Anhängerinnen schwenken Fahnen, verteilen Flugblätter und schwingen ihre Hüften, während von einem langsam vorbeifahrenden NDC-Pick-up Afropop erklingt.„Wir brauchen mehr Jobs. Ich würde auch nachts arbeiten“, meint Ellen und ihre Zuhörer nicken zustimmend. Die regierende New Patriotic Party (NPP) sei für Arbeitslosigkeit und Vetternwirtschaft verantwortlich, eine Botschaft des NDC, die besonders in der engen Marktstraße mit ihren heruntergekommenen und geduckten Häusern aus der britischen Kolonialzeit ankommt, deren Fensterläden der Sonne schon lange nicht mehr standhalten. Viele hier denken wie Fuata (43), die unter einem alten verblichenen Sonnenschirm frische Eier anbietet. Sie verdiene zu wenig bei einer Inflation von über 20 Prozent. Bei Kleinhändlern wie ihr, die auch Nüsse, Kaugummi und britische Kekse verkaufen und wöchentlich umgerechnet 60 Euro verdienen, findet Mahamas National Democratic Congress viel Rückhalt.NPP-Kandidat Mahamudu Bawumia war Ökonom beim IWFDer Kraftfahrer Mohammed (34) hingegen sympathisiert mit der Regierungspartei NPP. Im Viertel Cape Coast Nord, wo junge Familienväter ihre erwachsenen Kinder in das klimatisierte Fast-Food-Restaurant „Chicken Man“ ausführen, dominieren NPP-Plakate, während man nach Postern von John Mahama vergeblich sucht. „Alle Politiker sind doch bestechlich“, stellt Mohammed fest und die Umstehenden in der Straße Ntsin lachen wissend. Die NPP regiert seit acht Jahren mit dem inzwischen 80-jährigen Präsidenten Akufo-Addo, der nicht wieder antreten darf. Der beleibte Patriarch, dessen Markenzeichen ein selbstzufriedenes Lächeln ist, gilt in Washington als einer der beliebtesten afrikanischen Politiker. Der Absolvent der Universität Oxford, seit 1971 Mitglied der englischen Anwaltskammer Inner Temple in London, ist angelsächsisch geprägt. Außenpolitisch suchte er stets die Nähe zu den USA und der Ex-Kolonialmacht Großbritannien, verlor jedoch durch allzu viele Korruptionsskandale seiner Minister an Ansehen im Land.Die anglophile Tradition der New Patriotic Party (NPP) will Mahamudu Bawumia (61) bewahren. Er diente Akufo-Addo als Vizepräsident und kandidiert nun für das höchste Staatsamt. Bawumia, Absolvent der Simon Frazer University in Vancouver, war als Ökonom beim Internationalen Währungsfonds IWF und wirbt für sich mit dem ihm bescheinigten „unvergleichlichen Intellekt“. Äußerst vital präsentiert er sich bei Meetings als „neuer Präsident mit neuen Ideen, für ein besseres Ghana mit mehr Jobs“. Warum seine Regierung dies bisher nicht geschaffen hat, bleibt offen.