Was steht am 23. Februar auf dem Spiel? Was bedeutet diese Wahl für mich? Wir haben alle Programme akribisch studiert, wählen aber auch spontan, sentimental oder strategisch. Acht Freitag-Stimmen zur Bundestagswahl
Politische Aufbruchstimmung ist nicht zu spüren. Die Parteien versuchen vielmehr, Sicherheit zu vermitteln
Collage: der Freitag, Material: Imago Images, iStock, dpa
Ein Kollege erzählte neulich, dass sein Kumpel, ein italienischer Staatsbürger, bei den letzten Wahlen in Italien in seine Wahlzettel eine Scheibe rosa glänzende, frische Mortadella gepackt hatte. Der Frust über die antretenden Parteien war wohl größer als die Hoffnung, dass seine Stimme etwas ausrichten könne. Die Wahl war ihm „Wurst“, muss man sagen. Doch wie egal können und sollten uns die hiesigen Wahlen sein?
Klar, die sich häufenden Wahlarenen im öffentlichen und privaten Fernsehen führten im Vorfeld der Wahlen nicht dazu, dass politische Aufbruchstimmung aufkam, wohl genauso wenig wie die Lektüre der verschiedenen Wahlprogramme. Aber tatsächlich wählen wohl nur wenige von den knapp 59 Millionen Wahlbere
privaten Fernsehen führten im Vorfeld der Wahlen nicht dazu, dass politische Aufbruchstimmung aufkam, wohl genauso wenig wie die Lektüre der verschiedenen Wahlprogramme. Aber tatsächlich wählen wohl nur wenige von den knapp 59 Millionen Wahlberechtigten so: Die meisten haben sehr eigene Gründe, das Kreuz bei einer bestimmten Partei zu machen. Oder eben, es tunlichst zu unterlassen. Aus dem Mosaik der Meinungen und Präferenzen haben wir uns in der Redaktion acht Stimmen herausgepickt. Was nervt uns, was ärgert uns und welches Thema fiel in diesem Wahlkampf am Ende wirklich unter den Tisch – und wird wohl nach der Wahl auch dort bleiben?Aus der Wählerforschung weiß man, dass politische Präferenzen in die Wiege gelegt werden: Die elterliche Prägung in den ersten Jahren des Lebens ist bestimmend, kann sich aber in der Adoleszenz ins Gegenteil umkehren, je nachdem, wie sehr man gegen sein Elternhaus und die dortigen politischen Einflüsse rebelliert. Später werden dann soziale Gruppen entscheidend: Freunde, Studienkollegen oder der Sportverein.Letztendlich wählen auch unsere Emotionen mit: Laut der Politikwissenschaftlerin Maren Urner sucht unser Gehirn stets nach Sicherheit. Einfache Lösungen klängen vor allem bei Menschen, die unsicher seien, gut. Doch Politik sei oft komplex und gebunden an langfristige Entscheidungen. Das sollten Politiker*innen ehrlich vermitteln, meint Urner. In diesem Sinne: Möge Ihnen Ihre Wahlentscheidung nicht zu schwer fallen, aber auch nicht zu einfach.Kindergrundsicherung – kommt sicher nicht von Mathis SieblistNatürlich ist Kinder – und Jugendpolitik wichtig, denn Kinder sind unsere Zukunft! Lippenbekenntnisse dieser Art finden sich ausnahmslos in allen Wahlprogrammen. Doch in der politischen Realität haben Kinder selten Priorität. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde die Kindergrundsicherung angekündigt, die viele Kinder aus der Armut holen und ihnen gleiche Bildungschancen geben sollte. 2023 musste Familienministerin Lisa Paus jedoch mit Finanzminister Christian Lindner um die ursprünglich veranschlagten 12 Milliarden Euro ringen – und scheiterte kläglich, lange vor dem Bruch der Koalition. Kanzler Scholz hielt sich bedeckt. Am Ende gab sich Paus mit gerade einmal 2,4 Milliarden Euro zufrieden. Die Kindergrundsicherung platzte und die übrigen „erkämpften“ Milliarden wurden schließlich für eine Erhöhung des Kindergelds und des Kinderzuschlags um je 5 Euro (2%) verwendet. Wer die Preissteigerung seit 2023 miterlebt hat, kann sich ausrechnen wie viel Zugewinn für Kinder und Eltern hierbei rausgekommen ist.In Deutschland sind 14,4 Prozent der Kinder armutsgefährdet. Doch der politische Wille, auch für arme Kinder ernsthaft etwas zu tun, wird nach der Bundestagswahl ebenso an der Merz-CDU scheitern, wie er bei der Ampel an der FDP gescheitert ist. Letztlich denkt man mit Blick auf Politiker und Kinderpolitik – frei nach der Liedermacherin Bettina Wegner: „Grade, klare Menschen, wär’n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat hab’n wir schon zu viel.“ Placeholder image-7Das Votum meiner Ost-Verwandtschaftvon Katharina SchmitzNeulich war ich mit meiner, von mir hochgeschätzten Ost-Verwandtschaft in der Berliner Gemäldegalerie. Zu sehen sind dort aktuell Kunstwerke aus dem Odessa-Museum für Westliche und Östliche Kunst. Bis zum Kriegsbeginn beherbergte das Museum in der Altstadt von Odessa eine breite Sammlung europäischer Meister des 16. bis 19. Jahrhunderts. Die wertvollsten Gemälde wurden inzwischen in ein geheimes Notlager gebracht, in der Ausstellung sind einige davon zu sehen. Die Schau soll zum Dialog einladen, an die Verbindung der Ukraine mit Europa erinnern, denn viele der Werke aus Odessa wurden von Meistern geschaffen, die auch in Berlin gesammelt wurden. Meine Ost-Verwandtschaft war schon einmal in Odessa, vor ein paar Jahren hat sie die Ukraine bereist. Auf eine Art steht die Ausstellung sinnbildlich für unsere schwer zu vereinbarenden Einstellungen zur deutschen Ukraine-Politik, worüber wir inzwischen lieber schweigen. Später beim Kaffee berichtet meine Ost-Verwandte, Jahrgang 1956, dass sie per Briefwahl zum ersten Mal (!) die Linke gewählt habe. „Die Grünen kann ich nicht mehr wählen.“ Leicht fiel ihr das nicht. Sie habe deshalb die Kandidaten gegoogelt. Alle jung, somit frei von SED-Erbe. Sich dann die Berufe angeschaut. „Da kandidieren Lehrerinnen. Erzieher. Und die engagieren sich alle vor Ort.“Und wer kriegt meine Stimme? Ein paar Tage vor der Wahl ist die Stimmung definitiv bedrückt und extrem wankelmütig. Groß ist die Sehnsucht nach einer Eingebung. Das Votum meiner Ost-Verwandtschaft kommt als Zeichen infrage. Aber ausgemacht ist die Sache noch nicht.Placeholder image-8Sozialpolitik? Das Stiefkind der Politikvon Ulrike BaureithelLaut einer aktuellen Umfrage des Sozialverbandes VdK sagen 72 Prozent der Deutschen, dass soziale Themen eine viel zu geringe Rolle spielten. Im Osten sind es sogar 80 Prozent. Viele haben Angst, dass ihr wohnortnahes Krankenhaus demnächst geschlossen oder die angestrebte „effektive“ Belegung der Kliniken zu Zuständen wie in Großbritannien führen wird. Dort hat die Gewerkschaft der Pflegekräfte gerade den Notstand ausgerufen, weil sie inzwischen sogar auf Parkplätzen, in umgebauten Schränken oder Waschräumen arbeiten müssen und Patientenbetten auf Fluren die Regel sind. Das macht Angst, und der Blick in die Wahlprogramme der demokratischen Parteien zeigt, dass es wohl keine „demokratische Mehrheit“ geben wird, die die Krankenhausreform rückgängig machen könnte, obwohl sich das wohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wünscht.Sozialpolitik gehört, wie das Klima, zu den Stiefkindern in diesem Wahlkampf. Lediglich Linke und BSW positionieren sich gegen die Reform und fordern Bestandsgarantien insbesondere für die Kliniken im ländlichen Raum und in gemeinnütziger Trägerschaft. Dass die AfD die Fallpauschalen als Thema entdeckt hat – die sie übrigens vollständig abschaffen will –, birgt eine gewisse Ironie. Vor allem, wenn man sieht, dass die Partei die Kliniken zugleich den freien Marktkräften aussetzen will, in Einzelkämpferschaft mit den Kassen. Derweil geht das kalte Kliniksterben weiter. Das DRK in Rheinland-Pfalz hat kürzlich angekündigt, sich als Träger zurückzuziehen. Elf Einrichtungen in diesem Bundesland sind nun bedroht.Placeholder image-1Und was ist mit dem Bürgergeld?von Helena SteinhausBis auf die Linke, die eine Mindestsicherung von 1.400 Euro fordert, möchte keine Partei den Regelsatz anheben. Die AfD will den Regelsatz sogar senken. Durch einen veränderten Anpassungsmechanismus, den die CDU anstrebt, würde in Zukunft faktisch auch eine Absenkung des Satzes stattfinden, was auch von der FDP gefordert wird. Zudem würden Pauschalbeträge fürs Wohnen eine zusätzliche Unterschreitung des Existenzminimums bedeuten. Schon jetzt zahlen 320.000 Haushalte im Bürgergeld jeden Monat etwa 107 Euro aus ihrem kleinen Regelsatz zur Miete dazu, weil es superschwierig ist, „angemessene“ Wohnungen zu finden.Die Grünen und die SPD wollen am derzeitigen Berechnungsmodell des Regelsatzes festhalten. Scharfe Kritik an der Höhe des Regelsatzes kommt von den Wohlfahrtsverbänden. Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands bemängelt, dass „regelmäßig keine gesunde Ernährung, keine angemessene Mobilität und soziale Teilhabe möglich“ sei. Laut Berechnungen des Verbands müsste der Regelsatz in diesem Jahr 813 Euro zuzüglich Strom betragen. Ein schlecht ausgestattetes Bürgergeld ist immer auch eine Drohkulisse für all jene, die bereits arbeiten. Für die 10,5 Millionen Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist es das unmissverständliche Signal: „Mach bloß deine Arbeit, egal, zu welchen Konditionen!“ Nur wenn das Bürgergeld tatsächlich existenzsichernd ist und damit eine echte Verhandlungsgrundlage bietet, können Ausbeutung und Armut verhindert werden.Helena Steinhaus ist Gründerin von Sanktionsfrei und freie AutorinPlaceholder image-6Sind die Grünen das kleinere Übel?von Nick ReimerStefanie ist 59, Assistentin und Großmutter von sechs Enkeln. Klimaschutz ist ihr wichtig, „unsere Generation hat es verbockt, unvorstellbar, welche Last auf unsere Enkel zukommt“. Aber die Grünen hätten nicht geliefert. „Statt konsequent Politik für eine fossilfreie Zukunft zu gestalten, haben sie uns mit den Flüssigerdgas-Terminals die nächste fossile Infrastruktur vor die Nase gesetzt.“ Kein Tempolimit, keine vernünftige Wärmewende im Gebäudebereich, nicht mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft – dass die Grünen in der Ampel eben nicht mehr umsetzen konnten, das lässt die Berlinerin nicht gelten. „Der Klimaschutzminister ist von Gericht zu mehr Klimaschutz verurteilt worden. Doch statt am Kabinettstisch zu sagen, ‚So Leute, jetzt müssen wir‘, ist er gegen das Urteil in Revision gegangen.“ Der Wahl-O-Mat hat Stefanie Volt empfohlen, auch für die Linkspartei hegt sie gewisse Sympathie, „schon allein, damit der Populismus von Sahra Wagenknechts Wahlverein nicht obsiegt“. Andererseits sei das, was die anderen Parteien in diesem Wahlkampf zum Klimaschutz vorschlagen, deprimierend. „Der Union fällt nichts Besseres ein, als die Atomkraftwerke wieder anzuschmeißen. Und der SPD fällt gar nichts ein.“ Deshalb wäre schon wichtig, dass die Grünen wieder an einer Regierung beteiligt sind ,und eine Stimme für Volt beinhalte eben keine neue Regierungsoption. Stefanie hat ihre Stimme schon per Briefwahl abgegeben, am Wochenende ist sie bei den Enkeln. Sie hat „wohl oder übel“ ihr Kreuz bei Grün gemacht.Placeholder image-4Entwicklungspolitik auf dem Prüfstandvon Ji-Hun KimProbleme bei den Ursachen zu lösen, nicht bei den Symptomen – das sollte die Kompetenz fortschrittlicher Politik sein. Es ist, in Anbetracht aktueller Migrationsdebatten, bekannt, dass die größten globalen Fluchtursachen Kriege, bewaffnete Konflikte, politische Verfolgung, Hunger, Armut und Klimakrisen sind. Noch ist kaum abzusehen, welche tatsächlichen Konsequenzen die USAID-Kürzungen der Trump-Regierung haben werden. In Südafrika mussten bereits zahlreiche Kliniken für Geschlechtskrankheiten schließen.Die USA sind der größte Geldgeber im Sektor Entwicklungshilfe, gefolgt von Deutschland – so auch beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Im Zeitraum 2016 bis 2021 wurden über 15 Milliarden US-Dollar aus Washington zur Verfügung gestellt. Aus Deutschland stammen knapp fünf Milliarden. Die restliche EU kommt auf 3,8 Milliarden. Ein Blick in die aktuellen Wahlprogramme verrät, dass auch dieser Status quo der humanitären Weltordnung auf dem Prüfstand steht. Bei der CDU heißt es: „Wir führen humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit angesichts ausgeprägter inhaltlicher Überschneidungen sowie aus Effizienzgründen wieder zusammen.“ Die FDP möchte eine „strukturelle Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit“. Für die AfD ist die deutsche Entwicklungspolitik „gescheitert“. Nicht nur soll „die Förderung von fragwürdigen gender- und WOKE-ideologiebasierten Entwicklungsprojekten“ beendet werden. Die Partei will auch die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit deutlich reduzieren.Darf ich nicht mehr deutsch sein, wenn ich mich auf die Straße klebe?von Anna RaabWelchen Kurs die CDU migrationspolitisch gerade ansteuert, ist erschreckend deutlich. Im Grunde den der AfD, nur in spießbürgerlich. Friedrich Merz, sein mindestens genauso gruselig agierender Kollege Jens Spahn und andere dieser nicht mehr ganz so christlichen Partei stellen – unter anderen Absurditäten – die Forderung: Wer als Doppelstaatler „schwerwiegende Verbrechen“ begeht, soll die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren können. Fragt sich nur: Was bedeutet schwerwiegend? „Darf“ ich noch schwarzfahren, Parmesan klauen oder mich auf die Straße kleben? Oder habe ich mir mein Deutschsein (was auch immer das eigentlich bedeuten soll, aber diese Diskussion braucht man mit der CDU wohl gar nicht erst versuchen zu führen) dann nicht mehr verdient? Es mir verspielt? In Bayern darf eine 28jährige nicht Lehrerin werden, weil sie nachweislich an Klimaprotesten und antifaschistischen Demonstrationen teilgenommen hat. Wenn so die Kriterien für Berufsverbote aussehen, will man sich kaum ausmalen, wie locker flockig Menschen zukünftig ihr Pass entzogen wird. Wie gut, dass ich zusätzlich die italienische Staatsbürgerschaft besitze, dann kann ich ja einfach ausweichen. Wobei – die generelle Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft soll laut Merz und Co. ebenfalls abgeschafft werden. Placeholder image-3Friedenspolitik gesuchtvon Sebastian PuschnerKurz vor der Wahl sitzen Vertreter von fünf Parteien auf einem Podium und stellen die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zum Afghanistan-Abzug vor: SPD, Union, Grüne und FDP sind dabei um Abgrenzung zur AfD bemüht – doch es irrt, wer Selbiges vom Verhältnis zum Militärischen in den fünf Wahlprogrammen vermutet. Den Wehrdienst oder „eine nationale Datenbank zur Erfassung wehrfähiger Männer und Frauen“ (FDP) wollen alle, und viel Geld für Waffen. Alice Weidels fünf Prozent des BIP schlagen Robert Habecks Marke um anderthalb Prozentpunkte. Was den schmachtenden Blick über den Atlantik angeht, macht dem Elon-Musk-Fanclub AfD jetzt eh niemand mehr was vor.Keine USA-Fans sind die zwei Parteien, die auf dem Podium fehlen: Die Linke blickt zwar skeptischer auf Russland, das BSW kritischer auf die USA und will außerdem keine EU-Erweiterung, die Linke hätte sie gern „solidarisch“. Doch Wehrdienst, Militarisierung und Aufrüstung lehnen beide ab. Und wollen „langfristig“ Russland in Europas Sicherheitsarchitektur einbeziehen.Zu Parallelen zwischen Afghanistan und der Ukraine fragen Journalisten noch das Podium: Zwei radikale Kurswechsel der USA, ein radikal von diesen abhängiges Deutschland: Der AfD-Mann will dazu nichts und lieber sagen, dass keine afghanische Ortskraft, die Deutschland half, je bedroht war. Die Grünen sind „aufgewühlt“, FDP und Union wollen einen „Sicherheitsrat“, die SPD hält den Beginn des Afghanistan-Krieges auch heute noch für „nachvollziehbar“.Placeholder image-5Frauen in der Politik: Cherchez la femme!von Alina SahaWir erleben aktuell einen antifeministischen Backlash. Das macht vor den Wahlen nicht halt: Der neue Bundestag wird männlicher als der letzte. Wie Abgeordnetenwatch undPanorama gemeinsam recherchierten, wird der Anteil weiblicher Abgeordneter wahrscheinlich um einige Prozentpunkte sinken. Die Prognose geht von 31,5 Prozent Frauenanteil aus, aktuell liegt er noch bei 35,7. Gerade Parteien wie die CDU und AfD, die eine sehr niedrige Frauenquote in ihren Fraktionen haben, stehen in den Umfragen gut da und werden im nächsten Bundestag wohl mehr Sitze bekommen. Fraktionen, die besonders weiblich sind, wie Grüne und SPD, werden schrumpfen und mit ihnen der Frauenanteil im Parlament.Deutlich zugelegt hat der Frauenanteil im Parlament nur einmal, in den 1990ern nach der Wende. Seitdem stagniert er bei rund einem Drittel der Abgeordneten. Was das heißt, hat die letzte Plenarwoche im Bundestag vor den Wahlen gezeigt: Die eher weiblichen Fraktionen von Grünen, SPD und Linken reichten einen Antrag ein, der Schwangerschaftsabbrüche legalisieren sollte. Sie scheiterten an der männlich dominierten CDU und der FPD. Obwohl sich nicht alle Frauen für legale Schwangerschaftsabbrüche aussprechen, war es indirekt der hohe Männeranteil, der verhindert hat, dass Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden. Abbrüche bleiben also illegal, wenn auch unter gewissen Bedingungen straffrei. Klar, mit zu wenigen Frauen sind die Frauenrechte im Parlament zweitrangig. Mit Blick auf die kommende Zusammensetzung wird sich die Situation für Frauen politisch kaum bessern.Placeholder image-2Erinnerungskultur: fehlende Konzeptevon Leander F. BaduraDass die AfD eine erinnerungspolitische Wende will, ist kein Geheimnis. Doch wer glaubt, die bestehende Erinnerungslandschaft sei bei den Parteien, die nach der Bundestagswahl regieren werden, in guten Händen, der wird bei einem Blick in die Wahlprogramme schlucken müssen. Schon vor einem Jahr hatte ein Entwurf von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) für Aufsehen unter Expertinnen und Gedenkstättenleitern gesorgt: Die staatlich organisierten Verbrechen des NS-Staates und der DDR sollten zusammengeworfen werden – mit individuell verübtem Terrorismus und dem Rassismus der Einwanderungsgesellschaft. Von einem „wirren“ und „naiven“ Konzept war die Rede.Einen ähnlichen Sound hat das Programm der Grünen: mehr Mittel für Gedenkorte, ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus, Erinnerung an den Kolonialismus und an Opfer rechter Gewalt sowie eine Öffnung der Erinnerungskultur für die Einwanderungsgesellschaft. Das ist alles nicht falsch – die Frage ist nur, wie es organisiert und finanziert wird. Erschreckender ist jedoch, was CDU/CSU schreiben: Das Wahlprogramm erwähnt die NS-Verbrechen mit keinem Wort. Lediglich von der „Erinnerung an beide totalitäre Regime“ ist die Rede, wobei die „Erforschung der SED-Diktatur“ gesondert gefördert werden soll. Auch hier droht eine Einebnung der NS-Verbrechen in eine generelle Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Und die SPD? Will „wachhalten“, „fortsetzen“, „stärken“. Wer sich darauf verlassen muss, erkennt, auf welch tönernen Füßen die Erinnerungskultur steht.