Die Sozialen Medien kommen ständig mit neuen Beautytrends um die Ecke. Doch wir sollten uns gut überlegen, wie viel Zeit wir damit verplempern
„Fürs Rausreißen bin ich zu feige und ich hab’ keine Zeit fürs Rasieren.“
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Auf Tiktok habe ich gehört, dass man ab meinem Geburtsjahr 1985 alt ist. Das ist interessant, weil ich mich nicht alt fühle – was aber eben auch exakt das ist, was nur alte Leute über sich sagen. Also bin ich jetzt alt, das ist okay – war ja auch irgendwie Sinn der Sache.
Was sich aber doch seltsam anfühlt, ist, dass ich nun einen Full Fashion Cycle durchlebt habe. Das bedeutet, dass die Teenies heute tragen, was ich als Teenie getragen habe. Damals, als wir uns über die High-Waist-Hochwasserhosen unserer Mütter lustig gemacht, über ihre Vokuhilas gekichert haben. Jetzt machen sich Kids mit Vokuhila über meinen Hosenbund lustig.
Das Gute am Älterwerden ist, dass einem das eigene Aussehen immer egaler wird. Dachte ich zumindest. Denn auf Social Media sieht man derzeit eine Menge Menschen – vor allem Frauen ab 30 –, die mit dem Älterwerden gar nicht klarkommen. Influencer*innen sagen, man müsse eine LED-Licht-Maske tragen, die Falten glättet; eine Kinnmaske, die das Doppelkinn wegdrückt. Und natürlich die Gesichtsmuskeln mit einer Art Tesafilm festkleben. Freilich sieht man mit all dem Gerät aus wie eine Mischung aus Michael Myers und einer Mumie, aber das ist nicht der Punkt. Man soll sich zu Hause tot stellen, ganz der Konservierung widmen, um draußen auszusehen wie ein Babypopo.
Doch wer das mitmacht, hat nicht nur viel Geld ausgegeben für Dinge, deren Wirkung irgendwo zwischen nicht erwiesen und sehr unwahrscheinlich rangiert. Wer das alles macht, hat vor allem viel Lebenszeit aufgewendet.
Zeit, die man anders nutzen könnte: zum Schlafen, Körbeflechten oder Parteigründen. Zeit ist bekanntlich politisch, und das hier die längste Beschäftigungstherapie aller Zeiten. Heute ist es aber Konsens, dass Frauen mindestens die regelmäßige Mani-Pedi, das Gesichtspeeling, das Augenbrauenlifting, die Wimpernwelle und den Friseurtermin brauchen. Und die Körperbehaarung muss natürlich auch weg. Neuerdings ist sogar der feine Gesichtsflaum ein „Problem“ (wieder Tiktok).
Männer können sich hingegen weiterhin in ihrem zwanzig Jahre alten Pulli alle zwei Monate dem gleichen Haarschnitt für acht Euro unterziehen. Eine Freundin hat mir letztens erzählt, dass sie sich nun die Bikinizone per Laser enthaaren lässt. „Fürs Rausreißen bin ich zu feige und ich hab’ keine Zeit fürs Rasieren.“ Verständlich. Wir haben beide kleine Kinder. Alleine und in Ruhe duschen ist so gut wie unmöglich. Das Maximum an Wellness ist eine Haarmaske unter der Dusche, während irgendwer das warme Wasser abdreht und man im Minutentakt durch die Tür brüllt: „Ich kann dich nicht hören!“, hoffend, dass das schreiende Kind vor der Tür nicht blutet, sondern nur dringend wissen will, ob Eichhörnchen auch Backenzähne haben.
Nach unserem Gespräch sehe ich nach, was es kostet, sich untenrum nackig zu lasern. Um die 500 Euro. Zu meinem Glück bin ich freie Autorin. Die Frage, ob ich das machen sollte, stellt sich schon aus finanziellen Gründen nicht. Praktisch wäre es aber.
Aber während ich so darüber nachdenke, sehe ich meine Kinder durchs Bild laufen. Vielleicht ist es ja wichtig, dass sie wissen, dass eine erwachsene Frau Körperbehaarung hat. Und Falten. Damit sie später in Ruhe erst erwachsen und dann alt werden können.
Super Safe Space
Saskia Hödl ist freie Journalistin und Autorin aus Wien. Sie war bis 2022 Leiterin des Ressorts „taz zwei & Medien“. Alle vier Wochen schreibt sie hier die Super Safe Space-Kolumne